c't 26/2021
S. 38
Aktuell
Quantencomputing

Superrechner mit Qubits

Leibniz-Rechenzentrum in Garching baut Quantencomputer ein

Das Projekt Q-Exa erweitert den zweitschnellsten Höchstleistungsrechner Deutschlands bis Ende 2023 um einen 20-Qubit-Quantencomputer. Damit soll neues Rechenpotenzial entstehen.

Von Arne Grävemeyer

Von einem wichtigen Schritt zum „Munich Quantum Valley“ sprach Dieter Kranzlmüller als Leiter des Leibniz-Rechenzentrums in Garching bei München. Die geplante Erweiterung des nationalen Höchstleistungsrechners um eine Schnittstelle zu einem eigenen Quantencomputer mit zunächst 20 Qubits werde die Rechenleistung von derzeit 19,5 Petaflops (Billiarden Gleitkommaoperationen pro Sekunde) zwar sicher nicht in den Bereich der Exaflops führen, aber stattdessen neuartiges Rechenpotenzial eröffnen. Die Quantentechnik biete Wissenschaft und Forschung, aber auch industriellen Anwendern neue, andere Möglichkeiten.

Der SuperMUC NG des Leibniz-Rechenzentrums in Garching bei München, der zweitschnellste Höchstleistungsrechner in Deutschland, wird bis 2023 um einen Quantencomputer erweitert.
Bild: Veronika Hohenegger / LRZ

Europäische Technik

Konsortialführer des Projektes Q-Exa ist die deutsch-finnische IQM Quantum Computers mit Sitz in Espoo und München. IQM ist eine Ausgründung der Aalto-Universität in Helsinki und des Technischen Forschungszentrums VTT in Espoo. Ihr Geschäftszweck ist der Aufbau von gatterbasierten Quantencomputern mit supraleitenden Schaltkreisen [1]. Auf der Roadmap steht nach dem 20-Qubit-Rechner ein 54-Qubit-System. Ein Upgrade der Installation in Garching sei dann leicht möglich. Projektpartner sind neben dem LRZ der Superrechneranbieter Atos sowie das Karlsruher Start-up HQS Quantum Simulations. Atos bringt in das Projekt seine Quantum Learning Machine ein, eine Programmierumgebung, die zugleich die Simulation von bis zu 41 Qubits erlaubt. Derartige Simulationen beanspruchen zwar hohe Rechenkapazitäten, können aber den Betrieb eines realen Quantencomputers ergänzen. HQS entwickelt quantenoptimierte Software etwa für die Simulation chemischer Verbindungen.

Einen gatterbasierten Quantencomputer in ein Rechenzentrum zu integrieren und im Dauerbetrieb einzusetzen, bezeichnete IQM-Geschäftsführer Jan Goetz als eine Pionierarbeit, mit der das LRZ international vorangehen werde. Ob das aber noch 2023 gilt, wenn der 20-Qubit-Quantencomputer am Standort Garching installiert wird, ist fraglich. Laut einer Studie der Analysten von IDC planen etwa drei Viertel von über 100 befragten Höchstleistungsrechenzentren weltweit, bis 2023 Quantencomputing einzusetzen.

„Wir wollen nicht kleckern, sondern klotzen“, sagte die geschäftsführende Bundesforschungsministerin Anja Karliczek und verwies auf verschiedene Fördermaßnahmen. In der Summe erhalten Projekte für Quantencomputing und Quantentechnologien in Deutschland von 2018 bis 2025 etwa zwei Milliarden Euro. Für das Projekt Q-Exa nahm Goetz einen Förderbescheid über 40,1 Millionen Euro entgegen.

Quantentechnik verbessert chemische Formeln

Industrievertreter unterstützen den ganzheitlichen Ansatz des Q-Exa-Projekts, bei dem die Partner nicht nur technische Rechnerkapazitäten einrichten, sondern auch Programmiererfahrung aufbauen und Anwendungslösungen umsetzen wollen. „Dadurch kann es schon in drei bis fünf Jahren erste Anwendungen geben, die sonst nicht möglich gewesen wären“, schätzt etwa der BASF-Vorstandsvorsitzende Martin Brudermüller in seiner Stellungnahme zur Q-Exa-Präsentation. Quantenalgorithmen optimieren chemische Formeln und die Zusammensetzung chemischer Produkte und könnten dem Konzern so zeitaufwendige Laborversuche ersparen. Quantensimulationen erhellen Reaktionsmechanismen und katalytische Vorgänge.

Wichtig ist Brudermüller auch, bei industriellen Entwicklungsprojekten in der Zukunft nicht wie bisher auf US-Plattformen wie etwa IBMs Quantencomputer in der Cloud angewiesen zu sein. Der frühe Einstieg in die neue Technologie schaffe europäischen Unternehmen einen barrierefreien Zugang. (agr@ct.de)

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