Zu viele Verdächtige

Genomanalysen zum Aufspüren von Krankheitsursachen werden schneller und billiger.

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Lesezeit: 16 Min.
Von
  • Emily Singer
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Genomanalysen zum Aufspüren von Krankheitsursachen werden schneller und billiger. Was bisher nur einige Freiwillige erlaubten, wäre prinzipiell auf Millionen anwendbar. Doch die Datenflut sagt wenig aus.

Auf den ersten Blick sehen die zwölf Kästen auf dem unscheinbaren Betonboden aus wie gigantische Legosteine. Mit hellrotem Plastik verkleidet stehen sie in Zweier- und Dreiergruppen in den Räumen des jungen Biotechnologie-Unternehmens Pacific Biosciences. Hinter dem schlichten Äußeren verbirgt sich allerdings ein kompliziertes Innenleben. Die Kästen von der Größe einer Gefriertruhe haben nichts mit Spielzeug-Bausteinen zu tun, sondern mit den Bausteinen des Lebens – es sind Prototypen des vielleicht schnellsten DNA-Sequenzierers der Welt. Das Gerät soll 2010 auf den Markt kommen.

Auch beim Entziffern des menschlichen Erbguts gilt der Grundsatz "Zeit ist Geld". Während das Humangenomprojekt, das 2003 fertiggestellt wurde, noch 13 Jahre und 300 Millionen Dollar benötigte, um eine vollständige Sequenz des menschlichen Genoms mit drei Milliarden Basenpaaren zu ermitteln, kostete diese Leistung dank neuer Sequenzierer im Oktober 2008 nur noch 100000 Dollar. In Frühjahr 2009 wollte das US-Unternehmen Complete Genomics sogar die 5000-Dollar-Marke knacken. Und wenn die Rechnung von Pacific Bioscienses aufgeht, wird das im kalifornischen Menlo Park beheimatete Unternehmen 2013 soweit sein, ein komplettes menschliches Genom in gerade einmal 15 Minuten zu entziffern – für weniger als 1000 Dollar.

Aber ist schnell und billig auch gut und aussagekräftig? Bislang haben Wissenschaftler erst die Genome von einer Handvoll Menschen buchstabiert, aber bereits einen Vorgeschmack davon bekommen, wie variabel der DNA-Buchstabensalat sein kann. Schnelle und billige Sequenziertechniken wie die von Pacific Biosciences könnten in kürzester Zeit sogar das Auslesen von Tausenden, vielleicht sogar von Millionen menschlichen Genomen praktikabel machen. Wenn sie es schaffen, diese Sequenz-Myriaden zu durchkämmen und spezifische DNA-Stücke mit Eigenschaften wie Händigkeit, Körpergröße, Blutdruck oder der Neigung zu Angstattacken zu verbinden, so dachten die Forscher, dann sollte sich ihnen auch das komplexe Zusammenspiel von genetischen Varianten erschließen, das jeden Menschen einzigartig macht. Wichtiger noch: eine so große Sequenzierkapazität könnte endlich erklären helfen, welcher Anteil von häufigen Krankheiten erblich ist – ein Rätsel, das Genetiker seit Jahrzehnten umtreibt.

Offenbar ist aber die tatsächliche Bedeutung effektiver Entzifferungstechniken für die Medizin viel kleiner und weniger positiv als gedacht. Fast 20 Jahre lang versprachen Wissenschaftler, der Fortschritt in der DNA-Sequenzierung würde Ärzten erlauben, eine personalisierte Medizin zu praktizieren, so dass sie ihren Patienten auf der Basis von deren genetischem Profil maßgeschneiderte Therapien anbieten könnten. Die Forscher nahmen an, dass jeder erblichen Krankheit eine bestimmte Anzahl der immer gleichen, häufigen Mutationen zugrunde liegt, so dass Ärzte an die jeweilige genetische Variante angepasste Medikamente verschreiben könnten.

Anscheinend weit gefehlt: Neue Daten legen nahe, dass selbst so häufige Erbleiden wie Diabetes und Herzkrankheiten auf vielen verschiedenen Genvarianten beruhen, die zudem für sich genommen ziemlich selten sind. Wenn das stimmt und all diese Varianten getestet werden müssen, dann wird die mit vielen Vorschusslorbeeren bedachte personalisierte Medizin nicht nur äußerst kompliziert, sondern auch sehr teuer.

In Fahrt kam die Genom-basierte Medizin in den 1980er Jahren, als Forscher für einige tödliche Krankheiten die auslösenden schadhaften Genvarianten entdeckten – etwa für die Duchenne-Muskeldystrophie (schrittweise zunehmende Muskelschwäche, die schließlich die Atmung unmöglich macht) und die Mukoviszidose (schwere Atmungs- und Verdauungsstörungen, verursacht durch zu zähe Körperflüssigkeiten). Beides sind monogenetische Krankheiten, entstehen also durch ein einziges mutiertes Gen. Je nach Erkrankung wird jeder, der eine oder gar zwei Kopien des mutierten Gens erbt, unweigerlich krank. Der Grund dafür: Wir besitzen von fast allen Genen zwei Exemplare; manche Gene haben einen dominanten Charakter, andere nicht. Mutiert ein dominantes Gen, macht bereits eine fehlerhafte Kopie krank. Ist ein nicht dominantes Gen betroffen, kann der heile Partner den Schaden verhindern.

In den vergangenen 20 Jahren identifizierten Forscher für eine ganze Reihe von monogenetischen Krankheiten die entsprechenden Mutationen. Das wiederum ermöglichte Labortests, mit denen sich die Leiden frühzeitig entdecken ließen. Und nicht nur das: Nun konnten bei monogenetischen Krankheiten, die bei zwei fehlerhaften Genkopien auftreten, auch gesunde Erbträger aufgespürt werden. Das sind Menschen mit einer schadhaften und einer heilen Kopie, die selbst nicht erkranken, die Schadkopie aber mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit vererben. Solche Tests ermöglichen also bei Krankheiten mit einem relativ hohen Erkrankungsrisiko – wie Mukoviszidose, die in Europa jedes 2500. Kind trifft – eine fundiertere Entscheidung über das Kinderkriegen. Sind beide Eltern erblich belastet, beträgt die Wahrscheinlichkeit für kranke Nachkommen immerhin 25 Prozent, für gesunde Kinder ebenfalls so viel und für gesunde mit Trägereigenschaft 50 Prozent. Monogenetische Erkrankungen machen jedoch nur einen kleinen Anteil aller Krankheiten aus. Bei den übrigen ist es ungleich schwieriger, etwaige genetische Ursachen aufzuspüren.

Als Wissenschaftler in den 1990er Jahren anfingen, das menschliche Genom zusammenzusetzen, entdeckten sie ein äußerst nützliches Phänomen: Bestimmte Gene werden am Stück in größeren DNA-Blöcken vererbt. Damit werden jeweils alle Genvarianten, die sich üblicherweise nur in einzelnen Basen voneinander unterscheiden, stets gemeinsam mit den gleichen benachbarten Genvarianten vererbt. Kennt man also eine charakteristische Einzelbasen-Variante (SNP, single nucleotid polymorphism), reicht es aus, nur nach dieser zu suchen, denn sie verrät wie eine Visitenkarte, welche Block-Variante vorliegt und ob es sich um eine mit häufigen Krankheiten wie Asthma in Verbindung gebrachte Version handelt.

Um SNP rasch aufzuspüren, entwickelten Forscher billige Gentests, sogenannte Microarrays, mit denen mehrere Zehntausend Genome effizient durchforstet werden konnten – etwa nach SNP, die bei Menschen mit Autismus oder mit der Alzheimerschen Krankheit häufiger vorkommen als bei Gesunden. Insgesamt wurden in den vergangenen zwei Jahren mit Microarrays mehr als 300 Genvariationen identifiziert, die mit einer ganzen Reihe von Veranlagungen und Krankheiten in Verbindung gebracht werden konnten.

Diese Schuldigenliste führte jedoch nicht zu dem erhofften Durchbruch im Verständnis der genetischen Krankheitsursachen. Wie sich herausstellte, tragen solche Variationen nur einen Bruchteil zum genetischen Risiko bei, tatsächlich zu erkranken. So haben Forscher zwar 18 Genvarianten identifiziert, die zum Auftreten von Typ-2-Diabetes beitragen und entwickelten auch Tests, um sie aufzuspüren. Viele andere erbliche Risikofaktoren für diese Krankheit sind allerdings immer noch unbekannt. So lässt sich die Wahrscheinlichkeit, an dieser Diabetes-Form zu erkranken, mit den neuen Tests nicht genau bestimmen, was sie ungeeignet für medizinische Entscheidungen und für vorbeugende Maßnahmen macht.

Die Jagd nach den SNP ergibt nur dann Sinn, wenn das ererbte Risiko für Krankheiten wie Typ-2-Diabetes aus einer Kombination von vielen SNP resultiert, die alle einen – wenn auch kleinen – Effekt haben. Was aber, wenn weitere, weitaus seltenere Mutationstypen ebenfalls eine Rolle spielten? Microarrays entdecken nur häufige SNP, übersehen aber Varianten, die bei weniger als einem Prozent der Bevölkerung vorkommen. Solche seltenen Mutationen stehen im Fokus einer neuen Theorie, laut der – ähnlich wie beim monogenetischen Modell – mehrere individuelle Genvariationen ebenfalls viel zu einer Krankheit beitragen können. Obwohl sie sehr selten sind, führen sie dennoch zu den gleichen Symptomen, wenn sie denselben oder einen verwandten Stoffwechselweg beeinträchtigen. Gemeinsam würden sie also die Wahrscheinlichkeit einer Krankheit erhöhen.

Bis vor kurzem wurde kaum nach solch seltenen Ursachen für häufige Krankheiten gefahndet, denn dafür muss man die DNA Base für Base durchbuchstabieren – im Endeffekt also das gesamte Genom sequenzieren. Mit den neuen, schnellen Entzifferungstechniken lässt sich die neue Hypothese endlich besser auf Herz und Nieren prüfen. Wahrscheinlich "verbirgt sich ein Großteil der restlichen Vererbbarkeit [einer Krankheit] in diesen seltenen Variationen mit großer Wirkung", sagt Francis Collins, früher Leiter des Humangenomprojektes.

"Wenn wir die genetischen Grundlagen von Krankheiten verstehen wollen, brauchen wir komplette Genomsequenzen." Damit steht Collins nicht allein. Kein Geringerer als James Watson, der 1962 für die Aufklärung der DNA-Struktur gemeinsam mit Francis Crick und Maurice Wilkins den Nobelpreis erhielt, setzt sich aus demselben Grund für die Entschlüsselung kompletter menschlicher Genome ein. Watson, der das Humangenomprojekt mitinitiiert hat, ließ 2007 sein eigenes Erbgut entziffern und stellte die Sequenz Forschern öffentlich zugänglich im Internet zur Verfügung.

Bislang hat ihm das jedoch allenfalls profane Erkenntnisse gebracht: Er besitzt überzählige Kopien einer Genvariation, die vor Herzkrankheiten und einer Netzhauterkrankung schützen soll. Eine zunächst beunruhigende Mutation im BRCA1-Gen, das mit Brustkrebs in Verbindung gebracht wird, erwies sich später als harmlos. Der überwiegende Teil von Watsons Genom ist allerdings nicht interpretierbar. Noch haben die Forscher keine genetische Komponente gefunden, die seine Intelligenz und Neugier erklären hilft; unklar ist auch, ob er die genetisch bedingte Anfälligkeit für Schizophrenie besitzt, mit der sich die Krankheit seines Sohnes erklären ließe.

Wie Watsons Beispiel zeigt, hat die Aussagefähigkeit des Erbguts eines einzelnen Menschen ihre Grenzen. Kein Wunder, dass der Nobelpreisträger bislang herzlich wenig von den Details seines Genoms beeindruckt zu sein scheint: "Wir werden ja sehen, ob irgendwas davon mein Leben um fünf Minuten verlängert", sagte er letztes Jahr auf einer Konferenz am US-Forschungsinstitut Cold Spring Harbor Laboratory. Könnte aber – wie Watson glaubt – der Vergleich vieler Genome, jeweils verknüpft mit der persönlichen medizinischen Vorgeschichte, Forscher die genetische Vielfalt verstehen lassen, die der Anfälligkeit für Erkrankungen zugrunde liegt? Oder ist auch das ein Versprechen, das nicht erfüllt werden kann?

Der Genetiker George Church von der Harvard Medical School will diese Verknüpfung von Genom- und Gesundheitsmerkmalen ermöglichen. Er forscht seit seiner Doktorarbeit aus den frühen 80er Jahren an Sequenziertechniken. Vor drei Jahren startete er das "Personal Genome Project" (PGP) mit dem Ziel, in den kommenden fünf Jahren genetische und medizinische Daten von Tausenden Probanden zu sammeln. Das Projekt macht allerdings nicht nur die technischen und wissenschaftlichen Schwierigkeiten deutlich, die eine Sequenzierung von menschlichen Genomen im großen Maßstab hervorbringen könnte, sondern wirft auch ethische Fragen auf.

In der Pilotphase konzentriert sich das Projekt auf zehn Freiwillige, zu denen Church selbst, der Harvard-Psychologe und Sprachwissenschaftler Steven Pinker und die IT-Unternehmerin Esther Dyson gehören (siehe Abbildung auf S. 34). Zunächst haben die Wissenschaftler damit begonnen, die sogenannten kodierenden Regionen ihrer Genome zu entziffern – jenes eine Prozent DNA, das die Baupläne aller Körpereiweiße wie Hormonen, Enzymen und Antikörpern enthält. Diese Informationen werden zusammen mit der medizinischen Geschichte der Teilnehmer, inklusive aller Medikamentenverschreibungen und Angaben über Eigenschaften wie Körpergröße, Gewicht, Händigkeit in einer öffentlich zugänglichen Datenbank abgelegt. Churchs Team hofft, dass diese Datenbank später einmal, wenn sie die Daten von vielen Tausenden Menschen enthält, als Quelle für Forscher oder sogar Bürger dienen wird, die nach Verbindungen zwischen spezifischen genetischen Variationen und Krankheiten suchen wollen.

Schon der erste Datensatz zeigt aber nicht nur die Möglichkeiten des Sequenzierens, sondern auch die derzeitigen Grenzen der genetischen Analyse. John Halamka, einer der zehn PGP-Teilnehmer und Leiter der Informationstechnologie an der Harvard Medical School, erfuhr daraus, dass er eine für die Charcot-Marie-Tooth-Krankheit typische Mutation trägt – eine äußerst seltene genetische Veränderung, die mit den existierenden SNP-Analysen nicht entdeckt worden wäre. Bei dieser erblichen neuromuskulären Erkrankung, die meist schon im Kindesalter auftritt, ist die Weiterleitung der elektrischen Reize vom Gehirn zur Muskulatur gestört. Diese wird kontinuierlich geschwächt und später teilweise abgebaut.

Da aber Halamka seine Kindheit unbeschadet überstanden hat und weltweit nur drei weitere Menschen mit dieser Mutation bekannt sind, ist es schwer abzuschätzen, welche Bedeutung sie für seine Gesundheit hat – wenn sie denn überhaupt eine hat. Vielleicht besitzen viele Menschen diese Genveränderung, ohne dass schädliche Wirkungen auftreten, und der Zusammenhang zwischen der Krankheit und der Mutation wurde überbewertet. Vielleicht hat das Gen aber auch eine größere Bedeutung als angenommen und erhöht das Risiko für weitere neurologische Erkrankungen, die erst mit fortgeschrittenem Alter auftreten. Das Ergebnis könnte aber auch, wie George Church anmerkte, schlicht fehlerhaft sein.

Je größer die Zahl der Datenbankeinträge wird, so der Forscher, desto leichter werde es, Ergebnisse wie das von Halamka zu verstehen – im Prinzip. Churchs Team will die Zahl der Teilnehmer jährlich verzehnfachen und von 10 auf 100ˇ000 erhöhen. Doch selbst dieses Tempo wird sowohl die verwendete Sequenzier-Technik als auch die Dateninterpretation ernsthaft auf die Probe stellen. Nach fast einem Jahr hatten die PGP-Forscher im letzten November erst ein Fünftel der kodierenden DNA-Regionen der ersten zehn Teilnehmer geschafft. Wenn wirklich Tausende von Genomen entziffert werden sollen, muss Churchs Sequenzier-Methode noch schneller und robuster werden. Sobald es auch billig genug wird, plant er, die Untersuchung auf die gesamten Genome auszuweiten.

Die Nutzung all dieser Daten bringt allerdings ihre eigenen Probleme mit sich. So wird Churchs Team einen Weg finden müssen, wie es einer stetig wachsenden Teilnehmerschar ihre Ergebnisse erklärt. Die ersten zehn konnten noch ein persönlichen Gespräch mit Joseph Thakuria führen, der klinischer Genetiker und medizinischer Direktor des Projekts ist. Er wird aber keinesfalls Tausende von Probanden beraten können.

Die größte Herausforderung in der Genomforschung wird aber die Interpretation der unzählbaren genetischen Variationen sein. Individuelle Mutationen entstehen zufällig und manche von ihnen sind harmlos. Andere sind gefährlich, weil sie lebenswichtige Zellreaktionen unterbrechen und das Risiko für Erkrankungen erhöhen. Wieder andere könnten sogar vor bestimmten Krankheiten schützen. Oft ist es allerdings schlicht unmöglich, festzustellen, in welche Kategorie eine Genvariation gehört – und die Zahl der bekannten Versionen wird durch bessere Techniken und größere Teilnehmergruppen schnell wachsen. "Diese Informationen werden dornenreich und problematisch sein, was die Interpretation betrifft", sagt Professor James Evans, Mediziner und Genetiker an der University of North Carolina. "Wir alle tragen Mutationen und Veränderungen in uns, die wir nicht verstehen. Wie immer wird die Technologie unserer Fähigkeit, sie zu nutzen, voraus sein."

So könnte die Komplexität der neuen Informationen, die man Genomen entlockt, also ausgerechnet für die personalisierte Medizin zum Hindernis werden, der die DNA-Sequenzierung eigentlich zum Durchbruch verhelfen sollte. Die Wissenschaftler hatten gehofft, Tests zu entwickeln, die jedem seine persönliche Wahrscheinlichkeit für bestimmte Krankheiten vorhersagen können oder verraten, welches Medikament am besten bei ihm anschlägt. Allerdings wird kein Test für genetische Variationen sehr nützlich sein, solange die Forscher nicht verstehen, was all die Varianten bedeuten. Wenn viele der häufigsten Krankheiten tatsächlich von extrem seltenen Mutationen verursacht werden, wird die Aufgabe enorm sein.

Wissenschaftler wie David Altshuler sind mittlerweile überzeugt: "Die Hauptbedeutung der genetischen Kartierung liegt nicht in der Risikovorhersage, sie liefert vielmehr neue Erkenntnisse über Krankheitsmechanismen", schrieb der Arzt und Genetiker vom Broad Institute, einem gemeinsamen Forschungszentrum des Massachusetts Institute of Technology und der Harvard University kürzlich im Fachjournal "Science". Und das Aufspüren von seltenen genetischen Mutationen könnte vielen Patienten auch indirekt helfen: So haben Studien über eine erblich bedingte Form des hohen Cholesterinspiegels, der nur bei 0,2 Prozent der Bevölkerung vorkommt, zur Entdeckung des Rezeptors für das "Low density lipoprotein" (LDL) geführt. Dieser Rezeptor bindet das Cholesterin-Transportmolekül LDL und fischt auf diese Weise überschüssiges Cholesterin aus dem Blut. Seine Entdeckung führte zur Entwicklung der als Statine bekannt gewordenen Medikamente, deren Einsatz die Zahl der LDL-Rezeptoren steigern und auf diese Weise den Cholesterinspiegel senken soll. Die Statine stiegen zu den meistverkauften Pharmazeutika auf.

Niemand weiß, wann die nächste ähnliche Erfolgsgeschichte kommt. Vorhersagen über die Vorteile der Genomforschung sind zu einer ebenso undankbaren Aufgabe geworden, wie Vorhersagen über Krankheitsrisiken. Francis Collins, früher Leiter des Humangenomprojektes, formuliert es so: "Das Humangenomprojekt war vermutlich ein Spaziergang im Vergleich zu dem, was jetzt auf uns zu kommt." (bsc)