c't 21/2021
S. 44
Aktuell
Raumfahrt

Spaceport Nordsee

Konsortium plant deutschen Weltraumbahnhof

Die German Offshore Spaceport Alliance plant ab 2023 Weltraumstarts von Deutschland aus. Sogenannte Microlauncher sollen dann Kleinsatelliten von der Nordsee in den Orbit befördern.

Von Arne Grävemeyer

Am nördlichsten Zipfel der Hoheitsgewässer Deutschlands soll ein europäischer Weltraumbahnhof entstehen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI), der Bundeswirtschaftsminister und vor allem das deutsche Konsortium German Offshore Spaceport Alliance sind überzeugt, dass dieser Standort dafür ideal ist. Im Beisein des Ministers Peter Altmaier unterzeichneten am 6. September vier europäische Hersteller von kleinen Raketen (Microlauncher) Absichtserklärungen zur Zusammenarbeit mit dem neuen Betreiberkonsortium. Bereits in zwei Jahren sollen erste Starts von einer schwimmenden, mobilen Plattform erfolgen, um Kleinsatelliten von der Nordsee aus in den Orbit zu transportieren.

„New Space“ gewinnt an Bedeutung. ​Marktvertreter verstehen darunter die wachsende Kommerzialisierung der Raumfahrt und zugleich eine zunehmende Beteiligung von Unternehmen, die nicht auf Raumfahrt spezialisiert sind. Aus Sicht des BDI profitieren davon nicht nur Raketen- und Satellitenbauer, sondern beispielsweise auch Werkstoffspezialisten, Elektronik- und Sensorenhersteller. Ein Vorteil eines deutschen Weltraumbahnhofs wäre es, dass sich die beteiligten deutschen Zulieferer nicht um Exportgenehmigungen kümmern müssten.

Beschränkt auf Klein- und Kleinstsatelliten

In der Simulation erhebt sich eine Trägerrakete aus der sogenannten Launchbox des schwimmenden Weltraumbahnhofs.
Bild: German Offshore Spaceport Alliance

Im Unterschied zu den großen Weltraumbahnhöfen etwa in Kourou, Französisch-Guayana, wollen die Beteiligten den Nordseestartplatz technisch auf kleine Raketen und den Transport von Kleinsatelliten bis maximal 500 Kilogramm beschränken. Genau auf diesem Feld erwarten Marktbeobachter für die kommenden Jahre erhebliches Wachstum. Eine Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums prognostiziert den Transport von bis zu 15.000 Satelliten ins All bis 2030. 90 Prozent werden Klein- und Kleinstsatelliten bis hinunter zur Größe von ein oder zwei Schuhkartons sein.

Das Startgebiet erstreckt sich bis in die nördlichsten Hoheitsgewässer Deutschlands.
Bild: German Offshore Spaceport Alliance

Ideen für neue Satellitenanwendungen schießen derzeit zahlreich aus dem Boden. „Sie bilden die Grundlage für den Breitbandausbau und die weitere Digitalisierung“, meldet der BDI. Sie gewinnen auch an Bedeutung für die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit des Staates, wie Minister Altmaier schilderte. Nicht zuletzt unterstützen Beobachtungen aus dem Orbit die Klimapolitik und den Umweltschutz. Satelliten könnten zum Beispiel in Echtzeit Bilder von Waldbränden und Überschwemmungen liefern oder beim Smart Farming helfen, Pflanzen zielgenauer zu düngen und zu bewässern.

Die Liste der denkbaren Anwendungen ist damit noch längst nicht zu Ende: Versicherungen könnten Schadensfälle aus dem Orbit überwachen, autonome Fahrzeuge lassen sich mit Satelliten exakt verfolgen und auch die Infrastruktur von Bahn, Strom oder Pipelines können Satelliten am besten im Auge behalten. Mit einer wachsenden Raumfahrtindustrie würden hierzulande erwartungsgemäß neue Start-ups entstehen und frische Ideen entwickeln, sei es für die Raumfahrttechnik oder die Nutzung der Satellitendaten für bisher noch nicht angedachte Zwecke. (agr@ct.de)

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