c't 12/2022
S. 3
Standpunkt

M1 gegen AMD- und Intel-CPUs: Von Apple verwirrt

Wegbegleiter von Steve Jobs berichten über das von ihm bei Bedarf ausgestrahlte "Realitätsverzerrungsfeld" (Reality Distortion Field, RDF). Demnach hatte Jobs die Gabe, eine Idee, ein Konzept oder auch ein Produkt als dermaßen attraktiv zu beschreiben, dass dessen tatsächliche Qualitäten belanglos erschienen.

Als ich die Messergebnisse der c't-Kollegen des neuen Apple Mac Studio sah (siehe Seite 22), kam mir das Realitätsverzerrungsfeld wieder in den Sinn. Apple muss einiges davon gerettet haben. Denn der Mac Studio ist zwar wie beworben sehr sparsam, leise und für sein Volumen enorm leistungsfähig. Aber seine Performance unterbietet in der Realität überraschend oft die von Apple herbeigeschwätzten Erwartungen. Ein schnöder Windows-PC mit AMD- oder Intel-CPU verarbeitet manche gängige Software deutlich schneller als der Mac Studio mit M1-Max-Chip, selten sogar mit M1 Ultra.

Was mich dabei verblüfft hat: Ich war überrascht. Denn ich hatte bis dahin die Vorstellung, der Mac Studio sei Meister aller Klassen. Das hatte Apple jedenfalls in mein Gehirn gebeamt. Und das, obwohl ich nach über 20 Jahren als c't-Redakteur eigentlich gegen derartige Strahlung immun sein sollte.

Womit Apple wiederum recht hat: Der Mac Studio ist einzigartig, weil es keinen vergleichbaren Windows- oder Linux-PC gibt. Ähnlich leistungsstarke x86-Rechner schlucken mehr Strom und sind fast immer klobiger oder lauter. Aber sie sind eben auch billiger. Und der Vergleich hinkt ohnehin, denn macOS gibts halt nur auf Macs.

Das soll nicht bedeuten, der Mac Studio sei lahm – ganz im Gegenteil ist er richtig schnell. Bloß gibt es eben für manche Anwendung noch Schnelleres. Wer ihn sich leisten kann, macht mit dem Kauf eines Mac Studio nichts falsch. Und wer daran glaubt, für den macht das Realitätsverzerrungsfeld die Welt ein bisschen schöner. Alle anderen finden schnelle Computer auch anderswo.

Christof Windeck
Christof Windeck

Christof Windeck

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