c't 1/2022
S. 42
Aktuell
Prozessoren

Bit-Rauschen

Stärkere ARMe für Smartphones und Server, Raspberry-Börsengang

Qualcomm und MediaTek bringen verbesserte Smartphone-Prozessoren mit ARMv9- und 4-Nanometer-Technik. Die Handelsabteilung der Raspberry Pi Foundation will an die Börse und RISC-V kommt nur langsam in Schwung.

Von Christof Windeck

Alle Jahre wieder kündigen die großen Hersteller von Smartphone-Prozessoren Neuheiten an, die dann im Folgejahr in High-End-Handys auftauchen. Diesmal machte die taiwanische Firma MediaTek den Anfang mit dem Dimensity 9000, wenig später avisierte Qualcomm den Snapdragon 8 Gen 1. In beiden stecken 5G-Modems sowie dieselben ARM-Rechenkerne: Stärkster ist jeweils ein Cortex-X2, hinzu kommen je drei Cortex-A710 und vier Cortex-A510. Alle drei Kerntypen gehören zur ARMv9-Generation; Cortex-A710/-A510 sind Nachfolger von Cortex-A78/-A55.

Der Qualcomm Snapdragon 8cx Gen 3 für Windows-Notebooks wird der erste Mobilprozessor mit dem Microsoft-Sicherheitscontroller Pluton sein.
Bild: Qualcomm

TSMC fertigt sowohl den Dimensity 9000 als auch den Snapdragon 8 Gen 1 mit 4-Nanometer-Technik, angeblich hakelt es bei der 4-Nanometer-Fertigung bei Samsung noch. Die Cortex-X2-Kerne beider Systems-on-a-Chip sollen 3 GHz Taktfrequenz erreichen. Qualcomm verspricht 30 Prozent mehr Leistung im Vergleich zum Snapdragon 888, worauf auch erste Geekbench-5-Resultate hindeuten. Trotz dieser deutlichen Steigerung bleiben ARM-Cortex-Kerne weit hinter Apples A15 Bionic zurück. Erst 2023 sind Smartphones mit Snapdragons zu erwarten, in denen wirklich starke ARM-Kerne der von Qualcomm gekauften Firma Nuvia stecken. Das wird spannend, weil Nuvia von ehemaligen Apple-CPU-Entwicklern gegründet wurde.

Von Samsung kommt wahrscheinlich der Exynos 2200 mit RDNA2-Grafikkern von AMD im nächsten Handy-Spitzenmodell Galaxy S22. Das könnte schon im Januar angekündigt werden, ein Jahr nach dem Vorgänger S21. Eine Variante des Exynos 2200 wird auch in Windows-Notebooks erwartet; angeblich lief der Exklusivvertrag zwischen Microsoft und Qualcomm für ARM-Notebooks nach fünf Jahren nun aus. Qualcomm hat für 2022 den Snapdragon 8cx Gen 3 für Notebooks angekündigt: Er hat vier Cortex-X1-Kerne noch aus der Generation ARMv8 und als erster Windows-tauglicher Prozessor überhaupt den „implantierten“ Sicherheitscontroller Microsoft Pluton. Der soll auch in AMD- und Intel-Prozessoren Einzug halten, aber ein Termin steht noch nicht fest.

Windows-Notebooks mit ARM-Chips sind bisher jedenfalls kein Erfolg. Sie erreichen selbst im Vergleich zu anderen ARM-Notebooks wie Chromebooks weiterhin nur geringe Stückzahlen. Vor allem jedoch dominiert Apple den Markt der ARM-Notebooks mit schätzungsweise mehr als 80 Prozent Marktanteil. Gegen die bärenstarken M1, M1 Pro und M1 Max haben andere ARM-Chips bisher keine Chance. Daran dürften Samsung Exynos 2200 und Snapdragon 8cx Gen 3 nichts ändern. Zudem kommen 2022 stärkere x86-Mobilprozessoren von AMD und Intel, was Windows-ARM-Notebooks nicht attraktiver macht.

Bedrohlicher für AMD und Intel ist die Entwicklung bei ARM-Servern: Amazons Cloudsparte AWS kündigt den Graviton3 mit 64 Kernen, DDR5-RAM, PCI Express 5.0 sowie Rechenwerken für das KI-Datenformat BFloat16 an (siehe S. 45). Und Gigabyte hat mehrere Rackserver für ARM-Prozessoren der Baureihe Ampere Altra aufgelegt, die bis zu 80 beziehungsweise 128 (Altra Max) CPU-Kerne haben.

Wie es mit der Firma ARM selbst weitergeht, ist noch immer offen, denn die schon im Herbst 2020 angekündigte Übernahme durch Nvidia wird weiterhin geprüft. Die US-Wettbewerbsbehörde klagt sogar dagegen. Erst für August kommenden Jahres ist der Gerichtstermin angesetzt.

RaspIPO

Die Raspberry Pi Foundation und ihre Handelssparte Raspberry Pi Ltd. setzen ebenfalls auf Systems-on-a-Chip mit ARM-Kernen. Das hat wohl auch mit der örtlichen Nähe zu tun, weil die Raspberry Pi Foundation im britischen Cambridge ansässig ist, wo ARM ebenfalls seinen Hauptsitz hat. Angeblich will Raspberry Pi Ltd. 2022 an die Börse gehen, um durch die Ausgabe von Aktien rund 440 Millionen Euro zu beschaffen. Das soll die Raspi-Zukunft sichern, denn die Foundation finanziert sich zu großen Teilen aus den Einnahmen der Handelssparte. Die Raspi-Foundation ihrerseits konnte ebenfalls rund 38 Millionen Euro frisches Kapital einwerben.

Der kommerzielle Raspi-Zweig arbeitet sehr erfolgreich, 2020 stiegt die Anzahl der verkauften Raspis um 16 Prozent auf 7,1 Millionen Stück. Inklusive Zubehör setzte die Raspi-Handelssparte umgerechnet 84 Millionen Euro um und erwirtschaftete daraus 12,6 Millionen Euro Gewinn, also fast 15 Prozent.

Von der offenen RISC-V-Prozessortechnik, die nun auch schon elf Jahre auf dem Buckel hat, gibt es zwar viele Neuigkeiten (siehe S. 44). Darunter ist aber immer noch kein günstiger, flotter und Linux-tauglicher Chip für Einplatinencomputer und Smartphones. Vielleicht klappt es ja 2022 mit dem StarFive JH7110. Dessen vier Freedom-U74-Kerne mit 1,5 GHz werden aber wohl hinter dem dann drei Jahre alten Raspberry Pi 4 zurückbleiben. Wenn RISC-V das Rennen gegen ARM gewinnen will, dann muss die Technik endlich mal zum Überholen ansetzen. (ciw@ct.de)

Audio-Podcast Bit-Rauschen: ct.de/yzep

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