c't 2/2022
S. 134
Wissen
Grafikkarten

10 Jahre und kein bisschen leise

Zum 10. Geburtstag der AMD-Grafikkarte Radeon HD 7970

Normalerweise kräht heute kein Hahn mehr nach einer Spielergrafikkarte von 2012. AMDs Radeon HD 7970 war aber keine ganz normale Grafikkarte, sondern hielt ungewöhnlich lange noch gut mit Neuerscheinungen mit. Ein Rück- und Ausblick.

Von Carsten Spille

Am 21. Dezember 2011 gingen die ersten Testberichte zur Radeon HD 7970 im Netz online und am 9. Januar 2012 begann der Verkauf. Die c’t überschrieb den ersten Test in Ausgabe 2/2012 passend mit „Überflieger“ und attestierte der Karte geradezu euphorisch, für die nächste Generation von Spielen gut gerüstet zu sein [1].

Das war rückblickend betrachtet fast schon eine Untertreibung. Denn tatsächlich erwies sich die Radeon HD 7970 nicht nur der damaligen Konkurrenz in Form der Nvidia GeForce GTX 580 sowie dem Vorgänger aus eigenem Hause, der Radeon HD 6970, als haushoch überlegen. Sie war wegen ihrer fortschrittlichen Technik, ihrer hohen Rechenleistung und ihres großzügig bemessenen Grafikspeichers auch ungewöhnlich langlebig.

Wer damals nicht sparte und sogar zur etwas später nachgeschobenen Version mit 6 statt 3 GByte Grafikspeicher griff, der kann selbst heute, zehn Jahre nach dem Debüt der Radeon HD 7970, noch einigermaßen gelassen über die absurden Preise aktueller Grafikkarten lächeln.

Ab Oktober 2013 verkaufte AMD die Karte unter neuem Namen als Radeon R9 280X. Zwar hat AMD im Juni 2021 die Treiber für HD 7970 und R9 280X in den Legacy-Status versetzt, sodass keine neuen Optimierungen für Spiele oder offizielle Unterstützung für Windows 11 kommen. Aber man kann auch heute noch eine Menge Spaß mit der Grafikkarte haben, wenngleich die modernsten Spiele Abstriche erfordern und einige wenige Titel nicht mehr starten. Der größte Kritikpunkt der Karte war der unter Last ziemlich laute Lüfter des AMD-Referenzdesigns und die anfangs verbesserungswürdigen Treiber.

Historisch performant

Zehn Jahre sind in der IT-Branche und besonders im jungen, sich schnell entwickelnden Grafikkartengeschäft eine kleine Ewigkeit. Zum Vergleich: Als die Radeon HD 7970 erschien, war eine GeForce 3 gerade zehn Jahre alt – man stelle sich die Spiele Battlefield 3, Metro 2033 oder Anno 2070 auf einer solchen DirectX-8-Karte mit 64 MByte Grafikspeicher vor. Die meisten dieser Titel wären nicht einmal gestartet. Oder alternativ ein Elder Scrolls Oblivion oder Bioshock auf der Voodoo Graphics von 3Dfx, die bei Erscheinen dieser Spiele ebenfalls zehn Jahre alt war. Selbst die ebenfalls langlebige GeForce 8800 GTX war 2016 mit zehn Jahren nicht mehr so gut nutzbar.

Auf der Radeon HD 7970 hingegen laufen auch modernere Spiele wie Shadow of the Tomb Raider, Far Cry 5, Assassin’s Creed Odyssey oder Lego: Builder’s Journey in Full-HD-Auflösung mit 1920 × 1080 Bildpunkten noch mit guten Bildraten. Ersteres erreicht in ultrahoher Detailstufe und mit SMAA-Kantenglättung noch knapp über 30 Bilder pro Sekunde (fps), Far Cry 5 in „ultra quality“ und Kantenglättung „high“ sogar über 40 fps und AC: Odyssey verfehlt nur knapp die 30-fps-Marke in höchster Detailstufe – mit der Voreinstellung „hoch“ sind auch 40 Bilder pro Sekunde möglich. Die comicartige Grafik des Shooters Borderlands 3 stellt die 7970 im DirectX-12-Modus und mittleren Details noch mit 46 Bildern pro Sekunde dar, mit hoher Detailstufe schafft sie aber nur noch 28 fps.

Bei Grafikkrachern wie Cyberpunk 2077 oder Control wird es dann trotz reduzierter Detailstufe knapp und selbst mit mittleren Details sind es nur noch zwischen 20 und 30 fps. Ein bisschen mehr schafft die seltenere HD-7970-Version mit 6 GByte (im Aufmacherbild links), deren Speicherpolster auch für HD-Texturen in Far Cry 5 oder die hohe Detailstufe im Flight Simulator 2020 ausreicht.

Selbst moderne Spiele wie Cyberpunk 2077 stellt eine Radeon HD 7970 in Full HD noch mit 20 bis 30 fps dar.

Passen muss die HD 7970 allerdings bei Raytracing-Spielen wie Metro Exodus Enhanced Edition oder reinen DX12-Titeln wie etwa Assassin’s Creed: Valhalla und dem Rennspiel Dirt 5 – hier ist eine Fehlermeldung das einzige, was man noch zu sehen bekommt.

Welcome to Tahiti

Der Grafikchip, Hirn und Herz der Radeon HD 7970, trägt den Codenamen Tahiti und war der erste mit der AMD-GPU-Architektur Graphics Core Next (GCN). GCN wurde bis Mitte 2019 in verschiedenen Ausbaustufen genutzt und ist in Grundzügen auch in den topmodernen Radeon-RX-6000-Grafikkarten und sogar den Exascale-Beschleunigern Instinct MI250X noch wiederzuerkennen. In GCN debütierte die sogenannte Compute Unit (CU). Das ist im Wesentlichen ein Block mit 64 Shader-Rechenwerken sowie Registerfile, vier Textureinheiten, Caches und Steuerlogik, der die Basis für viele AMD-Grafikchips bildet. In aufgebohrter Form sind sie selbst in AMDs aktuellen Architekturen RDNA2 und CDNA2 noch erkennbar, wenn auch deutlich erweitert und mit Spezialfunktionen ausgestattet. Die HD 7970 hatte 32 dieser CUs mit insgesamt 2048 Shader-Recheneinheiten.

Der Chip hatte rund 4,3 Milliarden Schaltungen – AMD veröffentlichte als augenzwinkernde Reaktion auf einen Fehler, der ihnen bei der Angabe der Transistorzahlen der FX-Prozessoren (1,2 statt 2,0 Milliarden) unterlaufen war, sogar die genaue Zahl: 4.312.711.873. Tahiti war als erster Desktop-Grafikchip in der damals neuen 28-Nanometer-Technik hergestellt und hatte einen PCI-Express-3.0-Anschluss. Standardmäßig hatten die Karten Anschlüsse für vier Bildschirme – ihre beiden (mini-)DisplayPorts 1.4 steuern 4K-Bildschirme in augenfreundlichen 60 Hertz an, dazu kommen je einmal HDMI 1.4 und DVI-I.

Die Karte war mit 17 Watt vergleichsweise sparsam im Leerlauf und auch unter Last mit durchschnittlich 198 Watt nicht allzu stromdurstig für eine High-End-Karte. Dennoch waren selbst die AMD-Referenzkarten mit je einem acht- und sechspoligen Stromanschluss ausgestattet, was zusammen mit dem PCIe-Steckplatz rechnerisch für 300 Watt reichen würde. Der Lüfter des Referenzdesigns (im Aufmacher-Foto rechts) war jedoch nur im Leerlauf leise, drehte unter Volllast gehörig auf und wurde nervig laut. Das machten Partnerkarten später besser, sie waren aber auch keine Silent-Wunder.

DirectX 12 bedingt tauglich

Die HD 7970 ist die älteste Grafikkarte, für die der Hersteller regelmäßig DirectX-12-Treiber veröffentlicht hat. Ihre Hardware unterstützt zwar lediglich Feature-Level 11_1, für die allermeisten Spiele genügte das jedoch und auch Benchmark-Tests wie der 3DMark Time Spy laufen damit problemlos. In neueren Versionen als 2.78c des Rendering-Programms Blender kann sie ihre Rechenleistung via OpenCL-Schnittstelle allerdings nicht mehr einsetzen – hier sind modernere GCN-Architekturen gefragt.

Dass AMD sich entschieden hatte, die Karte schon standardmäßig mit 3 GByte Grafikspeicher auszustatten, half enorm, den steigenden Anforderungen lange gewachsen zu bleiben. Selbst Nvidias einige Monate später erschienener Konter, die GeForce GTX 680, hatte in der Regel nur 2 GByte.

Auch wenn die HD7970 damals mit rund 500 Euro selbst für eine High-End-Grafikkarte teuer war, ist sie aus heutiger Sicht geradezu ein Schnäppchen gewesen und ein Paradebeispiel für Nachhaltigkeit. Wer in Spielen die Detailstufe auch mal unter das Maximum absenkt, kann selbst heute noch gut mit der Radeon HD 7970 über die Runden kommen und eine Menge Spaß haben.

Das gilt mit ein paar Abstrichen in Sachen Rechenleistung auch für die günstigere Version, die HD 7950 [2]. Diese hatte nämlich den vollen Speicherausbau, der bei modernen Spielen fast eine größere Rolle spielt als die reine Render-Power. Weniger erfolgreiche Langläufer waren die kleineren Geschwister wie die Radeon HD 7870. Als damalige Mittelklassekarte ist ihre Rechenleistung heute definitiv zu gering für die allermeisten Titel und mit der Standardausstattung von maximal 2 GByte Grafikspeicher kommt man auch nicht mehr weit. Die HD 7970 hingegen profitiert heute noch von der damals hohen Rechenleistung von 3,8 Billionen Rechenschritten pro Sekunde, die sich wegen der GCN-Architektur endlich auch effizient nutzen ließen. (csp@ct.de)

Treiber-Download: ct.de/ykz2

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