c't 6/2020
S. 168
Praxis
Livestreaming-Software

Starthilfe

Livestreams mit Twitch Studio Beta

Spiele mit wenigen Klicks live ­streamen: Die Livestreaming-­Plattform Twitch will diesen Schritt mit einer eigenen Software noch ein­facher machen.

Von Liane M. Dubowy

Statt wie früher mit Freunden auf dem Sofa zu sitzen und den Controller herumzureichen, streamen viele Gamer heute ihr Spiel live und teilen den Spielspaß mit ihrer Community. Eine der beliebtesten und größten Plattformen für Livestreaming ist Twitch, das mit einem Chat und weiteren Funktionen den Aufbau des virtuellen Freundeskreises erleichtert. Außerdem ermöglicht die Plattform Gamern, mit ihrem Hobby Geld zu verdienen.

Livestreams sind tückisch: Guter Ton, flüssiges Bild ohne Artefakte und die richtige Qualität und Bildrate für den Stream sind nur ein paar der Faktoren, die Streamer in den Griff bekommen müssen. Die Konfiguration einer Streaming-Software wie OBS Studio ist allerdings nicht trivial. Mit einer eigenen Software will die Streaming-Plattform Twitch Einsteigern über die technischen Hürden hinweghelfen.

Noch ist Twitch Studio im Beta-Stadium, es steht allerdings unter https://twitch.tv/broadcast/studio schon frei zum Download bereit. Anders als die Konkurrenz OBS Studio gibt es Twitch Studio nur für Windows. Twitch Studio schickt nicht nur den Livestream zur Online-Plattform, sondern hilft dabei, zwischen verschiedenen Szenen umzuschalten. Dabei ist die Software genau auf die Plattform abgestimmt. Wir haben uns Twitch Studio Beta angesehen und zeigen, wie Sie damit schnell einen eigenen Stream einrichten.

Bitte einsteigen

Voraussetzung für das Streamen auf Twitch.tv ist nur ein kostenloser Account, den Sie vorab einrichten sollten. Wer nur sein Spiele ohne Kommentar überträgt, wird auf Twitch vergeblich auf Zuschauer hoffen, ein Mikrofon – und sei es nur das am Gaming-Headset – ist Pflicht. Eine Webcam ist ebenfalls dringend anzuraten.

Schließen Sie alle Geräte schon mal an Ihren Windows-Rechner an und sorgen Sie dafür, dass die aktuellsten Hardware-Treiber installiert sind. Im Test kam unter Windows 10 typische Game-Streamer-Hardware zum Einsatz: ein Auna-B900-USB-Mikrofon und als Webcam die Logitech C920 sowie C922.

Nach dem Start von Twitch Studio müssen Sie sich zunächst bei Ihrem Twitch-Konto anmelden, bevor Sie irgendetwas konfigurieren können.

Fast automatisch

Twitch Studio bringt einen Assistenten mit, der bei den wichtigsten Einrichtungsschritten hilft. Wie gut der Stream am Ende aussieht, hängt aber auch davon ab, wieviel Liebe Sie später ins Feintuning Ihrer Streaming-Szenen stecken. Mit „Los geht’s“ starten Sie die Konfiguration über den Assistenten; wollen Sie selbst Hand anlegen, bringt Sie „Setup überspringen“ direkt in die Einstellungen.

Zunächst will Twitch Studio das Mikro­fon einrichten. Sorgen Sie dafür, dass es vor Ihrem Mund ist und sprechen Sie ein paar Worte, dann sollten Sie einen grünen Ausschlag im Mikrofon-Setup sehen. Andernfalls wählen Sie über „Mikrofon wechseln“ das richtige Mikro aus. Über „Personalisieren“ können Sie die Aufnahme mit Filtern verbessern und beispielsweise mit der Rauschunterdrückung störende Hintergrundgeräusche ausblenden. Standardmäßig aktiv sind „Hintergrundgeräusche filtern“ und „Lautstärkeausgleich aktivieren". Letzteres sorgt dafür, dass die Audioaufnahme nicht zu laut wird, wenn Sie im Eifer des Gefechts einmal lauter werden. Sollen leise Geräusche nicht zu hören sein, können Sie mit der Option „Leise Geräusche filtern“ ein sogenanntes „Noise Gate“ einrichten. Diese Funktion ist nicht automatisch aktiv, denn falsch konfiguriert kann sie dafür sorgen, dass ganze Wortteile im Stream nicht zu hören sind. Sämtliche Audioeinstellungen können Sie auch später noch anpassen.

Testen Sie Ihr Mikrofon, indem Sie oben „Ins Mikrofon reinhören“ aktivieren und dann hinein sprechen. Sie sollten Ihre Stimme nun direkt über Ihre Kopfhörer oder Lautsprecher hören. Wie laut Ihre Stimme im Stream klingt, passen Sie über den Schieberegler an.

Der Konfigurationsassistent von Twitch Studio ­bietet alle verfügbaren Mikros zur Auswahl an. Verwenden Sie statt des Webcam-Mikrofons besser ein anderes wie etwa das Auna 900B.

Im nächsten Schritt konfiguriert der Assistent Ihre Webcam. Im Test wurde die Webcam automatisch erkannt, andernfalls wählen Sie sie aus dem Auswahlfeld aus. Direkt darunter zeigt die Software eine Vorschau. Über die Pfeile am Rand können Sie zwischen verschiedenen Effekten wählen. Ein Klick auf „Continue to Layouts“ bringt Sie zu drei vorkonfigurierten Stream-Layouts (eine Art Kameraeinstellung).

Szenenwechsel

Während des Streams können Sie per Klick oder Tastendruck zwischen verschiedenen Stream-Layouts wechseln. „Standard“ zeigt das Spiel im Vollbild und legt links unten ein kleines Webcam-Bild darauf. Das Layout „Gleich wieder da“ blendet eben diesen Text vor einem Hintergrundbild ein. Es kann während einer Kaffeepause eingeblendet werden, wenn Sie den Platz kurz verlassen möchten. Das Layout „Pause“ wiederum eignet sich für Wartezeiten, etwa bis sich die Lobby eines Multiplayerspiels füllt. Hier ist der Spielebildschirm klein links unten eingeblendet und das Webcambild nimmt zwei Drittel des Platzes in Anspruch.

Jedes Layout können Sie anpassen und außerdem eigene anlegen. Das geht sowohl im Assistenten als auch später noch. Im Assistenten klicken Sie dazu auf „Layouts anpassen“, später finden Sie die Einstellungen im Hauptfenster per Doppelklick auf ein Layout. Um ein neues Layout anzulegen, klicken Sie im Hauptfenster auf die Schaltfläche mit dem Pluszeichen.

Ein Layout besteht aus mehreren Ebenen. Überlappen sich Elemente, ist stets die oberste Ebenen sichtbar. Um ein Element im Layout zu bearbeiten, klicken Sie es links in der Leiste an, die möglichen Optionen zeigt Twitch Studio dann in einer Seitenleiste rechts. Für fast jedes Element können Sie einen Rahmen, dessen Dicke, Farbe oder Transparenz und Eckenrundung definieren. Über „Hintergrundbild“ links in der Leiste tauschen Sie bei Bedarf per Klick auf „Ändern“ die Grafik im Hintergrund aus. Bei Bedarf fügen Sie eigene Grafiken und Texte hinzu.

Wollen Sie etwa die Webcam ausblenden, fahren Sie mit dem Mauszeiger auf die Zeile „Webcam“ und klicken auf das Augensymbol, das dann erst sichtbar wird. Das funktioniert auch mit allen anderen Elementen.

Welches Spiel Twitch Studio zeigt, wählen Sie über „Spielaufnahme“ aus: Klicken Sie diesen Punkt an und dann rechts unter „Geklonte Eigenschaften“ auf „Bearbeiten“. Starten Sie zunächst das Spiel und klicken auf „Ändern“, dann taucht es in einer Liste der geöffneten Fenster auf. Alternativ entscheiden Sie sich hier für einen Monitor, allerdings sind im Stream dann auch Benachrichtigungen des Desktops zu sehen. Hier können Sie außerdem für jedes Layout „Alerts“ konfigurieren. Die kleinen Info-Fenster öffnen sich dann während des Streams und machen beispielsweise auf neue Follower und Abonnenten aufmerksam.

Gesicht zeigen

Viele Streamer zeigen im Livestream mit einer Webcam auch Ihr Gesicht. Markieren Sie in einer Szene „Webcam“, um die Kamera zu konfigurieren. Größe und Position legen Sie mit Koordinaten rechts in der Leiste fest oder durch Ziehen mit der Maus in der Vorschau. Wenn Sie hinter sich ein grünes Tuch (Greenscreen) aufhängen, können Sie über „Chroma-Key“ einen Grünfilter dafür hinterlegen und damit einen transparenten Hintergrund schaffen. Markieren Sie dazu das Webcam-Fenster und klicken Sie rechts auf „Chroma-Key bearbeiten“. Den passenden Grünton finden Sie per Klick auf „Auto-Detect Color“ oder indem Sie über das Farbfeld einen passenden Grünton wählen. Wenn Sie sich selbst im Bild noch sehen, der Hintergrund aber verschwunden ist, haben Sie den richtigen Farbton gefunden. In unserem Test war das #00CD00.

Green Screen: Twitch Studio kann ein ­grünes Tuch im Hintergrund ausblenden und sie so direkt vor Ihren ­Livestream setzen.

Flimmern die Umrisse noch oder fehlen Bildteile, nehmen Sie mit den Schiebereglern „Ähnlichkeit“, „Edge Transparency“ und „Edge Color Correction“ weitere Feineinstellungen vor. Sollte auch das nichts helfen: Der Green-Screen-Stoff sollte möglichst glatt liegen und muss gut und gleichmäßig ausgeleuchtet sein.

Übervorsichtig

Im letzten Schritt schlägt der Assistent passende Stream-Einstellungen vor, wählt diese aber sehr konservativ. Obwohl die App im Test häufig 720p60 vorschlug, hatten wir zuvor bereits regelmäßig erfolgreich mit 1080p und 60fps gestreamt. Wer eine höhere Auflösung oder mehr Frames versuchen möchte, kann diese über „Einstellungen anpassen“ versuchsweise einstellen und die App mit „Wiederholen“ erneut testen lassen. Verläuft der Test positiv, können Sie die Einstellungen mit „Fertig“ übernehmen.

Wer nochmal komplett von vorn anfangen will, kann den Assistenten über „Datei/Einstellungen/App zurücksetzen“ nochmal neu aufrufen. Dabei bleibt lediglich das Login bei Twitch erhalten.

Sehr konservativ: Selbst bei schneller Internetleitung und flotter Hardware schlägt Twitch Studio nur einen 720p-Stream vor, findet aber später im Test nichts an 1080p auszusetzen.

Aufnahme

Wer nicht direkt live gehen will, kann die Einstellungen erst einmal mit einer Aufnahme testen. Dazu wählen Sie statt ­„Stream starten“ über den Pfeil daneben „Video aufnehmen“. Dann können Sie in Ruhe beurteilen, ob das Webcam-Bild korrekt sitzt, der Greenscreen gut konfiguriert ist und die Audio-Einstellungen passen. Standardmäßig zeichnet Twitch Studio in FLV auf, alternativ steht MP4 zur Wahl.

Allerdings verwendet Twitch Studio für die Aufnahme dieselben Einstellungen wie fürs Streaming, was je nach Spiel zu starken Artefakten führen kann. Wer mal das eine, mal das andere macht, muss also jedesmal umkonfigurieren und hat wenige Optionen zur Wahl. Sollen Videos für YouTube produziert werden, ist daher eine Software wie OBS, die getrennte Einstellungen für Aufnahme und Stream vorsieht, die bessere Wahl.

Und live!

Sind alle Stream-Layouts nach Wunsch, können Sie live gehen. Vergeben Sie über die Einstellungen Tastenkürzel für den Wechsel zwischen den Szenen und das Starten und Stoppen des Streams, dann müssen Sie nicht viel herumklicken. Wählen Sie dann das Layout aus, das gleich zu sehen sein soll und klicken Sie auf „Stream starten“. Prüfen Sie hier noch einmal das Layout und werfen Sie einen Blick auf die Zeile darunter: Hier sehen Sie den ­Stream-Titel. Klicken Sie darauf, um ihn anzupassen und wählen Sie unter „Kategorie“ die passende Stream-Kategorie (beispielsweise Ihr Spiel). Mit „Weiter“ und „Live gehen“ sind Sie dann live und in Farbe auf Twitch zu sehen. (lmd@ct.de)

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