c't 15/2022
S. 56
Aktuell
Kryptokurse

Im freien Fall

Kurse von Bitcoin und Ethereum erneut dramatisch eingebrochen

Viele Kryptospekulanten erhofften sich großen Reichtum von der Investition in Bitcoin, Ethereum & Co., doch deren Kurse fallen derzeit ungebremst. Nun zeigt sich, dass Blockchainwährungen nicht vor Inflation und Aktiencrash schützen, da sie nicht von der Situation an den Finanzmärkten entkoppelt sind.

Von André Kramer

Die Zeit des „immer nur bergauf“ ist vorbei. Die Inflationsrate pendelt in der Europäischen Union und den USA um die 8 Prozent, so hoch wie seit rund einem halben Jahrhundert nicht mehr. In der Folge erhöhen die Notenbanken die Leitzinsen, wie zuletzt in den USA geschehen, und die Aktienkurse brechen ein. Auch vor den Kryptowährungen macht diese Entwicklung nicht halt. Deren Kurse fielen zuletzt wieder auf dramatische Weise.

Auf seinem Höchststand im November 2021 überstieg der Bitcoin 55.000 Euro. Anfang Januar sackte er unter 40.000 Euro, in der ersten Maihälfte fiel er nochmals auf rund 27.000 Euro. Am 10. Juni startete seine vorerst letzte Talfahrt zwischenzeitlich auf unter 19.000 Euro. Damit hatte der Kurs seinen tiefsten Stand seit Ende 2020 erreicht.

Der zweitgrößten Kryptowährung Ethereum erging es im gleichen Zeitraum nicht besser. Von über 4000 Euro pro Ether nahm der Kurs eine unaufhaltsame Fahrt Richtung derzeit 1000 Euro – ein Minus von 75 Prozent in etwas über einem halben Jahr. Auch der Ether ist nun so wenig wert wie seit zweieinhalb Jahren nicht mehr. Vielen sogenannten Altcoins blühte ein ähnliches Schicksal: Solana fiel besonders stark von über 220 Euro auf unter 30 Euro. Auch Ripple, Cardano und Dogecoin sackten ab.

Die Marktkapitalisierung aller Blockchainwährungen ist laut der Kryptowährungsplattform coinapi.io auf unter eine Billion US-Dollar gefallen. Seit November 2021 hat der Markt über zwei Drittel seines damaligen Werts eingebüßt und ein Ende ist derzeit nicht abzusehen.

, Quelle: Coinapi.io
Quelle: Coinapi.io

Kein Schutz gegen Inflation

Kryptowährungen haben ihr Versprechen nicht eingelöst, einen wirksamen Schutz gegen die Inflation zu bieten. Stattdessen ist das Gegenteil eingetreten: die massive Vernichtung von Werten, die in Kryptocoins angelegt sind. Anders als bei traditionellen Währungen und Aktien stehen den Kryptowährungen keine realen Werte und Akteure gegenüber, die sie stabilisieren können. Bitcoin ist nur so viel wert wie das Vertrauen, das Investoren in die Währung setzen. Das macht sie besonders anfällig für Schwankungen. Wenn die Stimmung an den Finanzmärkten ohnehin angeschlagen ist, leiden die Kryptokurse noch stärker als die Aktienkurse.

In den USA kletterte die bereits hohe Inflationsrate im Mai über 8 Prozent. Konsumenten geben in der Folge weltweit weniger aus, was wiederum auch die Laune der Investoren trübt. Der DAX verlor rund 1000 Punkte in zehn Tagen und dem Dow Jones erging es nicht anders. Wenn die US-Notenbank weiter einen harten Zinskurs gegen die Inflation fährt, verschärft sich die Situation am Kryptomarkt weiter. Viele Experten gehen davon aus, dass die Fed die Zinswende weiter beschleunigt, und dass andere Notenbanken nachziehen. Auch die Europäische Zentralbank wird im Juli 2022 erstmals seit über zehn Jahren die Zinsen erhöhen. Mit den Zinsen steigt die Rendite für sichere Investitionen wie Staatsanleihen. Bei riskanten Anlagemöglichkeiten wie Kryptowährungen hat das den umgekehrten Effekt.

Nicht der erste Kurseinbruch

Ende 2020 brach der Bitcoinkurs bereits einmal stark ein. Auch damals ging ihm ein Kursrutsch an den Börsen voraus, der eine Kettenreaktion auslöste. Steigen die Aktienkurse, nehmen Anleger Gewinne mit und können davon wiederum Kryptowährungen kaufen. Der Kryptokurs steigt und ruft weitere Anleger auf den Plan. Fallen jedoch die Börsenkurse, müssen viele Anleger und Miner abverkaufen und reißen damit den Kurs in die Tiefe – selbst ohne gleichzeitige Inflation. Daneben setzen auch langfristige Entwicklungen die Kryptomärkte unter Druck. Seit Mai 2021 akzeptiert Tesla aus Umweltgründen keine Zahlungen in Bitcoin mehr. China ging im vergangenen Jahr hart gegen Miner vor.

Kryptomilliardäre spüren die Auswirkungen auf besonders dramatische Weise. Das Vermögen des Gründers des Krypto-Marktplatzes Binance, Changpeng Zhao, soll um 90 Prozent auf 10,2 Milliarden US-Dollar geschrumpft sein. Der zuvor elftreichste Mann der Welt rangiert nun nur noch auf Platz 190 – er wird es verkraften. Spät eingestiegene Kleinanleger sind nun allerdings neben den Teuerungsraten für Lebensmittel und Energieträger doppelt gebeutelt. (akr@ct.de)

Kommentieren