c't 1/2021
S. 174
Wissen
Online-Klausuren

Prüfungsstress

Datenschutz bei Online-Klausuren

Wenn Studierende Klausuren daheim absolvieren, soll eine Überwachungssoftware dafür sorgen, dass nicht geschummelt wird. Doch nicht alles, was ­technisch möglich ist, ist auch erlaubt.

Von Lukas Dieckmann

Die Corona-Situation zwingt Hochschulen, ihren Vorlesungs- und Prüfungsbetrieb umzustellen. Lehrveranstaltungen finden nicht im Hörsaal, sondern als Videokonferenz statt, und Prüfungen absolvieren Studierende aktuell häufig zu Hause. Spezielle Software soll sicherstellen, dass dabei für alle die gleichen, fairen Bedingungen herrschen.

Bei den meisten Online-Klausuren erhalten die Studierenden in Learning-Management-Systemen wie Moodle Zugang zu den Aufgaben oder sie bekommen ein Aufgabenblatt per Mail zugeschickt. Die Prüfung muss auch von zu Hause aus innerhalb einer vorgegebenen Zeit absolviert werden – wie bei Präsenzklausuren üblich. Dafür kommt sogenannte Proctoring-Software (siehe S. 166) zum Einsatz, die den Start und das Ende der Prüfungszeit kontrolliert und außerdem den Prüfling überwacht.

Die Mischung machts

Wie dabei Daten gewonnen und ausgewertet werden, variiert je nach verwendeter Software. So müssen Prüflinge beispielsweise ihren Personalausweis in die Kamera halten, um sich zu identifizieren, den Raum, in dem sie die Prüfung schreiben, rundum filmen oder mittels Webcam und Mikrofon die Prüfungssituation aufzeichnen. Die Auswertung erfolgt dann live oder durch Betrachten einer gespeicherten Aufzeichnung – entweder durch einen Mitarbeiter der Universität oder automatisch per KI.

Besonders umstritten sind Programme, die eine Überwachung in Echtzeit durch eine KI vornehmen und dabei Bewegungen und Geräusche der gefilmten Person analysieren. Dass sich dadurch so manch einer übermäßig observiert fühlt, liegt auf der Hand. Wer sich bereits bei einem kurzen nachdenklichen Blick durch das Zimmer eines Betrugsversuchs verdächtig fühlt – schließlich könnte die Software dann einen Spicker an der gegenüberliegenden Wand vermuten –, der kann sich verständlicherweise schlechter konzentrieren.

Universitäten haben nicht nur ein großes Interesse an, sondern eine Pflicht zur Gleichbehandlung der Studierenden, auch im Rahmen von Prüfungen. Der prüfungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit entspringt dem Grundgesetz, wie auch das Bundesverfassungsgericht bestätigt hat. Dieser Grundsatz setzt unter anderem voraus, dass jeder Prüfling zur Lösung einer Klausur nur die zugelassenen Hilfsmittel nutzt – das muss die Hochschule sicherstellen beziehungsweise prüfen. Doch auch Studierende sind vom Grundgesetz nicht schutzlos gestellt: Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hat ebenfalls Verfassungsrang. Wer gleiche Bedingungen will, muss sich überwachen lassen? So einfach ist das nicht.

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