c't 1/2021
S. 3
Standpunkt

Schule digital: Hausaufgaben nicht gemacht

Immer mehr Schulen nutzen Cloud- und Kommunikationssoftware, bewegen sich damit aber datenschutzrechtlich fast immer in einer Grauzone. An der Brodowin-Schule in Berlin zog die Direktorin jetzt die Notbremse (siehe S. 32). Im Frühjahr war dort für den Distanzunterricht Microsoft Teams eingeführt worden, doch die Software ist in puncto Datenschutz umstritten. Zur Nutzung benötigt jeder Schüler ein Microsoft-Konto, wird also zwangsweise Kunde eines US-Konzerns, so die Argumentation besorgter Eltern. Welche Nutzerdaten der Hersteller erhebt und was damit passiert, ist oft nicht klar.

Ein Elternteil an der Schule verweigerte die Zustimmung zur Teams-Nutzung und legte Beschwerde bei der Berliner Datenschutzbeauftragten ein. Sie erteilte der Brodowin-Schule eine Verwarnung. Die Direktorin stoppte daraufhin die digitale Kommunikation nach außen. Eltern von Kindern in Quarantäne müssen seitdem im Sekretariat Arbeitsblätter in Papierform abholen. Anrufe sind nur noch über die Festnetzleitung der Schule möglich, denn bei Gesprächen über die privaten Mobiltelefone der Lehrer könnten Kontakt­daten an Google oder Apple abfließen.

Datenschützer prüfen die Einhaltung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) an Schulen erst dann, wenn bei ihnen eine Beschwerde eingeht. Auch Eltern sehen sich an dieser Stelle in der Zwickmühle: Sollen sie ihr Einverständnis zur Nutzung möglicherweise nicht DSGVO-konformer Software erklären und damit die Daten ihres Kindes preisgeben? Oder sollen sie die Unterschrift verweigern und damit den Schulbetrieb lahmlegen?

Kultusministerien und Kultusministerkonferenz (KMK) halten sich bedeckt. Auf der Website der KMK gibt es neuerdings eine Übersicht digitaler Lernangebote. Es handele sich um ein Service- und Informationsangebot „ohne empfehlenden ­Charakter“ heißt es, man stelle „qualitativ und ­lizenzrechtlich geprüfte Unterrichtsmedien“ vor – von einer datenschutzrechtlichen Prüfung ist keine Rede.

Wann macht die KMK endlich ihre Hausaufgaben? Schlimm genug, dass es keine bundesweite DSGVO-konforme Schulcloud gibt, sondern die 16 Bundesländer 16 Einzellösungen bereitstellen, an denen zum Teil noch herumgebastelt wird. Dass dabei die datenschutzrechtliche Unbedenklichkeit nicht systematisch im Vorfeld geprüft wird, ist ein Armutszeugnis.

Dorothee Wiegand

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