Elektronische Nase: Implantat soll Geruchssinn zurückbringen

Wer seinen Geruchssinn etwa durch Covid-19 dauerhaft verliert, büßt viel Lebensqualität ein. Mehrere Projekte entwickeln deshalb Riechimplantate.

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Zahlreiche Modelle menschlicher Nasen

Einblick in die Nasothek in der Ny Carlsberg Glyptothek, Kopenhagen: Hier werden Nasen von Büsten und Statuen aufbewahrt.

(Bild: Wikipedia / Public Domain)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Cochlea-Implantate für gehörlose und hörgeschädigte Menschen sind etabliert und bekannt. Warum aber gibt es kein vergleichbares Implantat, das seinen Trägern den Geruchssinn wiedergibt? An einer solchen Neuroprothese arbeiten Richard Costanzo und Daniel Coelho von der Virginia Commonwealth University (VCU). Die Idee dahinter: Ein Sensor detektiert Gerüche, kodiert ihn in elektrische Signale für einen externen, zum Beispiel an einem Brillenbügel angebrachten Transmitter. Dieser sendet die Signale an einen implantierten Stimulator, dessen elektrische Reize dann die Riechempfindungen auslösen.

Costanzos und Coelhos Prototyp besteht bisher aus den externen Elementen der Neuroprothese. Sie enthält einen in kommerziellen elektronischen Nasen üblichen Sensor sowie einen Transmitter, der mit einer Leuchtdiode verbunden ist. In einer Demonstration für das Magazin "IEEE Spectrum" hielten die Forscher verschiedene Flüssigkeiten unter den Sensor. Daraufhin leuchtet die Diode in verschiedenen Farben auf, und eine App signalisierte, ob es sich zum Beispiel um Mundspülung oder Windschutzscheiben-Reiniger handelt.

Der inzwischen emeritierte Biophysiker Richard Costanzo hat bereits in den achtziger Jahren das "Smell and Taste Disorders Center" an der VCU gegründet. Seit den Neunzigern erforscht er verschiedene Sensor- und Elektrodenlösungen. Costanzo meldete 2016 gemeinsam mit seinem VCU-Kollegen, dem Hals-Nasen-Ohren-Arzt und Cochlea-Experten Daniel Coelho, ein US-Patent für ein Riech-Implantat an, das auf einem ähnlichen Elektroden-Netzwerk beruht wie Cochlea-Implantate.

2016 und 2018 zeigten sie in Tierversuchen, dass eine direkte Stimulation des Riechkolbens Signale an andere Gehirnbereiche auslöste. Die Forscher vermuten, dass es sich um Riechkartierungen für verschiedene Geruchsempfindungen handelt. Belegen lässt sich das allerdings erst mit menschlichen Probanden, die den Experimentatoren sagen können, ob und, wenn ja, welche Gerüche sie wahrgenommen haben.

Der Verlust des Geruchssinns (Anosmia) kann durch Infektionen oder Verletzungen passieren. Die Corona-Pandemie hat das Problem weltweit bekannt gemacht, da viele Patienten ihre Fähigkeit nicht nur für die Dauer der Infektion verloren haben. Einer 2020 durchgeführten und vor kurzem veröffentlichten USA-weiten Umfrage der VCU zufolge blieb der Verlust für 7,5 Prozent der Befragten dauerhaft.

Im Labor leitete der Transmitter die Signale auch schon an ein Cochlea-Elektroden-Netzwerk weiter. Dieses soll später implantiert werden und die Signale in den Riechkolben der Patienten einspeisen, der unter der vorderen Schädelbasis sitzt. Von hier reisen elektrische Reize in Gehirnbereiche, die für Gefühle (Amygdala), Erinnerungen (Hippocampus) und kognitive Informationsverarbeitung (Frontalkortex) zuständig sind.

Mit anderen Worten: Gerüche und Düfte sind weit mehr, als nur Sinnesempfindungen. Sie sind eng mit bestimmten Erinnerungen und Gefühle verbunden. Deshalb wiegt der Verlust für Betroffene auch so schwer, weil er sie eben nicht nur eines Großteils ihres Geschmackssinns beraubt. Das war auch die Motivation für den Mobilfunk-Unternehmer Scott Moorehead, der seinen Geruchssinn durch einen Skatebord-Unfall verlor, die VCU-Technik zu lizensieren und die Technik mit dem Start-up Sensory Restoration Technologies weiterzuentwickeln. Noch sei man Jahre von einem kommerziellen Produkt entfernt, sagte Moorehead dem IEEE Spectrum-Magazin.

Derweil arbeiten auch die VCU-Forscher weiter an ihrem Neuroimplantat. Sie testen zum Beispiel neue Sensormaterialien wie leitfähige Polymere, um die Zahl der erkennbaren Gerüche auf potenziell mehrere hundert zu erhöhen. Die ersten Prothesen werden wahrscheinlich weitaus weniger Düfte identifizieren können. Dazu würden wohl aus Sicherheitsgründen unangenehme Vertreter wie Rauch und Gasgeruch gehören. Diesen wollen Constanzo und Coelho aber auch individuell angepasste angenehme Gerüche hinzufügen, zum Beispiel den Duft von frischem Brot und von Tannennadeln.

Weitere Hürden bestehen darin, den besten operativen Weg zum Riechkolben zu ermitteln, ohne andere Gehirnbereiche zu verletzen, wo genau man Implantate platzieren sollte und ob eventuell mehrere an verschiedenen Gehirnstellen nötig wären. Genau das versucht auch das von der Europäischen Union finanzierte Forschungskonsortium ROSE (Restoring Odorant detection and recognition in Smell dEficits) mit seiner Geruchsprothese herauszufinden. Ziel ist die Stimulation sowohl des Riechkolbens als auch des präfrontalen Kortex. Auch hier wird es noch einige Jahre dauern, bis ein kommerzielles Produkt verfügbar ist.

(vsz)