c't 12/2020
S. 116
Wissen
Campusnetze
Bild: Henning Rathjen

Fabrikfunk

Mobilfunk-Campusnetze: Entscheidungsfindung, Planung, Betrieb

Erstmals können Fabriken und ­Institute ihre WLAN-gestützten Infrastrukturen mit einem lokalen Mobilfunknetz ergänzen und so ihre Produktion optimieren. Doch wer braucht ein solches Campusnetz und wie konzipiert man es?

Von Dr. Torsten Musiol und Dušan Živadinović

Jahrelang haben vor allem große Unternehmen ein separates Funkband für die Vernetzung ihrer Produktionsanlagen gefordert. Im Herbst 2019 hat die Bundesnetzagentur endlich einen 100 MHz breiten Block zwischen 3,7 bis 3,8 GHz speziell für Campusnetze reserviert. Firmen, die ein solches Band schon länger gefordert hatten, planen längst, ihre Produktion damit aufzurüsten.

Vielen Unternehmen ist aber noch unklar, worin genau die Vorteile eines Mobilfunk-Campusnetzes liegen, denn sie verwenden für viele Prozesse schon längst das etablierte und preisgünstige WLAN als Campusnetz. Je nach Anwendung kann man mit WLAN aber schnell an Grenzen stoßen.

Wir fassen daher zunächst die prinzipbedingten WLAN-Nachteile zusammen, damit Sie anhand Ihrer Anforderungen entscheiden können, ob Ihnen ein mobilfunkgestütztes Campusnetz weiterhilft. Anschließend beschreiben wir Planungsstrategien für den Aufbau sowie grundlegende Alternativen zur Verwaltung des Netzes.

Ausgangspunkt WLAN-Schwächen

Die WLAN-Konzepte sind einige Jahrzehnte alt. Ursprünglich ging es den Entwicklern nur darum, IP-Pakete über ein von Ethernet abgeleitetes Funkmedium zu übertragen. Das erkennt man daran, dass ein WLAN-Access-Point wie eine Ethernet-Bridge arbeitet und besonders, weil der Zugriff der Geräte auf den Funkkanal zufallsgesteuert erfolgt (Carrier Sense Multiple Access/Collision Avoi­dance, CSMA/CA).

Das hat weitreichende Folgen:

  • WLAN-Geräte können Pakete nicht innerhalb fester Fristen zustellen. Diese sind zum Beispiel für die Steuerung von Fertigungsrobotern erforderlich, etwa um sie umgehend anhalten zu können, falls ein Mensch einen Gefahrenbereich betritt.
  • Man kann unterschiedlichen WLAN-Geräten keine festen, aber unterschiedlichen Geschwindigkeiten zuweisen (z. B. 30 MBit/s für einen USB-Stick und 50 MBit/s für ein Tablet). Allenfalls lassen sich Datenpakete von bestimmten IP-­Diensten bevorzugt gegenüber anderen behandeln (zum Beispiel Voice-over-IP vor Webzugriffen). Aber das schließt nicht aus, dass mit WLAN das eine oder andere Paket zu spät oder gar nicht am Ziel ankommt. Beides sind Ausschlusskriterien für Prozesse mit harten Anforderungen an Übertragungsfristen und hohe Zuverlässigkeit.
  • WLAN-Geräte funken generell munter durcheinander, so wie sie gerade eine freie Sendelücke erwischen. Je mehr WLAN-­Geräte im Netz sind, desto wahrscheinlicher sind Kollisionen von Datenpaketen und desto länger muss jedes einzelne warten, bis es eine Lücke findet – die Effizienz lässt also umso stärker nach, je mehr Nutzer eine Basisstation versorgen soll.
  • Ein nahtloser Zellenwechsel ist mit WLAN grundsätzlich nicht möglich (seamless handover). Das verhindert auf großen Geländen beispielsweise den Einsatz in autonomen Fahrzeugen.

Diese konzeptionellen Nachteile ziehen sich bis hin zur heute verbreiteten WLAN-­Spezifikation IEEE 802.11ac durch. Hinzu kommen regulatorische Grenzen: Aufgrund der Sendeleistungsbestimmungen ist für die vollständige Abdeckung großflächiger industrieller Bereiche (mehrere Quadratkilometer) oft eine Vielzahl von WLAN-Access-Points erforderlich, denn sie dürfen nur mit Sendeleistungen bis 0,1 Watt (100 mW) funken und decken so bei Sichtverbindung rund 300 Meter ab, in Gebäuden nicht mehr als 40 bis 50 Meter.

Die Reichweite von Mobilfunkbasisstationen ergibt sich aus diversen Para­metern. Zunächst setzt die Bundesnetzagentur (BNetzA) in ihrer Verwaltungs­vorschrift keine Obergrenze für die maximale Sendeleistung von Campusnetzen – abgesehen von den gesetzlichen Grenzwerten zum Schutz von Personen. Nur für den Fall, dass sich Nachbarn nicht einigen können (Verhandlungsgebot für Betreiberabsprachen) wird pragmatisch ein Feldstärkegrenzwert festgelegt (32 dBµV/m/5 MHz in 3 Meter Höhe gemäß ECC/REC (15) 01).

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