c't 2/2022
S. 110
Test & Beratung
AV-Streaming
Bild: Thorsten Hübner

Stromerzeuger

Medienserver für eigene Musik- und Videosammlungen im Test

Ein persönliches Netflix mit eigenen Videos nachbauen und die MP3-Sammlung wie bei Spotify genießen? Kein Problem mit einer Medienserver-Software für den PC oder fürs NAS. Wir haben getestet, was diese Programme leisten und ob man dafür Geld ausgeben muss.

Von Stefan Porteck

Die meisten Nutzer konsumieren ihre Streaming-Abos so extensiv, dass sie darüber die etlichen Gigabytes eigener Audio- und Videoschätze vergessen, die auf ihren Festplatten schlummern – etwa die damals in tagelanger Handarbeit erzeugte MP3-Sammlung aller jemals gekauften CDs oder die Sicherheitskopien alter DVDs, für die man längst keine geeigneten Player mehr besitzt. Bei manchen Nutzern wächst die Sammlung sogar weiterhin an, denn sie nehmen mit DVB-Sticks oder Festplatten-Receivern Filme und Serien auf.

Kurzum: Auf privaten PCs liegt Content satt. Doch diese Schätze zu heben, ist kompliziert und unkomfortabel. Kaum jemand stöpselt den PC per HDMI-Kabel an den Fernseher, um sich dann auf dem Sofa mit Maus und Tastatur durch den Windows-Explorer zur gewünschten Datei zu wühlen. Medienkonsum geht heute so: Die Inhalte sollen nach Art und Genre sortiert und in einer schicken grafischen Oberfläche auf dem Fernseher, Handy oder Tablet präsentiert werden. Bewertungen, Inhaltsbeschreibung, Infos über die Schauspieler und intelligente Vorschläge helfen bei der Auswahl. Und dann startet der Videoabend mit einem Fingertipp auf die Fernbedienung oder den Touchscreen.

Genau so eine Umgebung lässt sich mit den schlanken Medienservern Plex, Emby und Jellyfin im Handumdrehen bauen. Die Programme, die wir im Test beschreiben, sind in wenigen Minuten eingerichtet, verlangen dabei kaum Handarbeit und präsentieren die eigene Mediensammlung mindestens genauso schick wie Streamingdienste. Der Rechner oder das NAS mit den Inhalten kann im Flur oder Arbeitszimmer stehen und muss nicht im Wohnzimmer lärmen, denn die Inhalte werden lokal via (W)LAN gestreamt.

Per Browser oder nativer App

Unsere Testkandidaten funktionieren nach dem Client-Server-Prinzip. Emby, Jellyfin und Plex werden auf der Maschine installiert, auf der auch die Mediendateien liegen – wahlweise ein PC, ein Mac oder ein NAS-Gerät. Sie integrieren einen Webserver, sodass man per Browser im eigenen Medienkatalog stöbern und die Musik, Filme und anderes auf nahezu beliebigen Endgeräten streamen kann.

Für Smart-TVs, Tablets, Streaming-Sticks und Spielkonsolen sind Browserlösungen aber oft träge oder umständlich zu bedienen, native Apps sind dagegen auf die Bedienung per Fernbedienung oder mittels Touchscreen ausgelegt und bereiten die Navigation perfekt angepasst auf die jeweilige Schirmgröße auf. Mit solchen Apps decken Emby und Jellyfin alle gängigen Plattformen ab: Ihre Clients bekommt man für Android, iOS sowie Android-TV- und Fire-TV-Sticks. Zudem gibt es die Apps für einige Smart-TVs von Samsung und LG. Plex ist sogar noch kosmopolitischer, denn dessen App ist für etliche weitere Smart-TVs und Spielekonsolen verfügbar.

Die Idee, die Medienserver auf einem NAS statt auf einem Rechner zu installieren, ist auf den ersten Blick verlockend: Die Speicher halten alle Filme, Musikalben und Serien rund um die Uhr zum Streaming vor. Die Medien liegen nicht auf den Rechnern mehrerer Familienmitglieder oder auf externen Festplatten verstreut und das Streaming kann jederzeit beginnen, ohne dass man vorher erst den PC hochfahren oder die Platte anstecken muss. Zudem kann das NAS irgendwo im Flur, Dachboden oder sonst wo stehen, wo es die dunkle, gemütliche Heimkino-Stimmung nicht stört.

Nachteil der meisten NAS-Server ist ihre im Vergleich zu PCs geringere Rechenpower. Die wird häufiger gefordert, als man es als Zuschauer glaubt. Plex, Jellyfin und Emby schlucken nahezu jede noch so wilde Audio- und Videokompression. Die Wiedergabegeräte sind dagegen meist nicht so flexibel. Eins stört sich an DTS-Sound, ein anderes mag keine M4V-Container und praktisch alle scheitern an komplexen Untertitelformaten wie Vobsub. Die getesteten Medienserver legen für jeden gefundenen Client eine Datenbank mit dessen Abspielfähigkeiten an. Liegt ein Video in einem für einen Client unverdaulichen Format vor, wird das jeweilige Video für die Wiedergabe vom Server on-the-fly in ein abspielbares Format transkodiert.

Bei Full-HD- oder gar 4K-Auflösung und Surround-Sound geraten manche NAS-Geräte an ihre Performancegrenzen und die Videos fangen entweder an zu ruckeln oder machen kurze Pausen, bis der Puffer wieder gefüllt ist. Üblicherweise passen die Server dann ihre Encoding-Last dynamisch an, was wiederum wegen der reduzierten Auflösung oder Bitrate zu sichtbaren Qualitätseinbußen führt.

Apropos Transkodieren: In den Einstellungen aller Server dieses Tests lässt sich flexibel einstellen, welche Bandbreite für lokales und Remote-Streaming verwendet werden soll. Es lassen sich sowohl feste Bitraten als auch Bandbreitenbereiche einstellen. So stellen die Server sicher, dass die Videos auf den Schirmen landen, ohne dabei das ganze Heimnetz lahmzulegen.

Obwohl der Fokus auf der Wiedergabe lokaler Medien liegt, verschließen sich die Medienserver des Tests nicht vor externen Inhalten. So verstehen sich alle Probanden auf die TV-Wiedergabe. Am Tablet und Notebook bietet das sogar Mehrwert, denn ansonsten könnte man damit ja nicht einfach so fernsehen.

Emby und Jellyfin unterstützen den Webstream von Live-TV. Doch zunächst muss man die URLs der deutschen TV-Sender heraussuchen. Richtiger TV-Genuss kommt aber nur auf, wenn man nicht umschaltet. Der Wechsel der Streams dauert bei allen Kandidaten mehr als drei Sekunden und manchmal länger. Wer das flotter benötigt, muss schon einen Rechner mit DVB-Empfänger als Stick oder Karte benutzen: Die Testkandidaten geben das Live-Signal dann als Live-Stream an ihre Clients weiter.

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