c't 13/2021
S. 154
Praxis
Schnittmuster ohne Papier
Bild: Thorsten Hübner

Klebefrei

Besser schneidern mit App und Beamer

Wer an Nähen denkt, dem fallen Dinge wie Schneider­kreide und Maßband ein. Moderne Näher ­ergänzen diese Hilfsmittel durch Augmented Reality, Vektor­grafikprogramm und Beamer.

Von Anke Brandt

Der Pullover ist zu kurz, aber die Ärmel zu lang? Wie wäre es dann mit selbst schneidern? Selbst Anfänger nähen mit ein wenig Geschick ihre ersten eigenen Kleidungsstücke – und setzen dabei auf allerlei technische Hilfsmittel wie Augmented-Reality-App und Beamer. Schnell einreißendes Schnittmusterpapier gehört damit der Vergangenheit an. Aufrüsten kann man später immer noch, beispielsweise auf eine computergesteuerte Nähmaschine. Solche Geräte unterstützen einen mit verschiedenen voreingestellten Nähprogrammen, die sich je nach Modell an eigene Vorlieben anpassen lassen. Mitunter kann man auch dekorative Näh­stiche, mit denen man zum Beispiel Pulloversäume absteppt, so miteinander kombinieren, dass echte Unikate entstehen.

Viele Schnittmuster gibt es als E-­Books, die zusätzlich zum Schnitt eine bebilderte Anleitung mitbringen. So lassen sich auch knifflige Schritte problemlos nachvollziehen. Das Schnittmuster ­verteilt sich auf diverse DIN-A4-Seiten, die Sie zunächst drucken und dann aneinander­kleben müssen. Zusammengesetzt entspricht das Format solcher Bögen häufig einem DIN-A0-Format. Wir zeigen Ihnen drei Wege, wie Sie einfacher zum fertigen Schnittmuster und damit zu Ihrem Kleidungsstück kommen. Die kostenlose Smart­phone-App Pattarina (Android/iOS) kommt ganz ohne Drucken aus, eignet sich jedoch nicht für jeden Schnitt. Mit dem kostenlosen Desktop-Programm Inkscape (macOS, Linux, Windows) erstellen Sie aus den vielen A4-Seiten eines E-Books eine einzige plottbare PDF-Datei im A0-Format. Alternativ lässt sich diese Datei auch mit einem Beamer auf den Stoff projizieren.

Für den Anfang benötigen Sie übrigens auch keine große Ausstattung: Nähmaschine, Stoffschere, Markierstift, Schnittmuster und ein paar Stecknadeln oder Stoffklammern reichen völlig, dazu den gewünschten Stoff samt passendem Nähgarn. Etwas komfortabler funktioniert es mit einer speziellen Schneidunterlage und einem Rollschneider für Stoff.

Normalerweise druckt man Schnittmuster aus, schneidet den Druckrand ab und klebt die einzelnen Seiten mit Klebestreifen aneinander. Einfacher gehts per App, digitaler Puzzelei und Beamer.

Augmented Reality statt Schnittmusterpapier

Pattarina funktioniert mit Android und iOS und nutzt Augmented Reality (AR), um die Schnittlinien auf Ihrem Smartphone anzuzeigen, die Sie mit einem Markierstift auf den Stoff übertragen. Wie das im Detail funktioniert, erklären wir im nächsten Schritt. Diese Methode eignet sich vor allem für Kinderbekleidung oder kleinere Accessoires. Bei größeren Teilen schleichen sich schnell zu große Ungenauigkeiten ein, sodass das fertig genähte Kleidungsstück aus der Form gerät.

Die App bringt drei kostenlose Schnitte mit, sodass Sie direkt loslegen können. Weitere finden Sie über die integrierte Suche. Für unser Beispiel haben wir die kostenlose Pumphose für Kinder gewählt. Im Bereich „Beschreibung“ erfahren Sie wie bei konventionellen Schnittmustern, welche Materialien sich für die Hose eignen und wie viel Sie für die jeweilige Kleidungsgröße besorgen müssen.

Die Hose besteht aus Rückteil, Vorderteil, Saumbündchen und Bund. Bis auf den Bund soll man laut App jedes Teil zweimal gegengleich zuschneiden. Eine Nahtzugabe von 1 Zentimeter ist bereits enthalten. Wenn Sie mit einer anderen Nahtzugabe arbeiten wollen, müssten Sie dies im Zuschnitt berücksichtigen, App-seitig verändern lässt sich diese Vorgabe nicht. Die bebilderte Nähanleitung enthält viele für Anfänger nützliche Tipps, beispielsweise dass Sie dehnbare Stoffe am besten mit einem Zickzackstich der Nähmaschine nähen.

Smartphone im Blick

Bevor Sie das erste Schnittteil auf den Stoff übertragen können, benötigen Sie einen AR-Tracker, in der App als „Anker“ bezeichnet. Diesen erhalten Sie kostenlos als Druckdatei auf der Pattarina-Website. Dabei handelt es sich um ein gemustertes Quadrat mit 15 Zentimeter Kantenlänge, das die App als Referenz benötigt, um die Schnittmuster richtig anzeigen zu können. Den ausgedruckten und zugeschnittenen AR-Tracker legen Sie auf den glatt ausgebreiteten Stoff, und zwar so, dass der aufgedruckte Pfeil in Richtung des Fadenlaufs liegt. Das bedeutet im Falle von Jersey, dass der Fadenlauf in der Richtung verläuft, in der Sie den Stoff schlechter dehnen können.

Wählen Sie in der App das Rückteil aus und bewegen Sie das Telefon so, dass die Kamera den Tracker erfassen kann. Das Schnittteil erscheint auf dem Smartphone. Nun können Sie noch die exakte Position bestimmen, indem Sie den Tracker auf dem Stoff hin- und herschieben, beispielsweise um das Rückteil näher an die Stoffränder zu bringen, um weniger Verschnitt zu produzieren. Falls die Linien einmal vom Smartphone verschwinden sollten, fangen Sie einfach den Tracker wieder mit der Kamera ein.

Kommentieren