c't 3/2021
S. 118
Praxis
Aerosol-Ampel

AeVOC

ESP8266 warnt vor Aerosolen, Feinstaub und Gestank

Treffen in Corona-Zeiten ­verpflichten zum häufigen ­Lüften, da sich das Virus über in der Luft schwebende Tröpfchen, die Aerosole, verbreitet. Im Winter lüftet man aber ­ungern, da es schnell unan­genehm kalt wird. Der WLAN-­Sensor AeVOC, warnt, wenn es höchste Zeit zum Lüften wird.

Von Pina Merkert

Aerosole sind in aller Munde. Leider. Die winzigen Tröpfchen transportieren nämlich auch Coronaviren und sind daher für die meisten Ansteckungen mit Covid-19 in Innenräumen verantwortlich. Häufiges Lüften hilft, die Konzentration der Tröpfchen niedrig zu halten. Leider vergisst man aber schnell, die Fenster aufzureißen und die möglicherweise ansteckenden Tröpfchen reichern sich an. Ein Sensor, der misst und warnt, könnte daran erinnern.

Es gibt aber leider keine Sensoren, die Aerosol-Konzentrationen direkt messen. Deswegen empfehlen Aerosol-Experten oft CO2-Sensoren, um die Raumluft zu überwachen. In einem Raum mit wenigen Pflanzen sollte nämlich auch die CO2-Konzentration steigen, wenn sich durch Atemluft die Aerosole anreichern. Unsere Schwesterzeitschrift Make hat in Ausgabe 5/20 einen sehr günstigen CO2-Sensor gebaut, der ab 1000 ppm warnt [1]. Das ist die aktuelle Grenzwert-Empfehlung des Umweltbundesamts.

Auch wenn CO2 und Aerosole in den meisten Fällen stark korreliert sind, gibt es dennoch keine Hinweise, dass just 1000 ppm CO2 die magische Grenze darstellen, unter der es keine Corona-Ansteckungen gibt. Die Ergebnisse eines gemeinsamen Forschungspapiers von Aerosol-Experten zeigen, dass sich innerhalb von Minuten eine kritische Menge Tröpfchen anreichern kann [2]. Zu wissen, ob gerade mehr Aerosole als üblich im Raum schweben, würde aber bei aller Unwissenheit um genaue Grenzwerte trotzdem helfen.

Aerosole im Feinstaubsensor

Kleine Tröpfchen und feiner Staub ähneln sich in einer für Sensoren wichtigen Eigenschaft: Sie brechen und reflektieren Laserlicht. Feinstaubsensoren wie ein SDS011 geben daher traditionell nach einem Regen zu hohe Werte aus. Dieser Effekt lässt sich für Aerosol-Messungen nutzen. Ein SDS011 misst Staub und Tröpfchen in den Größen PM10 (10 µm) und PM2,5 (2,5 µm). Dafür beleuchtet er die Partikel mit einem Laser, von dessen Licht bei klarer Luft nichts auf die eingebaute Fotodiode trifft. Zieht der Lüfter des Sensors aber Staub oder Tröpfchen in die Messkammer, streuen der Staub oder das Wasserkügelchen das Licht so, dass ein Teil die Fotodiode beleuchtet. Das klappt bis zu Schwebeteilchen von 2,5 Mikrometern Größe. Kleinere Staubpartikel und Tröpfchen kann der Sensor nicht erkennen.

Leider können auch Tröpfchen, die kleiner als PM2,5 sind, noch Coronaviren enthalten. Vermutlich spielen gerade die Tröpfchengrößen PM1 und PM0,1 eine große Rolle für die Infektionen, da sich so kleine Tröpfchen erst nach vielen Stunden absetzen. Beim Atmen stößt ein Mensch aber gleichzeitig alle möglichen Aerosol-­Größen aus. Es ist daher eine sinnvolle Annahme, dass nach dem Betreten eines Raums zunächst die Konzentrationen aller Aerosol-Größen gemeinsam ansteigt. Die größeren Tröpfchen setzen sich dann schneller ab oder verdunsten so, dass sie zu kleineren Tröpfchen werden. Mit der Zeit sinkt also die Konzentration großer Aerosole, während die der ganz kleinen Tröpfchen praktisch gleich bleibt. So lange sollte man momentan aber ohnehin nicht warten. Steigt die mit einem SDS011 messbare Menge großer Aerosole an, sollte man dringend Lüften und mit dem Lüften die kleinen Aerosole gleich auch in den Wind schicken. Ein schneller Abfall der Messwerte zeigt dann, dass das Lüften geklappt hat.

Olfaktorische Belastung

Aerosole verbreiten sich turbulent in Mustern, die sich nur schwer vorhersagen lassen. Außerdem stoßen Menschen sehr unterschiedliche Aerosol-Mengen aus. Während viele nur 100 Tröpfchen pro Sekunde ausatmen, setzen andere in Ex­tremfällen die 50-fache Menge frei. Im ungünstigsten Fall schlägt der Feinstaubsensor nicht Alarm, obwohl die Menschen im Raum schon so lange zusammensitzen, dass fünf Minuten Stoßlüften stark angeraten wäre.

Abhilfe schafft da ein günstiger VOC-Sensor. „VOC“ steht für „Volatile Organic Compound“, ein Sammelbegriff für verschiedene organische Moleküle, die Menschen ausdünsten oder ausatmen. Ein VOC-Sensor wie der CCS811 misst die Konzentration solcher Moleküle über eine Oberfläche, mit der diese chemisch reagieren. Durch die Reaktion ändert sich der elektrische Widerstand ein kleines bisschen und ein integrierter Mikrocontroller rechnet das in eine Konzentration um. Er berechnet aus dem gleichen Wert auch eine geschätzte CO2-Konzentration, in unserem Test wich diese Projektion aber erheblich von den Werten eines optischen CO2-Sensors ab.

Viele der vom Sensor gemessenen VOCs sind für Gestank verantwortlich. Wer sich vor hohen VOC-Werten warnen lässt, lüftet also nicht nur gegen ein Corona-­Risiko, sondern auch für riechbar frische Luft.

Warnleuchte im Buchformat

Egal ob Aerosole, Feinstaub oder VOC-Gestank: Steigende Werte geben Anlass, das Fenster aufzureißen. Um diese Empfehlung klar darzustellen, haben wir den Feinstaubsensor SDS011 zusammen mit dem VOC-Sensor CCS811, einem Temperatur- und Luftfeuchte-Sensor DHT22 und einer Matrix aus 64 WS2812-RGB-LEDs in ein wörterbuchgroßes Gehäuse gepackt. Die in einem 8×8-Raster angeordneten LEDs leuchten umso heller und röter, je dringender das Lüften wird. Für Zahlenliebhaber zeigt ein winziges OLED-Display darunter auch die Messwerte an. Mit einem ESP8266 als Prozessor versendet das Gerät seine Werte auch per WLAN über das Heimautomatisierungsprotokoll MQTT, damit ein schlaues Zuhause automatisch auf hohe Werte reagieren kann.

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