c't 14/2022
S. 118
Wissen
DNA-Speichertechnik
Bild: Moritz Reichartz

Bio-Festplatte für Äonen

DNA als Winzspeicher und Jahrtausendarchiv

DNA speichert nicht nur biologisches Erbgut, sondern beliebige Daten – und das wesentlich kompakter als jede SSD. Die Technik gilt als Langzeitdatenspeicher der Zukunft, kann aber noch mehr: In manchen Produkten verstecken sich bereits heute DNA-Partikel als Herstellernachweis.

Von Arne Grävemeyer

Das Mooresche Gesetz gibt heute für digitale Datenträger keine verlässliche Prognose auf eine weiter im bisherigen Tempo ansteigende Speicherdichte. Das weltweite jährliche Datenaufkommen hingegen wächst rapide. Von 2017 bis 2020 ermittelten Analysten von IDC einen Anstieg von 30 Zettabyte (30 Milliarden Terabyte) auf 64 Zettabyte; mit der Tendenz, schnell weiterzuwachsen.

Um dem explodierenden Bedarf an immer kompakterem Speicher zu begegnen, richtet sich der Blick von Entwicklern auf winzige Strukturen der makromolekularen Welt. Die Natur liefert ein Vorbild für die massenhafte Datenspeicherung der Zukunft: Umfangreiche Erbinformationen trägt jede Körperzelle von Pflanze oder Tier kodiert in Desoxyribonukleinsäure (DNA). Allein durch die beliebig variierbare Sequenz der vier beteiligten Basenpaare kann ein einziges Gramm DNA eine Datendichte von 17 Exabyte pro Gramm fassen (17 Millionen Terabyte), wie Wissenschaftler der University of Washington und Microsoft-Forscher 2020 zeigten [1]. Damit können DNA-Stränge digitale Daten um weit mehr als zwei Größenordnungen kompakter speichern als aktuelle SSD-Generationen. Kleinere Datenmengen, in dieser Technik auf molekularer Ebene kodiert, lassen sich beispielsweise als begleitende Produktinformationen einem Kunststoffprodukt, Glaskörper oder einem wertvollen Edelstein beimengen.

Schutzbedürftige Moleküle

Wenn man an Ötzi denkt, die Tiroler Gletschermumie aus der Jungsteinzeit, oder an Mammuts aus dem sibirischen Permafrost, dann scheint DNA wie geschaffen für Langzeitspeicher, die Jahrtausende überstehen. So einfach ist es aber nicht, sagt Chemieingenieur Robert Grass von der ETH Zürich gegenüber c’t. „DNA, die wir im Labor in Wasser aufbewahren, zerfällt relativ schnell. Und auch wenn wir sie eintrocknen, hält sie nicht sehr lange, vielleicht ein Jahr oder zwei.“ DNA ist empfindlich gegenüber der Reaktion mit Wasser, der sogenannten Hydrolyse, und zerfällt auch unter Sauerstoff- und Lichteinfluss. Nur geschützt in Knochen und Zähnen kann die DNA überdauern – wenn sie dabei trocken genug bleibt.

Grass und sein Kollege Wendelin Stark haben daher verschiedene Versuche unternommen, um DNA in künstliche Fossilien einzuschließen. Die besten Ergebnisse erzielten die Forscher mit Siliziumdioxid, also in Glas. Sie ummanteln die DNA chemisch mit einer feinen Glasschicht und erzeugen so Kügelchen mit einem Durchmesser von etwa 150 Nanometern. Darin sollen DNA-Daten ungestört überdauern können.

Wenige Gramm eines DNA-Pulvers könnten den Inhalt des Internets speichern: Wendelin Stark (2. von links) und Robert Grass (2. von rechts) machen DNA-Stränge als Speicher haltbar., Bild: EPO
Wenige Gramm eines DNA-Pulvers könnten den Inhalt des Internets speichern: Wendelin Stark (2. von links) und Robert Grass (2. von rechts) machen DNA-Stränge als Speicher haltbar.
Bild: EPO

Zusätzlich entwickelten die Schweizer noch einen Korrekturmechanismus, der durch redundante Daten bei leichten Fehlern noch eine fehlerfreie Datenwiederherstellung erlaubt. In Zeitraffertests lagerten die Forscher ihre glasummantelten DNA-Stränge einen Monat lang bei 70 Grad Celsius. Die abgespeicherten Daten blieben unversehrt. Nach demselben Prinzip sollen künftige archivfähige Datenspeicher entstehen. Ihre Inhalte können bei Raumtemperatur über Tausende Jahre lesbar sein – davon gehen Grass und Stark angesichts ihrer Versuchsergebnisse aus. Bei Tiefkühltemperaturen erwarten die Wissenschaftler sogar Stabilität für 100.000 bis eine Million Jahre. Zum Auslesen entfernen sie die Glasummantelung wieder, indem sie einfach ein Lösungsmittel hinzugeben.

Technik aus der Genomik

Zum Auslesen eines DNA-Speichers kommen DNA-Sequenzierer zum Einsatz, die ursprünglich zur Bestimmung von Erbgutinformationen in der Biologie entwickelt worden sind. Die Technik des Auslesens und des Beschreibens ist für die DNA-Speichertechnik heute der größte Hemmschuh. Lesevorgänge im DNA-Sequenzierer erfordern viele Stunden. Ebenso zeitintensiv ist die DNA-Synthese, der Schreibvorgang in DNA.

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