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Die Bilanz nach zwei Monaten Alltagsleben mit dem Plug-In-Hybrid von Toyota

Dreimotorig ins Büro

Fahrberichte Florian Pillau
Zwei Monate mit dem Toyota Prius Plug-In-Hybrid

Nach acht Wochen und fast 4000 Kilometern Praxistest mit einem Toyota Prius Plug-In-Hybrid ziehen wir Bilanz. Da Fahrer unterschiedliche Empfindungen, Assoziationen und Gedanken haben, seien hier die wichtigsten noch einmal zusammengefasst

München, 15. April 2014 – Zwei Monate hat uns ein Toyota Prius Plug-In im Praxistest begleitet. Wir ziehen nach fast 4000 Kilometern eine Bilanz. Da die Fahrer unterschiedlich empfinden, assoziieren und denken, soll hier jeder noch einmal zu Wort kommen, der den Prius über eine längere Strecke bewegt hat.

Martin Franz

Dieser Prius war mein Erstkontakt mit einem Plugin-Hybrid, und ich hätte gewarnt sein müssen: Wie bei kaum einem anderen Auto wird man für jede Kritik verfolgt. Ganz so schlimm wie bei den Kollegen von der mac&i [1], die bei kritischen Anmerkungen um ihre Haut fürchten müssen, ist es beim Prius Gott sei Dank zwar nicht. Dennoch wurden unsere bisherigen Berichte ziemlich „aktiv“ begleitet – vielen Dank an dieser Stelle. Wir haben auch von konstruktiven Beiträgen von Lesern profitiert, die sich mit ihrem Prius offenbar sehr intensiv auseinandergesetzt haben. Kein Wunder, so ein Auto kauft wohl niemand zufällig. Dass der Prius optisch nicht jedem gefällt, stört mich nicht. Schön finde ihn zwar auch nicht, doch zumindest bietet Toyota eine Alternative zum allgegenwärtigen Wolfsburger Heidedesign.

Es gibt zahlreiche Dinge, an denen zu merken ist, dass sich Toyota schon geraume Zeit mit dem Thema Hybrid beschäftigt. Der Prius macht vieles anders als andere Autos und darauf muss man sich einlassen, wenn man ihm gerecht werden will. Das trifft natürlich vor allem auf den Antrieb zu. In der genialen Verschaltung von eCVT, Elektromotor und Benziner steckt ein Know-how, an dem sich andere Hersteller messen lassen müssen. Am besten hat mir die Energieanzeige gefallen: Trickreich kombiniert die Elektronik ein Einsatz von Verbrennungs- und E-Motor zugunsten eines möglichst niedrigen Verbrauchs. Das ist gelungen, mehr als 5 Liter waren die absolute Ausnahme. Über alle Kilometer hinweg kamen wir auf rund 4,7 l/100 km, wobei wir den Prius so oft wie nur möglich an der Steckdose aufgetankt haben – zugegebenermaßen nicht nur aus Interesse, wie weit sich der Verbrauch senken lässt. Benzin hat in diesem Praxistest jeder Fahrer selbst bezahlen müssen, Strom hat der Chef spendiert.

Was das Fahren selbst angeht, bin ich auch nach zwei Monaten zweigeteilt. Mitschwimmen wird mit angenehmer Ruhe belohnt, die bei unserem Testwagen nur durch die Pirelli-Winterreifen etwas gestört wird. Genau dieses sanfte Gleiten ist die Königsdisziplin für den Prius: Der Antrieb arbeitet unauffällig im Hintergrund, die gesamte Abstimmung wirkt angenehm entschleunigend auf den Fahrer. Gerade in der Stadt ist eigentlich kaum zu hören, welcher der beiden Motoren am Werk ist – daran könnte ich mich sofort gewöhnen.

Leider habe ich es manchmal auch eilig, und hier wirkt der Prius zahnlos. Die objektiven Fahrleistungen, wir haben 11,3 Sekunden für den Sprint auf Tempo 100 gemessen, sind absolut ausreichend, doch der Prius scheint sich mit Macht gegen solche Attacken zu wehren. Auch nach mehr als 1500 Kilometern konnte ich mich mit dem stufenlosen Getriebe nicht anfreunden. Gleichbleibend hohe Drehzahlen beim Beschleunigen mögen effizient sein – mir persönlich geht das schlicht auf den Geist. Szenario Landstraße, Ende der Tempo-80-Beschränkung: Bei der Beschleunigung auf 100 km/h kommt einem der ganze Antrieb schrecklich unentspannt vor. Der Motor dreht hoch, gefühlt wird erst dann beschleunigt. Das der Prius dabei angestrengt und vor allem laut wirkt, liegt auch an der Ruhe davor.

Bei allem Respekt [2] vor den Leistungen der Ingenieure im Bereich Antrieb muss man außerdem festhalten, dass der Rest des Prius nun nicht gerade eine automobile Gourmetsuppe ist. Das Fahrwerk, hier insbesondere das Ansprechverhalten der Federung, ist bestenfalls durchschnittlich [3]. Das Platzangebot ist okay, für eine Außenlänge von 4,48 m aber auch nicht überragend. Der Innenraum ist mit Materialien ausgekleidet, deren einzig positive Eigenschaft vermutlich ist, dass sie sich einfach reinigen lassen. Was Toyota in diesem Bereich für knapp 40.000 Euro anbietet, dürfte sich in einem konventionell angetrieben Auto auch eine Klasse weiter unten keiner erlauben. Dazu kommt eine Multimedia-Abteilung, die stark renovierungsbedürftig ist. Ein Navi, das mehrfach die Orientierung verliert, hatten wir lange nicht mehr. Der Touchscreen ist bei Sonneneinstrahlung schlecht zu erkennen und reagiert, wenn auch selten, nicht immer so spontan wie gewünscht. Dazu kommt ein Soundsystem von JBL, dass auch keine rechte Begeisterung beim Zuhören auszulösen vermag.

Im kommenden Jahr soll diese Prius-Generation abgelöst werden. Da Toyota nun endlich etwas Konkurrenz bekommt, sind wir guter Hoffnung, dass sich mit dem nächsten Prius vieles verbessern wird. Es wäre schade, wenn ausgerechnet die Firma, die den Hybridantrieb so mutig in Serie gebracht hat, sich von Anderen den Schneid abkaufen ließe.

Florian Pillau

Was für ein Abenteuer! Wenn ich in den Prius steige und lautlos davonrolle, sitzen neben mir immer auch Siemens und Porsche. Also, im Geiste. Denn wie sähe unsere Mobilität aus, wenn Flocken, Lohner, Detroit Electric und die anderen E-Auto-Hersteller die Chance gehabt hätten, ihre Autos innerhalb der letzten einhundert Jahre weiterzuentwickeln? Zwischen 1900 und 1912 waren knapp 40 Prozent aller amerikanischen Autos elektrifiziert, nur etwas über 20 Prozent fuhren mit Benzin. Der Rest: Dampfwagen. Übrigens keine schwerfälligen Ungetüme, wie man vielleicht denken könnte, sondern meist elegant, flüsterleise, benutzerfreundlich und verdammt schnell. Einziger Nachteil: Ein paar Minuten Vorheizzeit.

Dieses Handikap war bereits groß genug, um die notorische Unzuverlässigkeit und das komplizierte, schwere, teure Getriebe der Benzinkutschen in Kauf zu nehmen. E-Wagen, noch viel einfacher zu warten und ebenfalls so getriebelos wie Dampfautos, wurden in den USA mit dem Aufkommen von brauchbaren Fernstraßen mangels Reichweite aussortiert.

Hier knüpfen wir heute an. Bei hundert Jahren Entwicklungsrückstand und einem gut ausgebauten Fernstraßennetz finde ich einen Hilfsantrieb per Verbrennungsmotor logisch. Toyota hat ihn zudem geradezu perfekt umgesetzt [4] mit einem elektrischen Zweig, der einen einfachen Verbrennungsmotor ohne Direkteinspritzung, Aufladung und Getriebe (siehe oben) aufs Eleganteste integriert. Das spart Kosten, Platz und Gewicht, ist nur minimal verschleißbehaftet und günstig zu reparieren. Zudem kann der Ottomotor dank einer genialen Steuerung der E-Maschinen im verbrauchsgünstigsten Last- und Drehzahlbereich nahe Diesel-Effizienz laufen. Das fühlt sich zwar ungewohnt an, doch bin ich Nerd genug, das Ganze auf einer anderen Ebene goutieren zu können. Das wird nicht jedem so gehen.

Die praktischen Vorteile fand ich aber noch beeindruckender. Einmal Laden reichte für 22 Kilometer, in meinem Fall ist das einmal aus dem Büro nach Hause und wieder zurück. Die Stromkosten liegen unter denen für Kraftstoff. Beim Einrollen in die Tiefgarage wurden meist noch um die 100 Meter Reichweite angegeben. Als Nur-Büropendler wäre ich auf 0 Liter/100 km gekommen. Wie unbezahlbar Stille ist, hat mich erst der Prius gelehrt, und gleichzeitig das Gefühl, sich als Pionier zu bewegen. Bei Frost ohne Heizung und mit stierem Blick auf Reichweitenanzeige und die wachsende Schlange im Rückspiegel zu versuchen, das rettende, wärmende Büro zu erreichen. Der Antrieb des Prius erkennt eine eingeschaltete Heizung und wirft folgerichtig den Benzinmotor an, um Warmwasser zu erzeugen. Er ist damit eines der ganz wenigen Fahrzeuge, bei denen man auch per Druck auf den Heizungsregler den Motor starten kann.

Übrigens lassen sich nicht nur am Stromnetz Fahrkilometer tanken. Auf längeren Gefällstrecken in den Alpen zeigte mir die Anzeige plötzlich wieder eine elektrische Reichweite an, wie ich es bis dahin nur vom Steckerladen gekannt hatte. Und tatsächlich ließen sich die immerhin fast fünf Kilometer im Tal rein elektrisch abrufen (oder bis sich an der nächsten Steilstrecke oder über 90 km/h der Ottomotor wieder zuschaltet). Was ich nicht probieren konnte war die Bremswirkung bei geladener Batterie. Ob dann die Bremsen mehr Arbeit bekommen als ohnehin schon? Und wie bringt man eigentlich ein Hybridauto mit Bremsversagen zum Stehen? Mein 08/15-Fahrschulwissen reicht dazu jedenfalls nicht aus und experimentieren wollte ich aus naheliegenden Gründen auch nicht.

Dass die Art der Fortbewegung rückwirkt, haben mittlerweile zahlreiche Fahrberichte bewiesen. Hybrid- und E-Autos lassen zumeist sogar harte Kerle ganz sanft werden im Umgang mit dem Pedal. Bei mir ging das über die Fahrweise hinaus. Ich habe mich bemüht, meinen Nachbarn selbst noch die geringen akustischen und olfaktorischen Emissionen des Toyotas zu ersparen, später dann in generell in bewohnten Gebieten elektrisch zu fahren. Der Prius ist – so gesehen – auch ein höfliches Fortbewegungsmittel.

Sehr ehrenwert und saupraktisch finde ich, dass der Prius ein ganzes, unzerlegtes 26-Zoll-MTB in Übergröße in sich aufnimmt. Bestimmt gingen mit dem Geschick eines Tetris-Spielers sogar zwei hinein. Mehr wären kaum sinnvoll, denn die Rückbank muss man dazu selbstverständlich umlegen. Erstaunen erzeugte, dass dieses Kunststück trotz des wegen der Akkus leicht erhöhten Kofferraumbodens und der rundgewölbten Dachlinie funktionierte. Übrigens bietet Toyota echte Zurrösen aus richtigem Metall. Warum ich mich darüber freue? Wir kennen SUV-Hersteller, die dort verchromtes Plastik einsetzen. Ein echtes Sicherheitsrisiko, sollte ihnen jemand versehentlich Vertrauen schenken! Das Kofferraumabdeckrollo verschwindet elegant klapperfrei in einem eigenen Fach unter dem Ladeboden. Die Übersichtlichkeit fand ich dagegen enttäuschend und den wahrscheinlich nötigen Heckspoiler ärgerlich, wenn er nachts die Scheinwerfer des Hinterherfahrers rhythmisch im Geschaukel abwechselnd verdeckte und wieder blenden ließ.

Apropos: Die Positionierung der Fernlichtkontrolleuchte gefiel mir fast noch besser als das schlecht gemachte HUD [5]. Sie liegt rechts, vor dem Beifahrer, ist prima zu sehen aber nervt dort überhaupt nicht wie so viele andere, die zu hell und zu sehr im Blickfeld liegen. Das Fernlicht selbst kann man im Prius übrigens getrost auch als Flutlicht bezeichnen, so hell wird es vor einem. Entgegenkommende signalisieren schon von ungewohnt Weitem ihre Blendung.

Sehr gefallen hat die Möglichkeit, den Wählhebel einfach zwischen „vorwärts“ und „rückwärts“ hin- und herwerfen zu können. Das geht natürlich nur mit einem reinen E-Antrieb oder eben Toyotas „Hybrid Synergy Drive" und gibt einem das Gefühl, selbst noch beim Rangieren zu rekuperieren. Das Nutzbremsen ist sehr gut mit dem Reibungsbremsen verschliffen und gibt einem kaum einen Anhaltspunkt eines Übergangs. Der Wählhebel sieht in seiner Stellung „B“ eine stärkere Rekuperationsstufe vor, die ich nicht nur im Gebirge genutzt habe. Nun mag es vielleicht eine Geschmacksfrage sein, aber eine noch strengere Stufe zum Einpedalfahren hat mir hier gefehlt.

Als Fazit drei Erkenntnisse: Das Sein bestimmt das Bewusstsein und daher fahre ich in einem Hybridauto tatsächlich ganz anders. (Außerdem wirft es mehr Fragen auf als ein herkömmliches Auto). Zweitens: Die Plug-In-Möglichkeit ist toll, aber viel zu teuer. Auch bei günstigem oder geschenktem Strom (danke!) spart man den Aufpreis dafür wohl nicht herein. Drittens: Elektroautos wären perfekt. Bis sie in Reichweite und Ladedauer den Verbrennungs-Autos gleichziehen, bleiben sie in einer Nische oder müssen sich als Plug-In-Hybrid durchschlagen. Einziger Ausweg wären E-Autos mit tankbaren Energieträgern wie Wasserstoff oder Redox-Flow-Batterien. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.


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[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Toyota-Prius-Plug-in-im-Praxistest-Eine-Zwischenbilanz-2149540.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Toyota-Prius-Plugin-im-Praxistest-Transport-und-Unterhaltung-2155704.html
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Toyota-Prius-Praxistest-Vom-Feedback-und-kulturell-bedingten-Unterschieden-2151411.html
[5] https://www.heise.de/autos/artikel/Praxistestauftaktgedanken-zum-Toyota-Prius-Plugin-Hybrid-2139983.html