c't 25/2020
S. 3
Standpunkt

Lieferengpässe: Die Karten, bitte!

Der Fahrplan für den Hype-Train steht meist schon Monate im Voraus fest: Ab einem vorgege­benen Datum X darf die Presse einige Details zum neuen Produkt veröffentlichen, wenige Tage später (Y) folgt – vor allem für die YouTube-­Influencer – die Unboxing-Erlaubnis. Schließlich ­dürfen zu Termin Z erste Tests bei ausgewählten Medien erscheinen.

Dann ist endlich Verkaufsstart und die verzückten Fans wollen bestellen. Aber wo? Fast überall sind die Produkte ausverkauft oder noch nicht mal angekommen. Die wenigen Händler, die Bestände haben, verlangen gesalzene Aufpreise. Profiteure verkaufen ergatterte Exemplare auf eBay. Preispunkt? "Ich könnte eine Niere verkaufen …"

Störung auf der Strecke, der Hype-Train macht eine Vollbremsung.

Derlei Störungen im Betriebsablauf gab es schon bei vielen namhaften Herstellern, regelmäßige c’t-Leser werden im Beispiel aber Nvidia ­erkennen. Deren GeForce RTX 3080 beispielsweise ist zwei Monate nach Verkaufsstart immer noch kaum zu bekommen, es sei denn, man zahlt mindestens 1000 Euro, also 300 Euro mehr als den empfohlenen Verkaufspreis. Nvidia-CEO Jensen Huang räumt ein, dass sich die Liefersituation erst im Frühling 2021 bessern soll. Nvidia hat sich wohl bei Samsungs Chip-Herstellungskapazitäten verschätzt – oder wollte auf Teufel komm raus weit vor AMD neue Produkte vorstellen.

Es ist verständlich, dass Hersteller der Konkurrenz zuvorkommen wollen, um sich die Aufmerksamkeit der Kunden zu sichern. Letztlich schaden sie sich aber selbst, wenn Fans frustriert sind, weil sie leer ausgehen. Schlimmstenfalls drängt man potenzielle Käufer sogar in die Arme der Konkurrenz, die zwar später am Start ist, dafür aber liefern kann. Ob das für AMD und seine neuen Radeons gilt (siehe S. 48)? Ich weiß es nicht. Doch wenn ja, reibt sich Lisa Su gerade die Hände.

Benjamin Kraft

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