c't 6/2022
S. 3
Standpunkt

Facebook/Meta: Potemkinverse

Facebook-Chef Mark Zuckerberg blieb bei der Vorstellung seines neuen Metaverse nur sehr, sehr vage. Es gibt zwar schon VR-Spiele und -Anwendungen – aber mit dem, wie sich das Metaverse einmal anfühlen soll, haben die klobige Hardware, die unbeholfene Steuerung und die vereinzelten Anwendungen nichts zu tun. Und nicht einmal das firmeneigene Promo-Video vermittelt den Eindruck, dass Facebook – Verzeihung, Meta – in den nächsten Jahren liefern wird.

Was mich am meisten irritiert: Das Metaverse soll ja angeblich ein offenes System werden, in dem jeder eigene Welten erschaffen kann, zwischen denen Besucher problemlos hin und her wechseln können. Dafür fehlen aber allgemein anerkannte Standards. Ich habe bisher nichts davon gehört, dass Meta auf andere Unternehmen zugeht, um so etwas zu entwickeln. Branchenbeobachter bezweifeln mittlerweile, dass Meta in einem Metaverse überhaupt eine bedeutende Rolle spielen kann. Es spricht einiges dafür, dass die Film- und Spieleindustrie dort den Ton angibt.

So erscheint die Umbenennung und besonders ihr Zeitpunkt eher wie ein geschickter Schachzug, der von den aktuellen Problemen der altbekannten Facebook-Dienste ablenken soll – etwa den Fragezeichen hinter der Zukunft des Werbegeschäfts und den Enthüllungen der Whistleblowerin Frances Haugen. Mich ärgert bis heute, dass das bisher so gut geklappt hat. Jeder spricht über das schöne Metaverse, das es vielleicht einmal in ferner Zukunft geben wird, kaum einer über die reale kaputte Firmenkultur.

Zumindest an der Börse hat der Namenswechsel allerdings nicht den gewünschten Effekt gebracht. Anfang Februar hat das Unternehmen seine Zahlen für das Weihnachtsquartal vorgelegt: Das klassische Geschäft mit Facebook, WhatsApp und Instagram lieferte nicht die gewohnten Wachstumsraten. Und bei den Reality Labs standen pro Monat einigen hundert Millionen Dollar Umsatz über eine Milliarde Dollar Betriebsverlust entgegen. Auch wenn darin Forschungsgelder für das zukünftige Geschäft im Metaverse enthalten gewesen sein mögen, war das dann doch zu viel für die Börsianer. Die Meta-Aktie verlor binnen Minuten rund 23 Prozent ihres Werts (siehe S. 37).

Jo Bager

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