c't 26/2022
S. 54
Aktuell
Energieeffizienz

Energieeffizienz vs. Fortschritt

EU-Vorgaben bremsen Displayentwicklung aus

Vor einem Jahr hat die Europäische Union die Grenzwerte für das Energieeffizienzlabel neu festgelegt, nun folgt der nächste Schritt: Eine Verschärfung der Ökodesign-Richtlinie. Diese könnte jedoch heftige Nebenwirkungen haben.

Von Ulrike Kuhlmann

Die EU-Kommission fordert seit Jahren eine umweltgerechtere Gestaltung digitaler Geräte. Sie formulierte dazu konkrete Anforderungen und verankerte die produktspezifischen Eigenheiten in Unterverordnungen; für elektronische Anzeigen, also Monitore und TVs, ist dies die EU-Verordnung 2019/2021. Diese wurde mehrfach ergänzt und überarbeitet, die aktuell gültige Fassung stammt aus dem Mai 2021 (siehe ct.de/y9cr).

Keine Ausnahmen mehr

Der Knackpunkt: Bisher waren einige Displaytypen von den Vorgaben der Richtlinie ausgenommen. Für OLED-Displays hatte die Kommission zudem einen Korrekturfaktor in die Berechnungen der maximalen Leistungsaufnahme eingearbeitet; sie darf dadurch etwas höher sein. Mit Stufe 2 der Verordnung sollen ab März 2023 alle Displays unter dem Energieeffizienzindex (EEI) von 0,9 bleiben – auch Displays mit 8K-Auflösung (7680 × 4320 Pixel) und Mikro-LED-Displays, in denen pro Bildpunkt eine winzige LED leuchtet. Der zugehörige EEI berechnet sich aus der Displayfläche und der Leistungsaufnahme des Geräts (siehe ct.de/y9cr). Weil EU-Regelungen die Einführung neuer Techniken nicht behindern sollen, legte die EU-Kommission den Korrekturfaktor und die genannten Ausnahmen fest. Die meisten OLED-TVs werden auch die ab März 2023 geltenden Vorgaben meistern, versicherten uns die Hersteller.

Bei der Betrachtung der Energieeffizienz wird auch die Leuchtdichte eines Displays im Auslieferungszustand berücksichtigt; letztere muss mindestens 65 Prozent der maximalen Schirmleuchtdichte (oder 220 cd/m2) betragen. Hierdurch will die EU-Kommission verhindern, dass die Geräte ausgerechnet während einer Energiemessung deutlich dunkler bleiben als später im Betrieb. Der Energiebedarf eines Displays hängt im Wesentlichen von der Leuchtstärke des LCD-Backlights oder der organischen Leuchtschicht ab. Nutzer sollten deshalb Displays nur so hell einzustellen, wie es die Umgebung erfordert. Dabei helfen die in vielen TVs eingebauten Umgebungslichtsensoren, die die Schirmhelligkeit automatisch anpassen. Außerdem gilt: Je größer die Displayfläche, umso höher der Energiebedarf des Geräts. Auch diesbezüglich kann jeder Einzelne zum geringeren Energiebedarf beitragen und auf Monsterfernseher verzichten.

8K und Mikro-LEDs

Problematisch bleibt die Einbeziehung von 8K- und Mikro-LED-Displays: 8K-Displays (mehrheitlich derzeit 8K-TVs) besitzen die vierfache Pixeldichte gegenüber einem gleich großen 4K-Display. Der Teil der Pixelfläche, durch den im LCD Licht vom Backlight an die Displayoberfläche dringt beziehungsweise der selbstleuchtende Anteil eines OLED-Pixels ist sehr viel kleiner als beim 4K-Display. Es müssen im 8K-Display viermal so viele Transistoren pro verfügbarer Fläche angesteuert werden, Zuleitungen und Transistoren verdecken deshalb deutlich mehr Pixelfläche und schlucken mehr Licht. Um die gleiche Leuchtdichte vorn am Display zu erzeugen, muss das Backlight beziehungsweise die organische Schicht also viel heller leuchten. Ein 65-zölliges 8K-TV benötigt beispielsweise über 200 Watt statt etwa 110 Watt für ein gleichgroßes 4K-TV. Es gibt bisher aber keine derart effizienten Backlight-LEDs und organischen Leuchtstoffe, die den höheren Energiebedarf ausgleichen könnten. Die EU-Richtlinie würde deshalb zumindest vorläufig das Aus für 8K-TVs in der EU bedeuten.

Ein 8K-TV wie LGs ultrahochauflösendes Smart-TV 75QNED999PB würde 2023 an den Vorgaben der Ökodesign-Richtlinie scheitern. Er darf weiter aber verkauft werden, weil er bereits im Handel ist.
Ein 8K-TV wie LGs ultrahochauflösendes Smart-TV 75QNED999PB würde 2023 an den Vorgaben der Ökodesign-Richtlinie scheitern. Er darf weiter aber verkauft werden, weil er bereits im Handel ist.

Ähnlich liegt der Fall bei den Mikro-LED-TVs: Bei mindestens 8 Millionen leuchtenden LEDs benötigen sie deutlich mehr Energie als vergleichbare 4K-TVs. Mikro-LED-TVs gibt es aktuell nicht in wohnzimmertauglichen Größen. Sofern es bei den EU-Vorgaben bleibt, dürfte es auch in den nächsten Jahren nicht dazu kommen.

EU behindert neue Techniken

Wie der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) berichtet, werden in der gesamten EU in diesem Jahr weniger als 200.000 8K-TVs und nicht einmal 200 Mikro-LED-TVs verkauft. Das sind gerade einmal 2 Prozent respektive 0,001 Prozent aller in der EU verkauften Fernseher. Die Anzahl dieser Fernsehgeräte ist demnach sehr überschaubar und damit auch der durch sie bedingte höhere Energiebedarf.

Hersteller, Verbände und Organisationen berufen sich darauf, dass die EU-Vorgaben die Entwicklung neuer Techniken ausbremsen. So gab es im Jahr 2012, als die Ökorichtlinie verfasst wurde, noch keine Referenzwerte für 8K-Displays und erst recht keine für Mikro-LED-TVs, an denen sich die Entwickler der Ökodesign-Richtlinie im Rahmen der Direktive 2009/125/EC hätten orientieren können. Erst 2018 wurden die ersten 8K-Displays und Mikro-LED-TVs vorgestellt. Zudem fehlten größere Schirme, in den Anhängen zur Richtlinie finden sich nur Leistungsaufnahmen für Geräte bis 65 Zoll.

Das Hochkontrastformat HDR war ebenfalls noch kein Thema. Und auch die hohen Bildwiederholraten, wie sie aktuelle Gaming-Displays bieten, konnten seinerzeit noch nicht berücksichtigt werden, stellt Heinz Lemke vom Test-Institut des VDE in seinen Kommentaren zur EU-Verordnung 2019/2021 fest. Wenn aber die Leistungswerte so vieler Geräte, die jetzt unter die neuen Grenzwerte fallen, seinerzeit unbekannt waren, müssen die erlaubten Effizienzwerte neu überdacht werden, fordert Lemke. Im Gespräch mit c’t wies er darauf hin, dass die neuen Regeln bis zum 25.12.2022 überprüft werden müssten, um etwaige Änderungen vor Inkrafttreten der Richtlinie umzusetzen. Die Zeit wird also knapp. Deshalb seien auch große Unternehmen, der ZVEI und andere Verbände in Brüssel vorstellig geworden.

Verbände und Elektrounternehmen wehren sich

So fordert DigitalEurope, die Vereinigung nationaler Elektronikverbände und großer europäischer Elektrounternehmen, die EU-Kommission in einem Schreiben auf, die verschärften Vorgaben im zweiten Schritt der Ökodesign-Richtlinie für 8K- und Mikro-LED-Displays zu stoppen.

DigitalEurope hatte die Entwicklung der Leistungsaufnahme von 1281 Displays aus 2021 untersucht und festgestellt, dass knapp 71 Prozent der Geräte die strengeren EEI-Vorgaben der Kommission nicht erreichen würden.

Sämtliche in 2021 verkauften 8K-Displays reißen die neuen, für 2023 geplanten EEI-Grenzwerte der EU. , Bild: DigitalEurope
Sämtliche in 2021 verkauften 8K-Displays reißen die neuen, für 2023 geplanten EEI-Grenzwerte der EU.
Bild: DigitalEurope

8K-TVs müssten 40 bis 50 Prozent weniger Energie benötigen, um der Ökodesign-Richtline gerecht zu werden. Eine derartig hohe Prozentzahl sei jedoch keinesfalls innerhalb eines Jahres zu schaffen, schreibt DigitalEurope in einem Brief an die EU-Kommission. Selbst bei großen 4K-Displays mit Diagonalen über 50 Zoll (1,27 m) erreichen nicht alle getesteten Modelle den erlaubten EEI-Grenzwert von 0,9. Und unter den von DigitalEurope geprüften 43-Zöllern war es sogar nur eins von 129 Modellen.

Energieeffizienz kaum verbessert

Nach Einschätzung der Vereinigung kann die Display-Industrie die Energieeffizienz zum jetzigen Zeitpunkt nicht so stark verbessern wie gefordert. Die Europäische Kommission habe die ehrgeizigen Ökodesign-Grenzwerte und Energieklassen mit der Annahme begründet, dass sich die Energieeffizienz von Bildschirmen im Durchschnitt um 7,5 % pro Jahr verbessert. Bereits im Oktober 2018 habe DigitalEurope jedoch darauf hingewiesen, dass dies nicht der Realität entspricht. Das habe eine Untersuchung von TV-Geräten aus den Jahren 2011 bis 2017 gezeigt.

Zwar machte die Energieeffizienz der Displays durch den Ersatz von Kaltkathodenstrahlern durch LEDs im LCD-Backlight um das Jahr 2012 einen riesigen Sprung. Zwischen 2015 und 2017 sei der Energiebedarf aber durch die bessere TV-Ausstattung, die höhere Auflösung und Techniken wie HDR auch in Mittelklassemodellen gestiegen statt gesunken. Ab 2017 konnte die Energieeffizienz wieder etwas verbessert werden, allerdings nicht um die angenommenen 7,5 Prozent pro Jahr, sondern lediglich um 0,9 Prozent. Über die letzte Dekade betrachtet inklusive LED-CCFL-Ersatz sank die Leistungsaufnahme der Displays um jährlich 4,3 Prozent. Da aktuell kein revolutionärer Sprung in der Displaytechnik zu erwarten sei, geht DigitalEurope von einer künftigen Energieeffizienzsteigerung von unter einem Prozent pro Jahr aus.

Der größte Energieeffizienzsprung gelang um 2012 durch den Umstieg von Kaltkathodenstrahlern im LCD-Backlight auf Leuchtdioden., Bild: DigitalEurope
Der größte Energieeffizienzsprung gelang um 2012 durch den Umstieg von Kaltkathodenstrahlern im LCD-Backlight auf Leuchtdioden.
Bild: DigitalEurope

In die gleiche Richtung weist auch eine Studie von Dr. Norman Bardsley, Chefanalyst der internationalen Solid State Lighting Alliance ISA. Er berichtete auf der Electronic-Displays-Konferenz, dass die Effizienz von LED-Displays mit schrumpfender Größe der LED-Chips sprunghaft abnimmt. So sind Displays aus leuchtenden LEDs mit größeren Pixeln zwar um den Faktor 2 bis 4 effizienter als LCDs, doch dieser Vorteil schwindet bei Pixelabständen unter 2 mm. LED-Displays mit einem Pixelabstand von weniger als 1 mm haben demnach eine schlechtere Energieeffizienz als gleich große LC-Displays mit LED-Backlight. Eine erhebliche Senkung des Stromverbrauchs der LED-Displays ist laut Bardsley zwar theoretisch möglich, erfordere aber mehr Forschung und Entwicklung in diesem Bereich.

ZVEI fordert erneute Prüfung

Der ZVEI weist in einem Schreiben zur Ökodesign-Richtlinie darauf hin, dass 8K und Mikro-LEDs sowohl qualitative als auch ökologische Vorteile mit sich bringen. So verbessern sich Kontrast und Detailtiefe der Darstellung, die LED-Displays brauchen keine lichtschluckenden Farbfilter, es gibt dank der anorganischen Mikro-LEDs keine Einbrenneffekte und damit gehe eine höhere Lebensdauer einher. Außerdem sorge die modulare Bauweise für eine bessere Reparierbarkeit.

Der Verband bemängelt, dass die EU-Kommission offenbar bereits bei der Verabschiedung Zweifel hatte, ob die Grenzwerte angemessen sind. Deshalb habe sie in der EU-Verordnung 2019/2021 selbst angemerkt, dass sie diese „vor dem Hintergrund des technischen Fortschritts“ überprüfen und „die Ergebnisse der Prüfung sowie gegebenenfalls den Entwurf eines Überarbeitungsvorschlags spätestens am 25. Dezember 2022“ vorlegen werde. Dabei werde insbesondere „die Notwendigkeit einer Anpassung der rechtlichen Anforderungen infolge der Verfügbarkeit neuer Techniken wie HDR“ überprüft. Laut ZVEI vertrauten die Hersteller darauf, dass die Kommission diese Versprechen einhält. Bisher sei jedoch keine Bereitschaft dazu zu erkennen.

Die meisten Displays landen seit der Neuregelung des Energieeffizienzindex in Klasse G., Bild: DigitalEurope
Die meisten Displays landen seit der Neuregelung des Energieeffizienzindex in Klasse G.
Bild: DigitalEurope

Auch die Neufestlegung der Energieeffizienzklassen bemängelt der Interessenverband. Eine Erhebung habe gezeigt, dass die meisten TVs 2021 in der Energieeffizienzklasse G landeten, nur 18 Prozent in F und eine Minderheit in E. Daran hat sich auch in diesem Jahr wenig geändert. Mit den sehr strengen Vorgaben wollte die EU-Behörde verhindern, dass die Geräte zu schnell wieder in der A-Klasse landen – und erneut eine Ausdifferenzierung in A+, A++ oder A+++ fällig würde.

Allerdings bietet die jetzige Klassifizierung potenziellen Käufern von Monitoren und TVs keine Orientierung, da fast alle Geräte in den Klassen F und G landen. c’t hatte dies bereits bei Einführung der neuen EEI-Klassen bemängelt (siehe ct.de/y9cr). Auch wurden in dieser Energieverbrauchskennzeichnung weder neue Techniken wie 8K oder Mikro-LEDs berücksichtigt noch Bonuspunkte für die OLED-Technik vergeben. Sie gleicht damit bereits jetzt den Anforderungen der zweiten Stufe der Ökodesign-Richtlinie. (uk@ct.de)

Ökodesign-Richtlinie und Infos zum EEI: ct.de/y9cr

Kommentieren