c't 2/2022
S. 28
Aktuell
Cybercrime

Die Bunkersaga geht weiter

Rechenzentrum für Kriminelle: Cyberbunker-Betreiber verurteilt

Die Betreiber des Rechenzentrums Cyberbunker müssen ins Gefängnis. Doch die Staatsanwaltschaft ist mit dem Urteil nicht zufrieden, deshalb geht das Verfahren in die nächste Instanz.

Von Fabian A. Scherschel

Vom Netflix-Serienvorbild Maximilian S. aka „Shiny Flakes“ bis zur Bande hinter „Chemical Revolution“: In den vergangenen Jahren haben Ermittler immer wieder Online-Drogenhändler hinter Gitter gebracht. Doch macht man sich auch strafbar, wenn man bloß den Speicherplatz und die Internetanbindung für Drogenshops bereitstellt?

Den Cyberbunker-Chef Herman Johan X. verurteilte das Landgericht Trier zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und neun Monaten – mehr als zwei Jahre hat er bereits in der U-Haft verbracht.
Bild: Harald Tittel/dpa

Das war die zentrale Frage im Verfahren gegen die Betreiber des Cyberbunkers, einem Rechenzentrum in einem alten Bundeswehrbunker im beschaulichen Traben-Trarbach an der Mosel. 2019 hatte die Polizei das Gelände nach fünfjährigen Ermittlungen gestürmt und die Betreiber festgenommen. Im Oktober 2020 begann der Prozess vor dem Landgericht Trier, der besonders in der Internetbranche mit Spannung verfolgt wurde.

Denn grundsätzlich schützt das sogenannte Provider-Privileg des Telemediengesetzes zum Beispiel Hoster ausdrücklich davor, für Vergehen ihrer Kunden belangt zu werden. Außerdem dürfen solche Dienstleister normalerweise gar nicht in den Kundendaten herumstöbern. Im Cyberbunker-Fall warf die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz den acht Angeklagten jedoch vor, von den Deals ihrer Kunden gewusst zu haben und diese obendrein gefördert zu haben. Sie hätten also strafbare Beihilfe geleistet – und zwar zu nicht weniger als 250.000 Transaktionen auf Marktplätzen wie Fraudsters, Wall Street Market und Cannabis Road, die zeitweilig im Bunker gehostet wurden.

Darüber hinaus – sozusagen als Plan B – bezichtigten die Ermittler die Betreiber, eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben, also eine hierarchisch aufgebaute Organisation, deren Ziel darin besteht, aus dem Erlös krimineller Machenschaften Kapital zu schlagen. Die Hürde, dies nachzuweisen, lag deutlich niedriger als beim Vorwurf der Beihilfe.

Vor Gericht musste die Staatsanwaltschaft zunächst belegen, dass die Cyberbunker-Kundschaft tatsächlich Straftaten begangen hatte. Dann versuchten die Ermittler, die Beihilfe zu beweisen. Dabei stützten sie sich vor allem auf die bei der Festnahme beschlagnahmten, größtenteils unverschlüsselten internen E-Mails der Bunkerangestellten.

Schlappe für die Staatsanwälte

Anfang Dezember verkündete das Gericht nach 79 Verhandlungstagen sein Urteil: Alle acht Angeklagten haben sich der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung schuldig gemacht. Sie wussten von illegalen Inhalten und auch von Ermittlungen gegen ihre Kunden, versuchten aber, die Webseiten unter allen Umständen online zu halten, so das Gericht in seiner Begründung.

Vom Vorwurf der Beihilfe sprach die Kammer die Angeklagten frei. In keinem Fall sei ein „Vorsatz betreffend einer konkreten Haupttat“ nachgewiesen worden, erläuterte eine Sprecherin des Gerichts gegenüber c’t. Für eine Beihilfe reiche nicht aus, dass jemand allgemein von illegalen Machenschaften wisse. Der Vorsatz müsse sich vielmehr auf die „Haupttat“ beziehen, also zum Beispiel auf einen konkreten Drogenverkauf.

Dennoch fielen die Strafen empfindlich aus. Der niederländische Hauptangeklagte und Besitzer des Bunkergebäudes wurde zu fünf Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Sein ältester Sohn muss vier Jahre und drei Monate hinter Gitter. Weitere fünf Angeklagte wurden zu Haftstrafen zwischen drei Jahren sowie zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Den achten Beschuldigten verurteilte das Gericht zu einer einjährigen Haftstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Der Fall wird verfilmt

Die meisten Angeklagten saßen bereits seit September 2019 in Untersuchungshaft. Einer von ihnen wurde im Juli 2021 entlassen, weil er die Bildung einer kriminellen Vereinigung eingeräumt hatte. Außerdem wurden, vor allem vom Hauptangeklagten und der unter seiner Kontrolle stehenden Betreiberfirma, Vermögenswerte in insgesamt siebenstelliger Höhe eingezogen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz ist dennoch nicht zufrieden mit dem Urteil. Aus ihrer Sicht hat die Verhandlung den Vorwurf der Beihilfe bestätigt. „Die Urteilsbegründung überzeugt uns nicht“, sagte Oberstaatsanwalt Jörg Angerer gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Gut möglich ist, dass auch der Hauptangeklagte in Revision geht, denn sein Verteidiger hatte einen Freispruch angestrebt.

Der Fall wird die Gerichte also wohl noch eine ganze Weile beschäftigen. Und auch andere: Medienberichten zufolge sind bereits Dokumentarfilme und Serien über die Bunkersaga in Arbeit. (cwo@ct.de)

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