c't 10/2020
S. 52
Aktuell
Online-Konferenzen

Austausch im Netz

Die Messe- und Konferenzbranche reagiert auf Covid-19

Mobile World Congress, Hannover Messe, Microsoft Build – so gut wie jede Tech-Messe und -Konferenz im ersten Halbjahr dieses Jahres fällt aus oder findet an einem Ersatztermin statt. Etliche Veranstalter haben ihre Angebote virtualisiert – oder kreieren sogar neue.

Von Jo Bager
Viele Veranstalter wie Microsoft mit seiner Entwicklerkonferenz „build“ setzen auf digitale Formate für ihre Konferenzen.

Obwohl der Mobile World Congress in Barcelona offiziell abgesagt war, zog Huawei seine Pressekonferenz Ende Februar auf dem Messegelände nichtsdestotrotz noch durch. Der Spiegel-Online-­Redakteur Matthias Kremp berichtet von einer gespenstischen Atmosphäre: „200, vielleicht 300 Menschen“ nahmen an der Veranstaltung im italienischen Pavillon teil, der sonst mit 2400 Menschen rammelvoll ist.

Spätestens nach solchen Berichten muss jedem Veranstalter von Groß-Events klar geworden sein, dass 2020 kein gutes Jahr für seine Branche wird. Die Deutsche Messe AG hatte zunächst für die Hannover Messe ebenso einen Ersatztermin an­beraumt wie für den „CeBIT-Nachfolger“ TWENTY2X – um beide dann für dieses Jahr komplett abzusagen.

Unternehmen, denen jetzt der große ­Rahmen für ihre Produktvorstellungen fehlt, verlegen diese notgedrungen ins Netz. Der chinesische Hersteller Oneplus etwa hat seine neuen Spitzen-Smartphones Mitte April kurzerhand auf der Website vorgestellt. Und die Telekom hat sich entschlossen, am 20. April, dem Eröffnungstag der Hannover Messe, ihre Themen in einem neuen digitalen Format zu präsentieren: Accelerate Digital Now. Dazu hat sie sich auch diverse Partner eingeladen.

Die meisten IT-Riesen haben für ihre traditionell im Mai und Juni geplanten Entwicklerkonferenzen neue, virtuelle Pendants angekündigt. Apple spricht von einem „völlig neuen Online-Format“ für seine WWDC. Microsoft will seine Konferenz Build am ursprünglichen Termin ebenfalls digital durchführen. Das Software-Haus plant nach eigenen Angaben bis Juli 2021 ausschließlich digitale Events.

IBM nennt seine Konferenz Think jetzt Think Digital und hält sie ebenso online am ursprünglichen Termin ab. Facebook hat eine Kombination aus einer „Reihe lokal veranstalteter Events, Videos und live gestreamten Content“ versprochen. Nur Google hat bis Redaktionsschluss keinen Ersatz für seine zentrale Entwicklerkonferenz I/O angekündigt.

Wie eine Online-Konferenz aussehen kann, können sich die Unternehmen bei Adobe abschauen. Das Software-Unternehmen hat seinen Summit bereits im März innerhalb von wenigen Wochen aus einer Präsenz- zu einer Online-Veranstaltung umgebaut. Auch der CCC hat Mitte April mit seinem „Hidden Service“ bereits vorgemacht, dass man ein „Digital verteiltes Online-Chaos“ in die Wohnzimmer bringen kann (siehe ct.de/yp3h).

Herausforderung und Chance

Auch Konferenzveranstalter machen die Not zur Tugend und passen ihre Veranstaltungsformate an die neuen Gegebenheiten an. Die heise-Security-Tour zum Beispiel sollte ursprünglich an fünf Terminen ebenso viele Orte besuchen. Stattdessen findet sie jetzt als virtuelle Konferenz an zwei Tagen statt (die Veranstaltung gehört wie c’t zu Heise Medien).

Andere Veranstalter wiederum verfolgen eine Doppelstrategie: Komme, was wolle. So haben die Koelnmesse und der Verband der deutschen Games-Branche angekündigt, dass die Gamescom in jedem Fall vom 25. bis 29. August stattfinden soll. Kann sie nicht in physischer Form ablaufen, wollen die Veranstalter sie virtuell durchführen.

Online-Konferenzen haben sowohl für Veranstalter als auch für Besucher eine Reihe von Vorteilen (auch über die Covid-19-Sicherheit hinaus). So können Veranstalter potenziell mehr Teilnehmer ansprechen, weil die aufwendige Anreise entfällt.

Die Videos der Veranstaltungen lassen sich zudem auch im Nachhinein abrufen – und je nach Geschäftsmodell vermarkten. Eine große Herausforderung wird sein, so etwas wie das „Messe-Gefühl“ herzustellen – die Möglichkeit für Teilnehmer, „wie im echten Leben“ mit anderen Teilnehmern und mit Referenten persönliche Gespräche zu führen.

Der Computerbuchverlag O’Reilly, einer der Vorreiter in Sachen physischer Präsenzkonferenzen in der Tech-Szene, zieht andere Konsequenzen aus der Corona-Pandemie als der Rest der Branche: Der Anbieter verabschiedet sich fast vollständig aus diesem Geschäftsfeld. Man wolle sich stattdessen auf digitale Inhalte konzentrieren.

Covid-19 hat sehr viel verändert im Feld der Tech-Konferenzen. Unsere letzte Übersicht aus c’t 2/2020 ist also in großen Teilen überholt. Wir haben daher auf den Seiten 54 und 55 eine aktualisierte Übersicht zusammengestellt, die Termine vom Mai 2020 bis zum Juni 2021 umfasst. Insbesondere im Sommer und Herbst wollen sich einige Veranstalter noch nicht fest­legen und behalten sich vor, ihre Veranstaltungen noch abzusagen. (jo@ct.de)

Weitere Infos: ct.de/yp3h

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