c't 1/2022
S. 104
Test & Beratung
Lebensmittelscanner-Apps
Bild: Rudolf Blaha

Tricorder im Supermarkt

Scanner-Apps checken Lebensmittel – wir checken die Apps

Barcodescanner fürs Smartphone analysieren Nährwerte und bewerten Lebensmittel – bei Bedarf direkt am Supermarktregal. Doch helfen die Tipps für eine gesunde Ernährung, wenn der Jieper nach Chips und Limonade verlangt?

Von Arne Grävemeyer und Andrea Trinkwalder

Gute Vorsätze zum Jahreswechsel betreffen häufig die Ernährung: abzunehmen, mehr auf die Gesundheit zu achten oder künftig weniger Fleisch zu essen. Mancher möchte beim Einkauf mehr auf ökologische Landwirtschaft setzen, andere versuchen Allergene zu vermeiden. Ein Blick auf die einfache Nutri-Score-Ampel gibt dem Käufer nur eine Orientierungshilfe zur Nährstoffzusammensetzung. Die komplette Zutatenliste auf der Verpackung zu analysieren kostet aber Zeit und erfordert manchmal sogar eine Lupe. Beim großen Wochenendeinkauf stellt das schon einen erheblichen Aufwand dar.

Es geht aber auch einfacher: Anhand des Barcodes lassen sich verpackte Nahrungsmittel im Supermarkt eindeutig bestimmen. Hat eine Smartphone-App Zugriff auf eine gut geführte Datenbank mit Lebensmitteln und ihren Zutatenlisten, kann sie dem Kunden zahlreiche Informationen und zusätzliche Tipps liefern. Eine App könnte also direkt am Supermarktregal auf hohe Fett- oder Zuckergehalte hinweisen und nicht-vegetarische Produkte oder ökologische Sündenfälle entlarven. Mit einem individuellen Nutzerprofil wird es möglich, vor dem Verzehr bestimmter Zusatzstoffe oder Allergene zu warnen. Eine Warenkorbfunktion könnte beim Einkauf sogar auf die Gefahr einer unausgewogenen Ernährung hinweisen. Können solche Apps vielleicht auch helfen, regionale Produkte zu bevorzugen und die Bedürfnisse mehrerer Familienmitglieder zu verwalten?

Bei der Auswahl unserer Testkandidaten haben wir uns für sechs deutschsprachige Lebensmittel-Barcodescanner entschieden. Die Apps bewerten Lebensmittel nach unterschiedlichen Maßstäben. Das kann zu deutlichen Diskrepanzen führen. Während im Test beispielsweise die Yuka-App für Coca-Cola glatt 0/100 als Score ausgab, wegen des hohen Zuckergehalts, der hohen Kalorienzahl und zweier „riskanter“ Zusatzstoffe, bewertete CodeCheck dieselbe Flasche mit einem nahezu geschlossenen grünen Kreis und nur einem kleinen roten Segment und markierte den Zuckergehalt mit gelber Ampelfarbe; gab aber immerhin zum Inhaltsstoff Phosphorsäure den Hinweis „Verzehr einschränken“. Zudem haben wir EinkaufsCHECK, HealthMe, Nutriscan+ und Open Food Facts ins Testfeld aufgenommen – und auch sie waren sich keineswegs einig über den gesundheitlichen Wert einer Coke (siehe Screenshots).

Datenbanken wachsen

Lebensmittel, die verpackt in die Regale kommen, müssen in der EU gut lesbar ihre Zutaten vollständig auflisten. Zusätzlich ist die Tabelle der Nährwerte anzugeben, also die Mengen von Kohlenhydraten, Zucker, Eiweiß und Salz, von Fett, darin die gesättigten Fettsäuren, sowie der Brennwert. Außerdem müssen die Hersteller für raffinierte pflanzliche Öle und Fette die Herkunft deklarieren, beispielsweise ob es sich um Palmöl handelt.

Da diese und noch weitere Produktdaten damit öffentlich zur Verfügung stehen, lassen sie sich gut in Datenbanken sammeln. Als gemeinnütziges internationales Projekt startete Open Food Facts bereits 2012 mit dem Ziel, per Crowdsourcing eine Online-Datenbank aufzubauen. Wie der Gründer Stéphane Girandet gegenüber c’t betont, ist diese Datenbank bis November 2021 auf über zwei Millionen Produkte angewachsen, von denen 110.713 aus Deutschland stammen.

Für viele andere Anbieter wie Nutriscan+ und Yuka bilden die Open Food Facts den Grundstock. Yuka erweitert seine Produktdatenbank seit 2018 durch direkte Herstellerinformationen sowie durch Sammelbeiträge der eigenen Nutzer, die der Anbieter parallel an Open Food Facts weiterleitet. Auch CodeCheck hat seine Datenbank durch Herstellerangaben und durch Eingaben der Anwender stetig ausgebaut. Um Mehrfacheinträgen etwa durch Tippfehler auf die Spur zu kommen, arbeiteten die Entwickler mit Machine-Learning-Algorithmen. Derzeit ist die Zukunft von CodeCheck-App und -Datenbank allerdings ungewiss, denn über das Betreiberunternehmen wurde während unserer Tests das Insolvenzverfahren eröffnet. Die App soll zunächst weiterlaufen, laut Anbieter steht auch noch ein kleines Entwicklerteam für kurzfristige Fehlerbehebungen bereit.

Wie gesund oder ungesund der Verbraucher ein Produkt wahrnimmt, ist auch eine Frage der Darstellung. In der EinkaufsCHECK-App scheint bei Coca-Cola fast alles im grünen Bereich, …
… wohingegen Nutriscan+ mit rot gefärbten Nutri- und Nova-Scores sowie den E-Nummern der Inhaltsstoffe den schlechten Nährwert und hohen Verarbeitungsgrad unterstreicht.

Die Anbieter von EinkaufsCHECK und HealthMe setzen hingegen ganz auf originale Herstellerdaten. EinkaufsCHECK-Geschäftsführer Jens Jetzki betont gegenüber c’t, dass sich die Produktdatenbank mit 300.000 Lebensmitteln ausschließlich auf Deutschland, Österreich und die Schweiz bezieht. Bei unbekannten Produkten bittet die App den Anwender lediglich, als Hinweis ein Foto hochzuladen. Die HealthMe-App lädt nicht zur Mitwirkung bei der Sammlung von Produktdaten ein. Gründerin Victoria Noack, die mit ihrem Start-up Declareme erst vor wenigen Wochen in der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ neue Investoren ins Boot holte, blieb gegenüber c’t bezüglich der Größe ihrer Produktdatenbank sehr vage.

Neben der Scanfunktion bieten die Apps im Testfeld auch eine Suchfunktion direkt in der Produktdatenbank. Einkäufe lassen sich damit allerdings nicht planen, denn dazu müsste der Kunde das Sortiment seines lokalen Einkaufsmarktes schon sehr genau kennen. Gerade bei den Community-befüllten Datenbanken zeigten sich in der Produktsuche zahlreiche Doppler, zum Teil durch unterschiedliche Schreibweisen, zum Teil durch Einträge aus unterschiedlichen Ländern.

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