c't 2/2022
S. 30
Aktuell
Plattformregulierung

Gegen das Gatekeepen

EU-Parlament schärft den DMA-Entwurf nach

Der Digital Markets Act (DMA) soll europaweit marktbeherrschende Konzerne an die regulatorische Kandare nehmen. Das EU-Parlament geht nun mit der umstrittenen Forderung nach Messenger-Interoperabilität in die abschließenden Verhandlungen.

Von Holger Bleich

Bald soll es egal sein, bei welchem Messenger-Dienst wir angemeldet sind, denn die Plattformen sollen Nachrichten auch untereinander austauschen können. So sieht es der Mitte Dezember verabschiedete Kompromissvorschlag des EU-Parlaments zum geplanten EU-Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act, DMA) vor, den der Binnenmarktausschuss (IMCO) zuvor geschmiedet hatte. Mit dieser Verhandlungsposition geht das Parlament nun in die abschließenden Verhandlungen mit dem EU-Ministerrat, der aktuell unter französischer Präsidentschaft steht.

Der von der EU-Kommission vorgeschlagene DMA soll Machtmissbrauch sogenannter „zentraler Plattformdienste“ im IT-Bereich mit konkreten Regeln möglichst schon unterbinden, bevor er entsteht (ex ante). Es geht um „Gatekeeper“ in vielen Bereichen, also um soziale Netzwerke, Messenger und Suchmaschinen ebenso wie um Clouddienste oder Onlineshops. Das EU-Parlament hat den Anwendungsbereich explizit noch auf Webbrowser, Sprachassistenten und Smart-TV-Plattformen ausgeweitet.

Andreas Schwab (CDU) hat als Berichterstatter des Europaparlaments zum Digital Markets Act den Kompromiss mit ausgehandelt und verteidigte ihn in der Debatte.
Bild: EP / Philippe Buissin

Allerdings hat es auch die Schwellenwerte für die Gatekeeper-Definition geändert: Als solche gelten Unternehmen nun, wenn sie acht Milliarden Euro Jahresumsatz im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) sowie 80 Milliarden Euro Marktkapitalisierung überschreiten. Außerdem müssen die Unternehmen dem Kompromiss zufolge in mindestens drei Mitgliedstaaten zentrale Plattformdienste anbieten und mindestens 45 Millionen Endnutzer pro Monat sowie mehr als 10.000 gewerbliche Nutzer haben. Verstöße gegen den DMA sollen mit Geldstrafen von mindestens 4 und maximal 20 Prozent des Vorjahresumsatzes sanktioniert werden.

Messenger mit Schnittstellen?

Für große Unruhe bei Konzernen und Wirtschaftsverbänden sorgt, dass das EU-Parlament tatsächlich die Interoperabilität von Messenger- und Social-Media-Plattformen fordert. Nutzer sollen demnach künftig ihre Timelines bei Diensten wie Facebook, Twitter und LinkedIn untereinander verknüpfen können. Außerdem ist vorgesehen, dass marktbeherrschende Messenger wie WhatsApp Schnittstellen für kleinere Services wie Threema oder Signal öffnen müssen.

Unklar ist, ob sich diese Forderung nur auf die Basisfunktion Textübermittlung bezieht. Im Erwägungsgrund 52 a des Kompromisses ist wörtlich die Rede von „Merkmalen wie Text, Video, Stimme und Bild“. Evelyne Gebhardt, Verhandlungsführerin der Sozialdemokraten beim DMA, hatte dagegen kurz zuvor in einem Pressegespräch erklärt: „Es geht nicht um die Interoperabilität des ganzen Systems, sondern um die textbasierte Basiskommunikation.“ Man könne sich das vorstellen „wie etwa beim E-Mail- oder SMS-Versand“.

„Das ist nicht zu Ende gedacht“, kritisierte der deutsche Branchenverband Bitkom prompt. Messenger-Dienste seien keine E-Mails oder SMS, „sondern verfügen über deutlich mehr Funktionen, die erst einmal standardisiert werden müssten. Neben immensen technischen Hürden bestehen auch Datenschutzbedenken.“ Dem schloss sich die Monopolkommission an, die die Bundesregierung in Kartellrechtsfragen berät.

Killer-Übernahmen verboten

Ein fraktionsübergreifendes Bündnis hatte sich in den Ausschussverhandlungen für ein generelles Verbot von Microtargeting-Werbung eingesetzt. Es konnte sich nur teilweise durchsetzen: Zielgerichtete Reklame und die damit verbundene Profilbildung soll nur bei Minderjährigen untersagt werden. Wie sich dies allerdings durchsetzen ließe, bleibt im Vorschlag unklar. Generell verboten soll es den Plattformen sein, besonders sensible Nutzerdaten über die ethnische Herkunft, Gesundheit oder sexuelle Orientierung zwecks gezielter Werbung zu erfassen.

Gebilligt hat das Parlament Beschränkungen für sogenannte Killer-Übernahmen, die Konzerne tätigen, um Mitbewerber zu übernehmen und danach auszuschalten. Solche Zukäufe sollen auch im Nachhinein durch die Kommission rückabgewickelt werden können, wenn sie gegen Regeln verstoßen.

Neben dem Kompromiss zum DMA hatte der Binnenmarktausschuss des Parlaments auch eine Position zum ebenfalls anstehenden Digitale-Dienste-Gesetz (Digital Services Act, DSA) verhandelt. Sie wurde allerdings noch nicht vom Parlament abgesegnet. Dies dürfte im laufenden Januar anstehen, wenn es keine grundlegenden Differenzen mehr gibt. DSA und DMA könnten, wenn sich Rat, Parlament und Kommission bald einigen, noch im laufenden Jahr 2022 in Kraft treten und damit als Verordnungen unmittelbar geltendes Recht werden. (hob@ct.de)

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