c't 15/2022
S. 40
Aktuell
Datenhehlerei

Datenhehlerei entschärft

Bundesverfassungsgericht stärkt die Pressefreiheit

Können sich Journalisten strafbar machen, wenn sie Daten von Whistleblowern beziehen? Der schlampig formulierte Datenhehlerei-Paragraf legte das nahe. Das Bundesverfassungsgericht stellte nun auf Klage unter anderem von c’t-Redakteuren klar, dass die Befürchtung unbegründet ist.

Von Jo Bager

Journalisten müssen sich keine Sorgen mehr machen, mit einem Bein im Gefängnis zu stehen, wenn sie Material von Whistleblowern entgegennehmen und auswerten. Dies hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) auf eine Beschwerde hin klargestellt (Az. 1 BvR 2821/16).

Grund für die Befürchtungen war der 2015 in Kraft getretene, schwammig formulierte § 202d Strafgesetzbuch (StGB). Diese sogenannte „Datenhehlerei“-Vorschrift stellt den Umgang mit Daten unter Strafe, die zuvor rechtswidrig erlangt wurden. Sie soll nach Absicht des Gesetzgebers vorrangig den Handel mit gestohlenen Kreditkarten- oder Nutzerdaten bekämpfen. Darüber hinaus erfasst sie implizit aber auch das Sich-Verschaffen, die Überlassung und Verbreitung elektronisch gespeicherter Daten, die von Whistleblowern weitergegeben wurden.

Ausnahmen gelten § 53 Strafprozessordnung (StPO) zufolge für journalistische Handlungen, die „ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen“. Viele Juristen und Bürgerrechtler hatten die Befürchtung gehegt, dass sich die Ausnahmen nicht erstrecken auf nebenberufliche Journalisten, Blogger oder Berufsjournalisten, die auch aus privatem Interesse handeln. Hinzu kam eine Ergänzung in § 97 der Strafprozessordnung (StPO). Danach begründet der Verdacht auf Datenhehlerei eine Ausnahme vom Beschlagnahmeverbot. Verlage befürchteten, dass sich Behörden eine Hintertür öffnen könnte, um Redaktionen durchsuchen und dort gefundenes Material zu beschlagnahmen.

Der Verfassungsrechtler und Richter Ulf Buermeyer etwa hatte seinerzeit in c’t von einem „strafrechtlichen Minenfeld“ gesprochen, das „brandgefährlich für die Pressefreiheit“ sei [1]. In seiner Funktion als Vorsitzender der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hatte Buermeyer deshalb 2016 ein Bündnis organisiert, das Verfassungsbeschwerde gegen den Paragrafen einreichte [2].

Teil des Bündnisses waren die c’t-Redakteure Holger Bleich und Jürgen Schmidt aus dem Investigativ-Team des Heise-Verlags. Außerdem klagten die netzpolitik.org-Redakteure Markus Beckedahl und Andre Meister, die Investigativjournalisten Peter Hornung (Panama Papers) und Hajo Seppelt (Olympia-Doping), Matthias Spielkamp sowie „Reporter ohne Grenzen“.

Lange Prüfung: Bereits vor fünf Jahren hatten die Kläger ihre Verfassungsbeschwerde gegen den Datenhehlerei-Paragrafen vor der Presse erläutert.
Lange Prüfung: Bereits vor fünf Jahren hatten die Kläger ihre Verfassungsbeschwerde gegen den Datenhehlerei-Paragrafen vor der Presse erläutert.

„Hauptziel erreicht“

Das BVerfG hat nun – nach fünf Jahren – mitgeteilt, dass es die Beschwerde nicht zur Entscheidung angenommen hat. Mit der ausführlichen Begründung seines Nichtzulassungsbeschlusses hat das Gericht dennoch klargestellt, dass sich Journalisten nicht strafbar machen, wenn sie geleakte Daten entgegennehmen. Die Bedenken der Kläger stünden die „in direktem Widerspruch zu der in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Zielsetzung, journalistische Tätigkeiten umfassend zu schützen“.

Weil kein „hinreichendes Risiko“ bestehe, dass sich Journalisten nach § 202d StGB strafbar machen, konnte das BVerfG auch die Befürchtung eines Einschüchterungseffekts bei Journalisten nicht nachvollziehen. Man habe vom Bundesministerium der Justiz nach der praktischen Anwendung des Datenhehlerei-Paragrafen gefragt. Eine Abfrage in den Landesjustizverwaltungen habe daraufhin ergeben, dass „seit 2018 keine Verfahren nach § 202d StGB Journalisten betreffend bekannt sind“.

Das Bündnis wertet die Antwort des Gerichts als Erfolg. David Werdermann, Rechtsanwalt und Projektkoordinator der GFF, erklärte: „Unsere Verfassungsbeschwerde hat ihr Hauptziel erreicht, auch wenn sie formal nicht zur Entscheidung angenommen wurde. Die Gefahr der Strafverfolgung journalistischer Kerntätigkeiten und der Durchsuchung von Redaktionsräumen ist entschärft.“ (jo@ct.de)

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