c't 26/2020
S. 178
FAQ
ATX12VO

FAQ

Netzteilstandard ATX12VO für PCs

Die moderne Alternative zur ATX-Spezifikation arbeitet ausschließlich mit 12 Volt. 3,3 und 5 Volt fallen im Netzteil weg, wodurch Desktop-PCs bei Teillast wesentlich sparsamer werden.

Von Christian Hirsch

Vorteile von ATX12VO

Warum wurde überhaupt ein neuer Netzteilstandard entwickelt, bisherige ATX-Netzteile und -Mainboards funktionieren doch?

Hauptziel bei der Entwicklung von ATX12VO war es, den Energiebedarf von Desktop-PCs bei Teillast zu reduzieren. Viele Länder haben Regelungen für den Stromverbrauch von Elektrogeräten erlassen, um den weltweiten CO2-Ausstoß zu verringern. Weil in Kalifornien in rund einem halben Jahr weitere Verschärfungen in Kraft treten, die mit bisheriger Technik von vielen Rechnern nicht eingehalten werden können, hat Intel den neuen Netzteilstandard ATX12VO definiert.

Dieser legt unter anderem fest, dass die Wandler für 3,3 und 5 Volt auf das Mainboard wandern und das Netzteil ausschließlich 12 Volt liefert (ATX12VO: ATX 12 Volt only). Bisherige ATX-Netzteile müssen hingegen auf der 3,3- und der 5-Volt-Schiene Ströme im zweistelligen Ampere-Bereich liefern können, obwohl moderne Hardware davon kaum noch Gebrauch macht. Das sorgt dafür, dass PC-Netzteile bislang bei geringer Last vergleichsweise ineffizient arbeiten.

Damit der Vorteil von ATX12VO auch in der Praxis ankommt und nicht durch qualitativ schlechtere Bauteile verpufft, müssen die Netzteilhersteller striktere Mindestwerte beim Wirkungsgrad er­füllen als bisher. Sie liegen etwa 15 bis 20 Prozent höher und entsprechen nun ungefähr den Werten von 80Plus Bronze. Zusätzlich gibt es Mindestanforderungen bei 10 Watt beziehungsweise 2 Prozent der Netzteilnennleistung (siehe Tabelle).

Effizienzvorgaben für ATX12VO-Netzteile
Lastpunkt Wirkungsgrad
100 % 82 %
50 % 85 %
20 % 82 %
Leistungsklasse <400 Watt
10 Watt 75 %
Leistungsklasse 400–500 Watt
10 Watt 72 %
Leistungsklasse >500 Watt
2 % 72 %

Kompatibilität mit älterer Hardware

Wird es Adapter geben, um ein ATX-Board an einem ATX12VO-Netzteil zu betreiben und umgekehrt?

Nein, das ist nicht möglich, denn die unter anderem fürs Einschalten des Rechners notwendige Standby-Spannung unterscheidet sich bei beiden Standards. „12 Volt only“ gilt für sämtliche Leitungen vom Netzteil. Bei der klassischen ATX-Norm arbeitet die Standby-Spannung hingegen mit 5 Volt. Deshalb lassen sich ­ATX12VO-Mainboards ausschließlich an ATX12VO-Netzteilen betreiben.

Neue Stromstecker

Gibt es bei ATX12VO weiterhin den 24-poligen ATX-Stromanschluss am Mainboard?

Nein, dieser wird durch zwei kleinere Stecker im gleichen Rastermaß von 4,2 Millimetern ersetzt. Direkter Nachfolger ist der zehnpolige Main Power Connector, der bis zu 288 Watt überträgt. Zudem enthält er Leitungen für 12 Volt Standby sowie für die Signale für „Power Switch On“ (PS_ON) und für „Power OK“ (PWR_OK).

Für Mainboards mit mehreren PEG-­Steckplätzen oder USB-Ports mit Power Delivery sieht ATX12VO bei Netzteilen den „Extra Board Connector“ vor, der identisch mit dem sechspoligen PEG-­Stromstecker für Grafikkarten ist. Dieser ist ebenfalls für bis zu 288 Watt Leistung spezifiziert. Unverändert vom ATX-Standard wurde hingegen der vier- beziehungsweise achtpolige CPU-Stromanschluss (ATX12V/EPS12V) übernommen, der schon seit 20 Jahren die Wandler­phasen für die Prozessorkernspannung auf dem Mainboard mit 12 Volt beliefert.

Der bisherige 24-polige Mainboard-­Stromstecker (rechts) schrumpft bei ATX12VO auf zehn Kontakte sowie einen sechspoligen PEG-Stecker zusammen.

Aufrüsten von ATX12VO-Rechnern

Reicht die Leistung der neu auf dem Mainboard hinzugekommenen 3,3- und 5-V-Wandler für mehrere Erweiterungskarten überhaupt aus, beispiels­weise wenn es sich um eine USB-Controller­-Karte mit mehreren Ports handelt?

Hier ändert sich weniger als man ­zunächst vermuten könnte. PCI-Express-Steckplätze sind seit Anfang an lediglich für Versorgungsspannungen von 3,3 und 12 Volt spezifiziert. Eine USB-Controller-Karte muss also bereits jetzt mit einer Wandlerschaltung ausgestattet sein, die aus 12 Volt die für USB notwendigen 5 Volt erzeugt.

Typische PCIe-Karten dürfen über den Slot auf der 12-Volt-Leitung bis zu 2,1 Ampere (25 Watt) und auf der 3,3-­Volt-Schiene maximal 3 Ampere (10 Watt) beanspruchen. Kombiniert gilt eine Maximalleistung von 25 Watt. Für die auch als PEG-Slots bezeichneten Grafikkartensteckplätze gilt ein höheres Limit von 75 Watt (5,5 A bei 12 V). Weil die 12 Volt vom Netzteil kommen und das Mainboard diese nur durchleitet, müssen ATX­12VO-Boards also lediglich genug Leistung für die 10 Watt pro Slot auf der 3,3-Volt-­Schiene liefern. Das ist problemlos machbar.

PCIe-Karten mit mehr als 75 Watt Energiebedarf wie Grafikkarten beziehen ihren Strom über sechs- und achtpolige Zusatzstecker direkt vom Netzteil. Da diese ausschließlich mit 12 Volt arbeiten, ändert sich bei ATX12VO im Vergleich zu klassischen ATX-Systemen nichts.

SATA-Strom vom Mainboard

Wenn das Netzteil keine Spannungen für 3,3 und 5 Volt bereitstellt, wie erhalten Festplatten und 2,5"-SSDs bei ATX­12VO-Systemen Strom?

Diese Spannungen erzeugt stattdessen das Mainboard. Deshalb gibt es dort neue Stecker, von denen die SATA-Kabelstränge starten. ATX12VO führt dafür zwei unterschiedliche Steckverbinder ein: Eine vierpolige Variante stellt bei 12 Volt bis zu 5 Ampere und bei 5 Volt knapp über 2 Ampere bereit, was für zwei SATA-Laufwerke reicht. Eine sechspolige Version mit einem zusätzlichen Leitungspaar für 12 Volt verdoppelt die Zahl der SATA-Stromanschlüsse an diesem Strang auf vier.

Verwechslungsgefahr mit den CPU- und PEG-Stromsteckern ist dabei ausgeschlossen, denn es kommt ein kleineres Rastermaß von 3 statt 4,2 Millimetern zum Einsatz. In der Praxis werden die Mainboards je nach Zahl der vorhandenen SATA-Ports mit mehreren Anschlüssen und Kabelsträngen ausgeliefert. Das Asrock Z490 Phantom Gaming 4SR ist beispielsweise mit zwei vierpoligen Anschlüssen für insgesamt vier Laufwerke ausgerüstet.

Die AX12VO-Spezifikation erlaubt zudem auch klassische Molex-Stecker am Netzteil, allerdings wiederum ausschließlich mit 12 Volt. Sie eignen sich deshalb nicht zum Anschluss von Laufwerken, sondern lediglich für Gehäuselüfter, Wasserpumpen oder LED-Leuchtelemente.

Weil der SATA-­Stromanschluss auch eine 5-Volt-­Leitung enthält, muss bei ATX­12VO das Mainboard die Stromstecker für Festplatten und SSDs bereitstellen. Der vierpolige Anschluss beliefert je zwei SATA-­Geräte.

12-Volt-Technik: Ein alter Hut?

Was ist das Neue an ATX12VO, so etwas gibt es doch schon längst? Ich habe hier schon seit einigen Jahren einen Büro-PC von Fujitsu im Einsatz, bei dem das Netzteil ausschließlich 12 Volt ans Mainboard liefert.

Da haben Sie recht. Selbstverständlich gibt es schon seit vielen Jahren Komplett-PCs die mit 12-Volt-only-Technik arbeiten. Allerdings waren das alles Systeme mit proprietären Netzteilen und Mainboards. Dadurch war man bei Defekten immer auf den jeweiligen Hersteller angewiesen und es gab kaum Auswahl an kompatiblen Ersatzteilen. Bei ATX12VO handelt es sich hingegen um einen von Intel entwickelten, offen gelegten Standard. Das sorgt für geringere Kosten, weil man Netzteil und Boards verschiedener Hersteller miteinander kombinieren kann und erlaubt dadurch prinzipiell auch den Einsatz in selbst gebauten PCs.

Lebensdauer von Mainboards

Bei ATX12VO-Boards sitzen die Spannungswandler auf dem Mainboard. Bei einem Defekt muss ich also das teurere Mainboard anstatt dem günstigeren Netzteil ersetzen, ist das nicht kontra­produktiv?

Auch auf Mainboards im bisherigen ATX-Standard sitzen bereits eine Menge Spannungswandler, zum Beispiel für Prozessor, den Arbeitsspeicher sowie diverse Chips, die andere, geringere Spannungen anstelle von 3,3, 5 und 12 Volt benötigen. Nach unseren Erfahrungen haben die Wandlerschaltungen schon seit vielen Jahren eine solch hohe Qualität, dass sie ein typisches PC-Leben von sieben und mehr Jahren ohne Ausfall überstehen.

ATX12VO statt ATX

Wie schnell wird ATX12VO bisherige ATX-Hardware ablösen?

Die Frage kann zum jetzigen Zeitpunkt niemand genau beantworten. Zuerst wird es ATX12VO wohl in Komplettsystemen großer Hersteller geben. Diese stehen zumeist als Büro-PCs in Firmen, wo sich der größte Spareffekt durch die höhere Effizienz bei niedrigen Lasten ergibt. Ab 1. Juli 2021 gelten in Kalifornien strengere Richtlinien für den Energie­bedarf elektrischer Neugeräte (CEC Tier 2), weshalb wohl zu Beginn vor allem global vertretene PC-Hersteller wie Acer, Asus, Dell, HP und Lenovo solche Rechner anbieten werden.

Für PC-Bastler wird es wohl noch lange Zeit Hardware mit klassischer ATX-Technik geben. Zwar kooperieren Netzteilhersteller wie Channel Well, Cooler Master, Corsair, Delta, FSP, High Power und Sea Sonic mit Intel, und Asrock hat mit dem Z490 Phantom Gaming 4SR bereits das erste ATX12VO-Board vorgestellt. Wann Netzteile und Mainboards mit dem neuen Standard einzeln erhältlich sein werden, ist aber noch unklar. (chh@ct.de)

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