c't Extra 2020
S. 18
Titel
IBM-PC
Mit freundlicher Unterstützung von Axel Ehrich

Das PC-­Märchen

Der IBM PC: ein Erfolg des „dreckigen Dutzend“ – und des IBM-Chefs

„The Dirty Dozen“, das dreckige Dutzend, so nannte man bei IBM das Team, das den IBM PC 5150 entwickelte. Über ihr ­Produkt mit dem Codenamen Acorn und dessen legendären Erfolg wurde schon unendlich viel berichtet. Aber weniger, wie es dazu kam und welche Leute dahinter steckten, was IBM vorher schon auf dem Gebiet des Personal Computers getan hat oder wie viele Ideen von einer kleinen ­Klitsche namens Apple stammen.

Von Andreas Stiller

Dass man dem frechen Emporkömmling Apple etwas entgegensetzen sollte, war dem IBM-Management Ende der Siebzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts klar. Der Markt für PCs lag 1979 bei 300 Millionen Dollar mit hohen prognostizierten Wachstumszahlen; da wollte man schon irgendwie mitmischen.

Genau in die Phase kam im Juli 1980 das Angebot von der damals zum Time-Warner-Konzern gehörenden Atari Inc., exklusiv für IBM einen Homecomputer zu designen. Ein paar Jahre vorher hatten sogar mal die Apple-Gründer Steven Wozniak und Steve Jobs kurze Zeit für Atari gearbeitet. Dabei entwickelten sie für die Firma das berühmte und bis heute beliebte Spiel Breakout – zunächst komplett in Hardware. Ende der Siebzigerjahre waren dann die Atari 400 und 800 beliebte Heimcomputer und Spielkonsolen.

Das Angebot unterbreitete Atari direkt dem IBM-Chef Frank T. Cary. Von dem war bekannt, dass ihm nicht nur die großen, erfolgreichen 360- und 370-Systeme am Herzen lagen, sondern dass er sich auch für Kleinsysteme erwärmen konnte – wobei „Kleinsysteme“ bei IBM damals zumeist noch in anderen Dimensionen schwebten als Homecomputer.

Cary blieb als IBM-CEO in der über 100-jährigen Geschichte des Konzerns immer etwas blass – zu Unrecht, denn er gehörte zu den erfolgreichsten. In seiner achtjährigen Amtszeit von 1973 bis 1981 ist die jährliche Umsatzsteigerung nicht ein einziges Mal unter 8 Prozent geblieben, oft war es wesentlich mehr. Sowas hatten nicht einmal die legendären IBM-Chefs Watson Sr. und Jr. geschafft. Und in den letzten 20 Jahren ist IBM ja froh, ­überhaupt mal eine Umsatzsteigerung vorweisen zu können … Ohne Cary jedenfalls wäre der IBM-PC wohl niemals entstanden.

IBM-Chef Frank T. Cary, hier vor dem sehr erfolgreichen Prunkstück IBM 370, war auch ein Freund kleinerer Systeme. Ohne ihn wäre der IBM PC wohl nie entstanden.
Bild: IBM

Die sonstige IBM-Führungsriege war wesentlich konservativer als der Chef und befand ein in Auftrag gefertigtes System mit lediglich draufgeklebten Logos der großen IBM für unwürdig: „the dumbest thing we’ve ever heard of“.

Die Revolution

Doch Cary befragte den Manager der Entry Level Systems Division, Bill Lowe, der im weit entfernten Entwicklungszentrum in Boca Raton, Florida, arbeitete. Der empfahl zunächst, doch einfach Atari zu kaufen, meinte dann aber, IBM könne auch ein eigenes System entwickeln. Darauf Cary: „Himmel nein, das würde bei IBM vier Jahre dauern und 300 Leute benötigen.“ Lowe: „Nein, Sir, das könnten wir in einem Jahr hinkriegen, wenn wir von üblichen IBM-Pfaden und -Regularien abweichen dürfen.“ Und dann kam der schnelle Entschluss von Cary: „Klingt gut, mach einen Vorschlag und wir sprechen in zwei Wochen darüber, was du brauchst.“

Und Lowes Vorschläge waren für IBM geradezu revolutionär: offene Architektur, keine IBM-Technologie, keine IBM-Software, keine IBM-Sales, keine IBM-Services.

CEO Cary stand voll hinter Lowes Plänen, aber man musste noch das konservative Corporate Management Committee (CMC) und den Präsidenten John Opel mit ins Boot holen. Man einigte sich zunächst darauf, dass Lowe ein kleines Team zusammenstellen sollte, das in wenigen Wochen ein tragfähiges Konzept und einen Prototypen entwickeln und vorstellen solle.

Lowe wusste natürlich, dass er auf zwei Top-Hardware-Entwickler in seinem Team bauen konnte: William (Bill) Sydnes und Lewis Eggebrecht, denen so ein Design in kürzester Zeit zuzutrauen war. Aber um einem Elefanten beizubringen, einen Stepptanz aufzuführen, braucht man noch andere Qualitäten. „IBM bringing out a personal computer would be like teaching an elephant to tap dance“ – so hatte es jedenfalls zuvor ein Analyst geschrieben.

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