c't 19/2017
S. 33
News
Interview

Wiedergeburt eines Klassikers

Spieleentwickler Tetsuya Mizuguchi über die Entstehung von Rez und die Zukunft der VR

Mit dem Musikspiel Rez schuf Tetsuya Mizuguchi vor 16 Jahren einen Klassiker. Er verbindet Techno-Musik mit Tron-ähnlichen Grafiken und Vibrationen. Die Neuauflage Rez Infinite für PS4 und PC sorgte mit ihrem VR-Modus für Furore. Wir sprachen mit dem Star-Designer über kreative Ansätze und Synästhesie in der VR.

c’t: Rez kam 2001 für die Dreamcast und PS2 heraus Wussten Sie damals bereits, dass Sie hier einen Titel entwickeln, der noch in 20 Jahren gespielt wird?

Tetsuya Mizuguchi: Wir haben versucht, ein zeitloses Spiel zu machen. Es liegt im menschlichen Instinkt, sich zu rhythmischer Musik und zu Vibrationen zu bewegen. Wenn man diese rhythmischen Elemente in einem Videospiel aufgreift, entsteht ein sehr tiefgreifendes Erlebnis. Das wird nie alt. Die Techno-Musik ist ebenso zeitlos. Wir haben die grafischen Elemente absichtlich auf einfache Linien und Punkte reduziert. Hinzu kommt die Geschichte. Sie spielt im Cyberspace und ist eine Metapher auf grundlegende Erfahrungen, die wir Menschen machen: Wie Vater und Mutter zusammenfinden und ein Kind bekommen. Wenn man all diese Elemente zusammenführt, dann bekommt man ein zeitloses Spiel.

Tetsuya Mizuguchi (52) arbeitete lange für Sega, bevor er 2014 seine Firma Enhance Games in Tokio gründete.

c’t: Sie haben mit Rez Infinite das Spiel für PS4 und PC neu aufgelegt. Es unterstützt auch VR. Was interessiert Sie als Künstler am meisten? Musik oder die neue VR-Technik?

Tetsuya Mizuguchi: Synästhesie. Mich interessiert, wie ich akustische, visuelle und haptische Elemente zu einem synästhetischen Erlebnis miteinander verknüpfen kann, um eine neue Form des Geschichtenerzählens zu entwickeln.

c’t: Synästhesie erlaubt es einem, Töne zu sehen und Farben zu hören. Sind Sie selbst ein Synästhet?

Tetsuya Mizuguchi: Nein, ich bin kein Synästhet und wir haben auch niemanden im Team. Die Verbindung existiert nur in unserer Phantasie. Wir diskutieren viel darüber, welche Farben, welche Atmosphäre und welche Gefühle mit bestimmten Sounds verbunden sind. Dabei arbeite ich mit unseren eigenen Künstlern Hydelic zusammen. Aktuelle Musik höre ich hingegen nicht. Sie würde meine kreative Spannung stören und ich will mich auf unsere eigene Musik konzentrieren.

c’t: Woher kommen Ihre Spielideen? Gibt es zuerst die Mechanik, zu der Sie eine Musik suchen, oder ist zuerst die Musik da?

Tetsuya Mizuguchi: Normalerweise schreibe ich zuerst eine kurze, einfache Geschichte auf, wie ein Gedicht. Diese Verse gebe ich dann unserem Art Director und unserem Music Director. Die denken sich Bilder und Musik zu dem Thema aus. Wenn sie einen ersten Prototyp haben, reden wir darüber, passen den Prototyp an, reden wieder und so weiter. Dieser Iterationsprozess dauert rund ein Jahr, nur für die Vorproduktion. Wir sind nur zu dritt und müssen uns die lange Zeit dafür nehmen. Erst dann fangen wir mit dem eigentlichen Spiel an.

c’t: Sie haben in der Vergangenheit auch Vorlesungen an Unis gehalten und sich um andere Kunstprojekte gekümmert. Sind Sie nun wieder ein Vollzeit-Spieleentwickler oder gibt es noch andere Projekte?

Tetsuya Mizuguchi: Nach „Child of Eden“, das 2011 auf den Mark kam, fühlte ich mich ausgelaugt und musste erst einmal raus aus der Spiele-Industrie. Also hielt ich Vorlesungen an der Keio-Universität von Tokio über Media-Design und betreute dort Studenten-Projekte. Daraus entstand auch der synästhetische Vibrations-Anzug für Rez. Jetzt kümmere ich mich wieder zu 95 Prozent um die Entwicklung neuer Spiele in meinem Studio Resonair bei Enhance Games.

c’t: Was ist mit „Child of Eden“? Werden wir demnächst eine VR-Umsetzung sehen?

Tetsuya Mizuguchi: Child of Eden ist eine spirituelle Fortsetzung zu Rez. Mit dem Level „Area-X“ haben wir einen Prolog geschaffen, für das, was wir als nächstes machen wollen. Es wird eine Fortsetzung zu Rez, inklusive Child of Eden. Ich denke natürlich über neue Elemente nach. Ob es ein Remake wird oder eine Weiterentwicklung, kann ich noch nicht sagen.

c’t: Halten Sie die VR-Technik bereits für ausgereift?

Tetsuya Mizuguchi: Ich bin nie zufrieden mit der Technik. Ich brauche höhere Display-Auflösungen. In drei bis fünf Jahren sind wir vielleicht bei 4K pro Auge, in zehn Jahren bei 8K – mehr kann unser Auge nicht auflösen. Virtual Reality wird bald mit Augmented und Mixed Reality verschmelzen. Wenn wir das mit dem Internet of Things verknüpfen, wird das unser ganzes Leben dramatisch verändern. Dann können wir einen neuen Typus von Unterhaltung entwickeln. Vielleicht werden das Spiele, aber vielleicht auch etwas ganz anderes. Wenn wir es dann noch schaffen, die Menschen in der virtuellen Umgebung zusammenzubringen, beginnt eine neue Ära. Das wird magisch. (hag@ct.de)