c't 25/2020
S. 16
Aktuell
Macbooks mit Apple-Prozessoren

Unabhängigkeitstag

Erste Macs mit ARM-Prozessoren: Wie Apple den Mitbewerb und Intel abhängen will

Seit Mitte November liefert Apple drei neue Macs mit dem selbst entwickelten M1-Prozessor aus und verschmäht Intel. Dabei müsste Apple unter den Herstellern von Prozessoren für Notebooks und PCs als Lehrling gelten. Doch erste Analysen ­belegen das Gegenteil: Der neue M1 dürfte die Macs ­tatsächlich beflügeln.

Von Dušan Živadinović

Nicht weniger als die „weltbeste CPU-­Leistung pro Watt“ verspricht Apple für seinen ersten Computerprozessor, den M1. Er gründet wie alle Apple-Prozessoren auf der ARM-Architektur und steckt in den beiden neuen Notebooks MacBook Air und MacBook Pro mit 13-Zoll-Displays sowie im Desktop-Winzling Mac mini. Alle drei sind seit Mitte November erhältlich. Die übrigen Macs will Apple innerhalb von zwei Jahren auf seine ARM-Chips umstellen und sich so vom CPU-Lieferanten Intel unabhängig machen.

Die ARM-Architektur gilt generell als sehr effizient. Bei gleicher Leistung nehmen ARM-CPUs weniger Strom auf als Intel- oder AMD-Prozessoren. Nur erwächst das ARM-Konzept nicht in jedermanns Händen zu Intel- oder AMD-­Killern. Bei Qualcomms, Microsofts und Googles ARM-Bemühungen hält bisher niemand den Atem an. Aber Apples Beispiel könnte weitere Computerhersteller auf verwegene Ideen und die Branche in Turbulenzen bringen. Mehr dazu lesen Sie auf Seite 44.

Warum die ARM-Plattform attraktiv sein kann, demonstrierte Apple bei der Vorstellung der neuen Macs: Im M1-Chip stecke die „weltschnellste integrierte ­Grafikeinheit“, erklärten Mitarbeiter, und je nach Benchmark-Disziplin und Mac-­Modell rechnet der M1 „drei bis sechs Mal schneller“ als die älteren Intel-CPUs der Vorgängermodelle. Gegenüber dem „jüngsten Notebook-Chip des Mitbewerbs rechnet er doppelt so schnell“ und „für die Maximalleistung“ des ungenannten Vergleichs-Chips wendet der M1 nur ein Viertel der Energie auf. All das lässt an die Erfolge bei der Chip-Entwicklung für Smartphones denken; Apples iPhone-Chip A14 hat die Android-Smartphones deutlich abgehängt.

Versprechen wahrgemacht: Apple setzt nun auch in seinen Macs hauseigene Chips auf ARM-Basis ein. Sie locken daher auch mit iPhone-Features wie umgehendem Aufwachen (Instant-on).
Bild: Apple

Was wirklich stimmt

Nur: Wie viel davon wirklich stimmt und wie der M1 die Leistungszunahmen erreichen soll, daraus möchte Apple ein Geheimnis machen. Deshalb haben wir einige Puzzle-Stücke zusammengefügt und diese ergeben spannende Erkenntnisse.

Dabei müssen Apple und die Fan-­Gemeinde zunächst zwei Dämpfer hinnehmen: Genau besehen sind die Leistungszunahmen gegenüber den Vorgängern nicht gar so hoch wie sie klingen, denn Apple vergleicht nicht mit den aktuellen Intel-CPUs. Beispielsweise steckt im Intel-basierten Mac mini eine x86-CPU der vorletzten Generation.

Auch die Akkulaufzeiten erscheinen zunächst hervorragend: Das MacBook Air soll bis 18 Stunden pro Akkuladung laufen, das MacBook Pro bis zu 20 Stunden. Die Vorgänger kommen nur auf zehn bis elf Stunden. Tatsächlich liefern die M1-Macs aber übliche Werte; Langlaufspezialisten anderer Notebook-Hersteller kommen sogar auf 40 Stunden, wenn auch bei höherem Gewicht und Preis.

Trotzdem hat Apple eine beeindruckende CPU geschaffen. Das legt schon die Leistung des iPhone-Chips A14 nahe, der Grundlegendes mit dem M1 gemeinsam hat. In manchen Single-Core-Messungen schlägt der A14 sowohl den AMD Ryzen 9 5950X (Zen 3) als auch den Intel Core i7-1185 G7 (Tiger Lake).

Beide, sowohl der A14 als auch der M1, gründen auf der ARM64-Architektur und sind im fortschrittlichen 5-Nano­meterprozess gefertigt. Schon der A14 vereint mit CPU, GPU und KI-Einheit (Neural Engine) mehrere Funktionseinheiten. Auf dem Multi-Die des M1 sind es noch mehr: I/O-Einheit, PCI-Express-Bus, T2-Security-Engine, Thunderbolt-Controller mitsamt USB 4 und das RAM. So kommen im M1 rekordverdächtige 16 Milliarden Transistoren zusammen. Weil die einzelnen Elemente über einen Kreuzverbund (Fabric) miteinander kommunizieren und sich darüber auch das RAM teilen (Unified Memory), fällt der übliche, aber lang­samere Datenaustausch per DMA-Transfer weg. So ähnlich sind auch moderne AMD-Prozessoren konzipiert.

Die M1-CPU besteht aus acht Kernen, vier davon takten schnell (Firestorm), vier sind stromsparend ausgelegt (Icestorm); im A14 stecken nur zwei schnelle und vier sparsame Kerne. Die GPU hat maximal acht Kerne, beim A14 sind es nur vier. Die KI-Einheit besteht aus 16 Kernen. Taktraten verrät Apple zwar nicht, aber unabhängige Labors (z. B. von TechInsights) bescheinigen den schnellen A14-Kernen bis zu 3 GHz und den stromsparenden bis zu 1,8 GHz. Weniger wird es beim M1 kaum sein.

Cache-Kunst

Unerwartet groß fallen die Caches des M1 aus (siehe Grafik). Gegenüber denen von x86-CPUs fallen die L1-Caches sogar riesig aus. Auch greifen alle Kerne zusammen auf einen großen L2-Cache zu. Darin dürfte einer der Gründe für dessen hohe Leistung liegen. Diverse weitere Funktionen sind für zahlreiche parallele Berechnungen mit kurzen Latenzen ausgelegt (Translation Lookaside Buffer, Out-of-Band-Fenster usw.). Zusammenfassend kann man sagen: Apple hat im ARM-Konzept etliche Flaschenhälse gefunden und diese weit aufgebohrt.

Warum es Apples ARM-Chips mit Intel und AMD aufnehmen können, leuchtet ein, wenn man die ­riesigen Caches sieht.
Bild: Apple

Neues Innenleben

Äußerlich sehen die M1-Macs wie die Vorgänger aus. Aber weil der M1 viele Funktionseinheiten vereint, fallen die Hauptplatinen kleiner aus als bei Vorgängern. Deshalb hat Apple das Innenleben der Geräte neu gestaltet. Der gewonnene Platz kommt zum Beispiel großzügigeren Kühlsystemen zugute.

Alle drei Modelle sind in der Grundausstattung mit 8 GByte RAM erhältlich, optional mit 16 GByte für saftige 224 Euro Aufpreis. Über Thunderbolt lassen sich externe 6K-Displays anschließen, aber keine externen eGPUs. An Bord sind erstmals Bluetooth 5 und Wi-Fi 6 (WLAN gemäß der IEEE-Norm 802.11ax). Offen ist, wie viele MIMO-Streams das WLAN-­Modul verdaut. Den maximalen Durchsatz gibt Apple mit 1,2 GBit/s an.

Der Mac mini kostet in der Einstiegsversion mit 256 GByte Festspeicher (SSD) und 8 GByte RAM 779 Euro, mit 512 GByte Speicher 1003 Euro. Mit der Außenwelt kommuniziert der kleine Teewärmer über zwei USB-A-Ports, zwei Thunderbolt-4-­Ports in USB-C-Ausführung, HDMI 2.0 sowie Gigabit-Ethernet.

Das MacBook Air ist etwas schwächer bestückt als das MacBook Pro. Das Air-­Modell führt die Abwärme nur passiv ab, also lüfterlos und daher langsam. Deshalb kann es Spitzentaktfrequenzen nur kurz nutzen. Den Prozessor des MacBook Pro kühlt hingegen ein Lüfter, sodass der M1 länger unter hoher Last läuft. Die Displays beider Geräte lösen 2560 × 1600 Pixel auf. Das Display des Air-Modells erreicht 400 cd/m2 Helligkeit, das der Pro-Version 500. Beide MacBooks lassen sich per Fingerabdruck entsperren (Touch ID). Deren FaceTime-­Kameras liefern einen besseren Dynamikumfang, wenn auch weiterhin nur mit 720p-­Auflösung. Das Pro-Modell schmückt am oberen Tastaturrand eine Funktions-­LED-Zeile (Touch Bar). Beim Air-Modell sind dort Funktionstasten angebracht. Im MacBook Pro steckt ein geringfügig größerer Akku (58 Wattstunden gegenüber 50).

Das preisgünstigste MacBook Air kostet mit schmalen 256 GByte Festspeicher sowie sieben GPU-Kernen 1101 Euro. Mit acht Kernen und 512 GByte Speicher sind 1364 Euro fällig. Das MacBook Pro 13" kostet mit einer 256-GByte-SSD 1412 Euro, mit 512 GByte 1637 Euro. Gegen deftigen Aufschlag sind alle drei M1-Macs mit 1- oder 2-TByte Speicher erhältlich.

Klarer Wechselkurs

Damit der CPU-Wechsel ein Erfolg wird, müssen Entwickler jede Menge Software neu kompilieren. Normalerweise ist das eine Sisyphusarbeit. Doch Apple hat auf seiner Entwicklerkonferenz WWDC versprochen, dass die meisten Programme kaum Änderungen brauchen. Erste Tests mit dem quelloffenen Programm CotEditor haben das bestätigt; die Software ließ sich sogar ohne jegliche Code-Änderung für Apples Chips kompilieren.

Doch das gilt nicht für Programme, die für aufwendige Berechnungen wie das Videokodieren auf spezielle Befehle der x86-Prozessoren zurückgreifen. Die bringt der M1 zwar auch mit, aber eben anders implementiert. Deshalb dürfte der Aufwand für Programme wie Adobe Photoshop oder für Audio-Workstations deutlich größer sein. Einige große Software-­Suiten, darunter Adobe Lightroom, stehen aber kurz vor Fertigstellung oder sind seit dem ebenfalls Mitte November erschienenen neuen macOS Big Sur für M1-Macs erhältlich. Ohne Anpassung müssen die Intel-Programme über die Emulation Rosetta 2 ausgeführt werden. Ähnliches bot Apple schon 2006 bei seinem Umstieg von der PowerPC-Plattform auf Intel.

Insgesamt wiederholt Apple die Konzepte, die sich bei vorherigen Wechseln der CPU-Plattform bewährt haben. Einige Mac-Interessenten scheinen das schon zu goutieren: Die Lieferfristen für manche der neuen Modelle musste Apple wegen hoher Nachfrage schon kurz nach dem Start der Bestellannahme von ursprünglich wenigen Tagen auf mehrere Wochen verlängern. (dz@ct.de)

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