c't 13/2022
S. 40
Aktuell
Balkonkraftwerke

Steckerdiskussion

VDE: Einspeisesteckdose für Balkonkraftwerke bleibt vorerst Pflicht

Balkonkraftwerke – steckerfertige Klein-Photovoltaikanlagen – können die Stromkosten durch Sonnenenergie senken. Doch die vorgesehene Einspeisesteckdose verlängert die Amortisationszeit – jetzt steht die deutsche Sonderlösung zur Diskussion.

Von Jan Mahn und Andrijan Möcker

Die rasant gestiegenen Energiekosten – insbesondere die für Elektrizität – haben das Thema „Balkonkraftwerke“ aus der Nische in den Salon geholt. Die kleinen Photovoltaikanlagen (umgangssprachlich „Solaranlagen“) werden namensgetreu an Balkongeländer montiert, dahinter aufgestellt oder dort installiert, wo sonst noch etwas Platz und möglichst viel Sonne ist. Ein mit dem Solarpanel verbundener Wechselrichter speist den Strom direkt ins Hausnetz ein – meist über einen Schutzkontaktstecker an einer beliebigen Steckdose.

Balkonkraftwerke speisen bis zu 600 Watt Solarstrom ins Hausnetz ein. Die in Deutschland vorgeschriebene Einspeisesteckdose verlängert den Weg zur Amortisation indes und steht deshalb zur Diskussion., Bild: Sebastian Müller
Balkonkraftwerke speisen bis zu 600 Watt Solarstrom ins Hausnetz ein. Die in Deutschland vorgeschriebene Einspeisesteckdose verlängert den Weg zur Amortisation indes und steht deshalb zur Diskussion.
Bild: Sebastian Müller

Während diese simple Installation in vielen europäischen Ländern bereits seit mehr als einem Jahrzehnt üblich ist, sieht der deutsche Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) erst seit April 2019 mit seiner Anwendungsregel VDE-AR-4105 vor, dass Laien die Minikraftwerke anschließen dürfen. Allerdings nur über eine spezielle Einspeisesteckdose des Herstellers Wieland, die mit einer eigenen Zuleitung aus der Unterverteilung versorgt wird.

Stecker-Vorstoß

Weil die Installation einer solchen Dose mindestens 150 bis 250 Euro kostet, hat sie erheblichen Einfluss auf die Amortisationszeit einer Anlage. Außerdem schreckt der Aufwand Interessenten ab. Deshalb engagierte sich die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) in einem Arbeitskreis der Deutsche Kommission Elektrotechnik (DKE), der einen Normenentwurf für steckerfertige Solargeräte hervorbringen sollte. Ziel war es, den Schuko-Stecker als normgerechte Lösung unterzubringen.

Doch die Diskussion gipfelte in einer Kampfabstimmung, die mit einer Patt-Situation endete. Das berichtet Dipl.-Ing. Ralf Haselhuhn von der DGS im Gespräch mit c’t. Er hatte für den Schuko-Stecker gekämpft. Bedenken kamen aus der Versicherungsindustrie, dem Elektrohandwerk und von den Netzbetreibern. Der Kompromiss: Der Schuko-Stecker ist zunächst in den informellen Anhang gelangt. Die Vornorm wird in den nächsten Monaten veröffentlicht – dann beginnt ein Einspruchsverfahren mit neuen Chancen für den Schuko-Stecker.

Der fachliche Streit

Fachlich geht es darum, ob ein Anschluss mit Schuko-Stecker sicher ist. Ein Thema: der Berührungsschutz – der Wechselrichter speist schließlich Strom ein. Zieht man den Stecker im Betrieb schnell genug aus der Dose und berührt die Pins, erleidet man einen elektrischen Schlag. Beim Wieland-Stecker wäre das nicht möglich, weil er keine freiliegenden Kontakte hat. Die Schuko-Fürsprecher halten entgegen, dass die Mikrowechselrichter eine Freischalteinrichtung (ENS) nach VDE-AR-N 4105 haben, dem sogenannten NA-Schutz. Beim Trennen vom Netz schalten sie innerhalb weniger Millisekunden ab.

Der Streit im Normungsgremium, so Haselhuhn, drehte sich aber auch um Leitungsschutzschalter, der bei Überlast schnell abschalten muss, damit Leitungen nicht zu warm werden. Die Schuko-Gegner argumentieren, die bis zu 600 Watt Einspeisung aus dem Wechselrichter würden in dem Fall von Überlast durch ein anderes Gerät im selben Stromkreis dazu führen, dass der Leitungsschutzschalter zu spät abschaltet.

Haselhuhn und sein Team reagierten auf diese Kritik mit einer umfangreichen Studie. Ihr Fazit: Eine Erwärmung um einige Grad ist messbar, in kritische Bereiche kommt man mit den Balkonsolaranlagen nicht. Jedoch konnten auch diese Ausführungen das Normungsgremium nicht überzeugen.

Alles nur vorgeschoben?

Kritiker aus der Eigenenergie-Szene halten die Argumente von Netzbetreibern und Elektrohandwerk ohnehin nur für vorgeschoben: Erstere hätten kein Interesse an dezentralen Energieerzeugungsanlagen, weil sie ihr Geld mit dem Transport von Energie durch ihre Netze verdienen. Daher versuchten sie mit allen Mitteln, einen möglichst einfachen Einstieg zu verhindern. Das Elektrohandwerk, so die Kritik, wolle sich die Aufträge für Einspeisesteckdosen nicht entgehen lassen.

Für Interessierte, die ein Balkonkraftwerk installieren wollen, bleiben schließlich gleich drei Optionen: Abwarten und aufs Widerspruchsverfahren und eine Überarbeitung der Produktnorm hoffen, eine Einspeisesteckdose installieren lassen oder auf eigene Gefahr den Pfad des normentreuen Bürgers verlassen – schließlich haben Normen keinen Gesetzesstatus. (amo@ct.de)

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