c't Jahresrückblick 2022
S. 122
Software
Linux auf der Schiene
Bild: u/honey-pingu

Highspeed-Linux

Wie die Deutsche Bahn eine eigene Distribution für ihre Züge pflegt

Die Deutsche Bahn pflegt für ihre Züge eine eigene Linux-Distribution: Ein Bootscreen-Foto aus dem ICE sorgte auf der Onlineplattform Reddit für Furore. Wir sind der Geschichte hinter dem Bild und dem Projekt Linux4ICE nachgegangen.

Von Keywan Tonekaboni

Heute lernte ich, die Anzeigetafeln im ICE haben ihre eigene Linux-Distro, Linux4ICE, schreibt der User „honey-pingu“ sinngemäß auf Reddit. Dazu postet er ein Foto einer Anzeigetafel aus dem ICE, die statt den nächsten Halt einen gescheiterten Linux-Bootprozess zeigt. In den Kommentaren darunter wechseln sich Begeisterung und Verwunderung ab. Die Diskussion auf Reddit gewinnt aber schnell an Substanz, als sich zwei Nutzer als Mitarbeiter der Deutschen Bahn und als Entwickler des Systems zu erkennen geben. Die DB-Mitarbeiter reagieren nicht mit einer vagen Erklärung à la „Störungen im Betriebsablauf“, sondern beantworten mit technischem Sachverstand die staunenden Nachfragen der anderen User. Wir haben nachgefasst, was es mit Linux4ICE auf sich hat und haben mit dessen Entwicklern bei der Bahn gesprochen.

DB it yourself

Auch wenn der Name Linux4ICE Umfassenderes suggeriert, kommt das Betriebssystem nur auf einem kleinen Teil der Bordtechnik zum Einsatz, vorwiegend auf den Anzeigemonitoren. Johannes Leukel, Produktmanager Ein- und Ausgabegeräte in Fernverkehrszügen bei DB Fernverkehr spricht in dem Zusammenhang von „komfortrelevanter IT“. Seit einigen Jahren habe man angefangen, diesen Teil von der Zugsteuerung zu trennen, auch um unabhängiger von den Herstellern zu sein. „Die verschiedenen ICE-Baureihen stellen eine Hürde dar“, erläutert Leukel im Gespräch mit c’t. „Die haben für die Innenanzeiger unterschiedliche Hardware verbaut und das müssen wir mit dieser Linux-Distribution domptieren.“ Auf der heterogenen Hardware muss überall die gleiche Software laufen, aber deren Weiterentwicklung soll nicht durch die unterschiedlichen Hersteller gebremst oder immens teuer werden. Mit der Entwicklung des Systems hat DB Fernverkehr den konzerneigenen IT-Dienstleister DB Systel beauftragt. „Wir wollen diese komfortrelevante IT flexibler machen, um besser auf Kundenbedürfnisse und neue Anforderungen zu reagieren“, erklärt Leukel die Motivation. „Deswegen setzen wir für die Innenanzeiger und ein Zugbegleiterterminal Linux4ICE beziehungsweise EULE ein.“

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