c't 25/2021
S. 132
Wissen
50 Jahre Mikroprozessoren
Bild: Intel

50 Jahre Mikroprozessor

Der Intel-Chip 4004 von 1971: Ein Meilenstein der digitalen Revolution

Eigentlich war Intels 4004 bloß als integrierte Schaltung für einen elektronischen Tischrechner gedacht. Seine Nachfahren wurden jedoch zum Motor der Computer-Ära.

Von Christof Windeck

Am 15. November 1971 erschien in der Fachzeitschrift „Electronic News“ eine Werbeanzeige für einen „microprogrammable Computer on a Chip“, nämlich den Intel 4004. Anfang der 1970er-Jahre entwickelten zwar auch noch andere Firmen Mikroprozessoren, doch der 4004 kam als erster auch tatsächlich zum Einsatz. Intel-Konkurrent Texas Instruments (TI) hatte schon früher einen Mikroprozessor auf einem einzigen Siliziumchip angekündigt und erhielt 1973 auch das erste einschlägige Patent. Doch Intels 4004 steckte ab 1972 im Tischrechner 141-PF der japanischen Firma Busicom. Diese hatte die Entwicklung des 4004 bei Intel in Auftrag gegeben und 1969 den 26 Jahre jungen Ingenieur Masatoshi Shima nach Kalifornien geschickt. Damals war noch nicht klar, welche enorme Bedeutung die Nachfahren des 4004 und das Silicon Valley einst haben würden.

Außer Masatoshi Shima, der von Busicom zu Intel wechselte, gelten sein Chef Federico Faggin sowie Ted Hoff und Stan Mazor als wesentliche Entwickler des 4004. Letzterer war Bestandteil des Chipsatzes MCS-4 (Micro-Computer Set 4), der vier Chips umfasste: Außer dem 4004 noch den 2048-Bit-ROM-Baustein 4001, den RAM-Chip 4002 und den I/O-Baustein 4003. Der 4004 bestand aus lediglich 2300 Transistoren, die Intel mit 10-Mikrometer-Technik fertigte – im Vergleich zur heutigen 10-Nanometer-Fertigungstechnik also mit tausendfach gröberen Strukturen. Der 4004 brachte es lediglich auf 108 Kilohertz Taktfrequenz; sein Rechenwerk (Arithmetic Logic Unit, ALU) verarbeitete 4-Bit-Werte und er hatte auch einen 4-Bit-Datenbus – daher sein Name „4004“.

Der Intel 4004 hatte lediglich 2300 Transistoren, der 8008 nur ein Jahr später (1972) aber schon 3500. 1974 folgte der 8080 und 1978 der x86-Urvater 8086.
Bild: Intel

Schon 1972 brachte Intel den 8-Bit-Nachfolger 8008 auf den Markt, mit 3500 Transistoren und 800 kHz Takt. Doch auch dieser war nicht flexibel genug für „richtige“ Computer. Die Fortentwicklung zu den ersten erfolgreichen Prozessoren für Heimcomputer und „Personal Computer“ (PCs) verlief alles andere als geradlinig. Viele Informationen zu den damaligen Entwicklungen finden sich in ausführlichen Gesprächen mit Zeitzeugen, die das Computer History Museum veröffentlicht hat (siehe ct.de/yxe5). Über diesen Link finden Sie auch einen Online-Emulator für den 4004 und weitere historische Informationen.

Chip-Umwege

Schon vor dem Intel 4004 gab es Mikroprozessoren, bloß nicht auf einem einzigen Chip integriert, sondern aus mehreren „Integrated Circuits“ (ICs) zusammengeschaltet. Dazu nutzte man damals beispielsweise Logik-ICs der Baureihe 74xx, die TI schon seit den 1960er-Jahren mit Transistor-Transistor-Logik (TTL) fertigte. Für komplexe Rechenwerke waren große Platinen mit Dutzenden TTL-Chips nötig, sogenannte „TTL-Gräber“. Die Einzelchip-Mikroprozessoren waren im Vergleich dazu nicht nur viel kleiner, sondern auch sparsamer, leistungsfähiger und dank der rasanten Fortentwicklung rasch auch billiger.

Federico Faggin leitete bei Intel mehrere Abteilungen, darunter auch jene für Mikroprozessoren, die unter Hochdruck bis 1974 den 8-Bit-Mikroprozessor 8080 mit 6000 Transistoren entwickelte. Doch Intel musste in der Wirtschaftskrise 1974 (Ölkrise) Einbußen hinnehmen und strukturierte sich um. Faggin war damit unzufrieden und gründete gemeinsam mit dem Intel-Manager Ralph Ungermann sowie mit Risikokapital von Exxon Ende 1974 die Firma Zilog. Zu dieser wechselte etwas später auch Masatoshi Shima. Bis 1976 schafften sie es, den erfolgreichen Z80 auf den Markt zu bringen, einen zum Intel 8080 kompatiblen, aber verbesserten Chip. Er wurde zum Herzstück beliebter Heimcomputer wie dem Sinclair ZX80, aber auch von Businessgeräten wie dem Osborne 1 mit dem Betriebssysteme CP/M. Z80-Varianten steckten auch in Spielecomputern wie Sega Master System und Arcade-Automaten für Pac Man, in den 1990er-Jahren dann im grafikfähigen Taschenrechner TI-81.

Auch andere Konkurrenten waren fleißig. Motorola hatte 1974 den 8-Bit-Prozessor 6800 vorgestellt, der sich an der PDP11-Architektur der Digital Equipment Corporation (DEC) orientierte, und brachte 1976 die Versionen 6809 und 6801 heraus. Unterdessen hatte der von Motorola zu MOS Technology abgewanderte Entwickler Chuck Peddle den ähnlich konzipierten 6502 fertiggestellt. Er war enorm beliebt, zunächst im Atari 800, Apple I, II, Commodore PET und VC-20, später in Gestalt des 6510 im berühmten „Brotkasten“ C64 aus dem Jahr 1982. Auch eine britische Firma namens Cambridge Processor Unit (CPU), die sich später Acorn nannte, setzte zunächst auf den 6502. Doch ab 1983 entwickelte sie die Acorn RISC Machine, heute als ARM-Mikroarchitektur bekannt und in rund 2 Milliarden Chips pro Jahr eingesetzt.

Der Motorola 6809 war jedenfalls wohl der erste bezahlbare Prozessor mit einem Hardware-Multiplizierer. Seine Befehlssatzarchitektur (ISA) war durchgängig 16-bittig. Das richtige Biest kam 1979 auf den Markt: der 68000. Seine ALU war zwar nur 16-bittig, die ISA sowie alle acht Register hatten aber schon richtungsweisende 32 Bits. Damit lag der lineare Adressraum bei damals gigantischen 4 GByte, von denen bei der ersten Version zwar nur 24 Adressbits herausgeführt wurden, aber das waren immer noch riesige 16 MByte. Der 68000 war ziemlich teuer und befeuerte Workstations wie Sun-1, Silicon Graphics (SGI) IRIS 1000, HP9000 und Alpha/Domain. In den 1980er-Jahren wurden 68000er-Varianten billig genug für den Apple Macintosh, den Commodore Amiga und Atari ST sowie für PostScript-Laserdrucker.

68000-Chefarchitekt Skip Stritter hatte zuvor an dem nicht besonders erfolgreichen Mikroprozessor Micro/370 für IBM-370-Großrechner gearbeitet, sodass wohl etliche Ideen der /370-Architektur in den 68000 eingeflossen sind. Stritter gehörte 1984 zu den Gründern von MIPS Technologies.

Doch zurück zu Intels 8080, dessen Erfolg auch darauf beruhte, dass er von anderen Firmen als Nachbau erhältlich war: Das sicherte den Nachschub, Stichwort Chipknappheit. Zu den 8080-Zweitlieferanten gehörte die 1969 gegründete Firma AMD, die den AM9080A fertigte. In Deutschland war Siemens früh dabei, so findet man bereits einen SAB8008 und später die ganze Palette von SAB8080 bis SAB80286. Ohne Lizenz kupferte das Kombinat Mikroelektronik Erfurt den U808 ab. Doch auch von Z80 und 6809/68000 gab es „Second Sources“, etwa SGS Microelettronica in Italien (Z80, Z8000) und Thomson SA in Frankreich (6809, 68000, 68008). Aus den beiden zu SGS-Thomson fusionierten Firmen entstand 1998 die heutige STMicroelectronics.

Nachgebessert und beschnitten

Intel besserte 1977 als Antwort auf den Z80 den 8080 etwas mit dem 8085 nach. Der Prozessor brauchte jetzt ebenfalls nur noch eine Betriebsspannung statt derer drei. Aber längst war ein 16-Bit-Prozessor überfällig, so wie ihn die Konkurrenz bereits fertig oder in Arbeit hatte. Als preiswerte und einfach gestrickte Notlösung bohrte Intel den 8085 auf 16 Bit auf und stellte am 4. Juni 1978 den 8086 vor. Der erbte vieles vom 8085 und passte auch weiterhin in ein preiswertes 40-Pin-DIL-Gehäuse. Um mit wenigen externen Anschlüssen auszukommen, waren aber einige Tricks und Verrenkungen nötig, von denen manche noch Jahre später Programmierer zu Verzweiflung brachten. Um Pins zu sparen, wurden nicht nur Adress- und Datensignale per Multiplexing alternativ auf dieselben Anschlüsse geschaltet. Und um den auf 1 MByte vergrößerten Adressraum logisch mit 16-Bit-Registern verwalten zu können, führte Intel sogenannte Segmente ein: Die Gesamtadresse wurde aus der Summe der um vier Bits nach links verschobenen Segmentregister und den acht normalen 16-Bit-Registern bestimmt.

Der 8086 war also schon eher eine 16-Bit-Behelfskonstruktion, doch im Urahn aller modernen x86-PCs, dem IBM-PC, kam 1981 eine noch weiter beschnittene 8086-Version zum Einsatz: Der von Intel Israel in Haifa entwickelte 8088. Sein wichtigster „Vorteil“ war der von 16 auf 8 Bit reduzierte externe Datenbus. Damit sank zwar die Performance, doch die zusätzlich zum Mikroprozessor nötige PC-Hardware ließ sich vereinfachen und billiger aufbauen. Bekanntlich sollte der IBM-PC ja auch nicht etwa besonders schnell werden, sondern zumindest für IBM-Verhältnisse besonders billig sein. Das hat sich in den seither verflossenen 40 Jahren gewaltig geändert – aber das ist dann schon eine neue Geschichte, die des x86-PC. (ciw@ct.de)

4004-Emulator, historische Informationen: ct.de/yxe5

Kommentieren