c't 3/2021
S. 3
Standpunkt

Gaia-X: Kentern unausweichlich

Von Europa für Europa, tönte es seinerzeit, als Politiker verkündeten, dass nun Gaia-X gestartet würde, um die nächste Generation einer Daten­infrastruktur für Europa zu entwickeln. Klares Ziel der mit Steuermilliarden geförderten Initiative soll es sein, Europa unabhängiger von US-amerikanischen Giganten und Datensammlern wie Microsoft, Amazon und Google zu machen. Es sollte ein sicherer Hafen für europäische Daten ent­stehen, europäische Unternehmen sollten gefördert und die europäische Unabhängigkeit sichergestellt werden.

Das Ziel von Gaia-X war ambitioniert und viele bezweifelten, dass es Europa tatsächlich schaffen könnte, sich von den US-Großkonzernen zu emanzipieren. Die Zweifler sollten recht behalten: Noch bevor Gaia-X erste konkrete Ergebnisse vorzuweisen hat, heißt man Microsoft, Google und Amazon als Gründungsmitglieder willkommen. Damit sind die amerikanischen Großunternehmen ein Teil von Gaia-X.

Sitzen Microsoft, Google und Amazon aber mit im Boot, ist es schon allein aufgrund des techno­logischen Gewichts dieser Partner unvermeidbar, dass das Projekt in Schieflage gerät. Echter ­Datenschutz nach europäischen Standards kann es mit amerikanischen Anbietern nicht geben, schließlich ist jedes US-Unternehmen per Gesetz verpflichtet, Daten von Nutzern an US-Behörden herauszugeben, egal ob diese nun in den USA oder sonst wo auf der Welt gespeichert werden.

Außerdem glaubt doch niemand, dass Amazon, ­Google und Microsoft es hinnehmen werden, wenn kleine europäische Anbieter bei der Vergabe von Aufträgen innerhalb von Gaia-X bevorzugt werden. Eine wirklich konkurrenzfähige europä­ische Industrie kann sich bei solchen Partnern kaum ­etablieren.

Unterm Strich verkommt Gaia-X so zu einer Farce. Im Ergebnis liefert das teure europäische Projekt nun wahrscheinlich keine unabhängige europäische Dateninfrastruktur, sondern vielmehr ein willkommenes Feigenblatt für amerikanische Datensammler und Gewohnheitsmonopolisten.

Georg Schnurer

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