c't 14/2021
S. 122
Wissen
Computational Photography
Bild: Thorsten Hübner

Mobile Foto-Fabriken

Wie Smartphone-Kameras teure Foto- und Studiotechnik simulieren

Smartphone-Kameras imitieren nicht mehr nur fotografisches Bokeh, sondern ermöglichen Nachtaufnahmen sowie professionell ausgeleuchtete Porträts – einfach aus der Hand, ohne schweres Stativ, Blitz und ­Studiolampen. Dafür sorgen ­raffinierte Algorithmen, clevere ­optische Konstruktionen und maschinelles Lernen aus den ­Laboren von Google, Apple, Huawei und Leica.

Von Andrea Trinkwalder

Seit Erfindung der Smartphone-Fotografie sehnen sich Hersteller und Nutzer nach der Qualität und der Ästhetik von Spiegelreflex- oder Systemkamera-Aufnahmen: edle Unschärfe, knackige Details, kaum Rauschen auch bei schlechtem Licht. Gemäß den optischen Gesetzen benötigt man für all das aber möglichst große lichtempfindliche Zellen auf möglichst großen Sensoren, deren Abmessungen wiederum raumgreifende, schwere Objektive nach sich ziehen. Weil das Smartphone damit seinen Immer-dabei-Status verlieren wür­de, müssen sich die Hersteller zwangsläufig mit deutlich kleineren Sensoren und fest eingebauten Miniaturobjektiven begnügen, was lange Zeit bedeutete: brillante, detailreiche Fotos nur bei Tageslicht, geringe Auflösung und keine fotografische Hintergrundunschärfe (Bokeh).

Im Laufe der Jahre sind die Smartphones zu veritablen Rechenzentren herangewachsen: Bestückt mit schneller CPU, zig Gigabyte Arbeitsspeicher, flankiert von Grafik- und KI-Beschleunigern (Neural Processing Unit, NPU), bringen Entwickler dort Bildverarbeitungsalgorithmen zum Laufen, für die sie früher eine Serverfarm gebraucht hätten. So öffnen sich mit fast jeder Kamerageneration neue Perspektiven. Die erste Generation simulierte glaubhaftes Bokeh [1] und erweiterte den Dynamikumfang, die nächste ermöglichte erstaunlich scharfe, rausch­arme Nachtaufnahmen aus der Hand und entlockte den Sensoren deutlich mehr Auflösung. Die Algorithmen dahinter haben eines gemein: Sie stützen sich auf Bilderserien, um möglichst viele Bild­details zu sammeln, die das beschränkte optische System aus einer Belichtung allein nicht gewinnen kann.

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