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Fahrbericht: Citroën Berlingo BlueHDi 120

Der Pragmatist

Fahrberichte Jürgen Wolff
Citroen

Seit fast 20 Jahren bietet Citroën einen Berlingo an. Seit 1996 wurden 2,9 Millionen Stück verkauft. Die aktuelle Generation, die schon seit 2008 auf dem deutschen Markt ist, wurde im Frühjahr leicht überarbeitet. Wir waren mit dem 120-PS-Diesel unterwegs

Marseille, 5. Juni 2015 – Seit fast 20 Jahren bietet Citroën einen Berlingo an. Seit 1996 wurden 2,9 Millionen Stück verkauft. Die aktuelle Generation, die schon seit 2008 auf dem deutschen Markt ist, wurde im Frühjahr leicht überarbeitet. Das Update betraf vor allem die Motoren. Wir waren mit dem 120-PS-Diesel unterwegs.

Form follows function

Beim Berlingo bestimmt weitgehend die Funktion die Form: viel Platz und Stauraum, hohes Dach, große Schiebetüren an der Seite, üppige Klappe oder Türen im Heck. Entsprechend ähnlich in der Optik sind die "Hochdachkombis" unterwegs. Abgesehen von Platzhirsch und Marktführer VW Caddy, der in Deutschland 2014 mit insgesamt 30.155 Zulassungen weit abgeschlagen vorne lag, ist der Berlingo mit 9109 Zulassungen der erfolgreichste im Verfolgerfeld. Dann kommen Renault Kangoo (5104 Zulassungen), Peugeot Partner (2296), Fiat Doblo (1162) und Opel Combo (825).

Der überarbeitete Berlingo ist äußerlich an der neuen Frontpartie zu erkennen. Der Kühlergrill ist breiter und tiefer eingebaut, die in vier Varianten angebotene Schürze in Schwarz oder der Karosseriefarbe hat nun optional LED-Tagfahrlicht. Die Heckscheibe lässt sich einzeln öffnen und gibt auch den Zugriff auf ein aufpreispflichtiges Staufach im Dach frei. Geblieben sind die weit aufschwingende Heckklappe und die niedrige Ladekante, die bequemen Schiebetüren und die insgesamt knubbelige Optik.

Dank des Hochdach-Konzepts würde selbst Marge Simpsons Turmfrisur eine Ausfahrt unbeschadet überstehen. Gegen Aufpreis gibt es den Dachhimmel „Modutop“ mit viel Glasflächen, die dem Berlingo nicht nur viel Licht und optische Weite verleihen, sondern in den gleich auch noch ein Ablagesystem integriert ist. Insgesamt haben die Ablagefächer im Berlingo dann ein Fassungsvermögen von 170 Litern.

Am Armaturenbrett hat sich nicht allzu viel geändert, sieht man mal von dem neuen 7-Zoll-Touchscreen in der Mitte ab. Darüber laufen Navigation und Multimedia, er dient als Bordcomputer und als Schnittstelle zum Smartphone. Aktuell arbeitet er nur mit Android-Handys zusammen. Die Bedienung ist einfach, wenn man sich erst einmal an ein paar gestalterische Eigenheiten gewöhnt hat. Dazu gehört zum Beispiel, dass die Lautstärke des Radios über unscheinbare Druckknöpfe oberhalb des Displays geregelt wird. Ganz versteckt nach Citroën-Art: Die Bedienelemente für Tempomat etc., die man hinter dem Lenkrad nur ertasten kann.

Pragmatisch eingerichtet

Von den Materialien her ist beim Berlingo das eine Tugend, woran man in anderen Autos gerne herum mäkelt: Hartplastik. Beim Berlingo gibt es das rundum – und das ist gut so. Denn die Oberflächen lassen sich so relativ einfach sauber halten, wenn der Nachwuchs die Kurvenfahrt mal nicht verträgt oder die Schokoladenfinger mal wieder hingelangt haben, wo sie nicht hinlangen sollten. Ähnlich robust sind auch die Bezugsstoffe der bequemen Sitze. Die drei hinteren Sitze sind einzeln verstellbar und können auch komplett herausgenommen werden. Entsprechend lässt sich das Gepäckraumvolumen von normal schon üppigen 675 Litern auf 3000 Liter erweitern. Von der Fläche her passen dann zwei Euro-Paletten ins Heck des Berlingo.

Beim Fahren geht es im Berlingo ruhiger als bisher zu. Mit viel Feinarbeit haben die Ingenieure deutlich den Pegel der Geräusche gesenkt, die noch von außen eindringen. Die Windgeräusche halten sich in moderaten Grenzen, ebenso die Abrollgeräusche. Und auch der Motor drängt sich dank Kapselung akustisch nicht in den Vordergrund.

Die Motoren für den Berlingo hat Citroën überarbeitet und fit gemacht für Euro 6. Lediglich bei den gewerblichen Kastenwagen sind noch zwei Euro 5-Motoren gelistet. Bei den Kombis sind zwei Benziner mit 98 PS und 120 PS im Angebot. Dazu kommen zwei Diesel mit 99 PS und mit 120 PS. Die Benziner und der kleine Diesel haben ein manuelles Fünfgang-Getriebe, letzteren gibt es auch mit einer 6-Gang-Wandlerautomatik.

Sicher nicht die schlechteste Wahl ist der 120 PS starke BlueHDi und 6-Gang-Getriebe, mit dem wir unterwegs waren. Die Schaltung sitzt erhöht am Armaturenbrett gleich unter der Klimaanlage und ist so schnell und einfach zu erreichen. Der kurze Hebel flutscht präzise durch die Kulisse. Der Motor selbst hat nicht zuletzt dank des maximalen Drehmoments von 300 Nm, die ab 1750/min. anliegen, kein Problem mit dem leer 1,5 Tonnen schweren Berlingo. Die Gasannahme ist direkt und nach minimal 11,4 Sekunden ist der Kombi aus dem Stand auf Tempo 100. Bei 174 km/h ist Schluss. Im NEFZ ist der Berlingo mit 4,4 Litern angegeben. Real kommen je nach Fahrweise ein bis drei Liter dazu.

Keine übermäßige Neigung

Der Berlingo mit einer überraschend komfortablen Federung unterwegs: Die meisten Unebenheiten schluckt sie ziemlich unauffällig weg. Die Lenkung gibt ausreichend Rückmeldung und liefert auch genügend Widerstand. Ohnehin prescht man mit einem hohen Kombi wie dem Berlingo nicht mit Vollgas um die Kurven. Aber auch bei etwas flotterer Gangart bleibt er brav in der Spur, neigt sich trotz seines hohen Schwerpunkts nicht übermäßig und lässt sich agil und sicher bewegen.

Die Preise nach dem Facelift beginnen bei 17.600 Euro für die Basisversion des Benziners mit 98 PS. Das sind 160 Euro mehr als bisher. Den gefahrenen Blue HDi 120 mit 120 PS gibt es ab 23.600 Euro aufwärts. Zum Vergleich: Für den Fiat Doblo werden mindestens 17.290 Euro fällig, für den Renault Kangoo mindestens 16.650 Euro und für den VW Caddy mindestens 17.719 Euro – alles also ziemlich eng beisammen. Mit einer Ausnahme: Den Dacia Dokker kann man ab 8990 Euro kaufen. Wer ein paar Euro mehr in den Berlingo investieren möchte, der findet in der Aufpreisliste mittlerweile eine ganze Reihe von Optionen, die seine Anfänge schnell vergessen lassen. Dazu gehören Dinge wie Rückfahrkamera, Notbremsassistent, Tempomat, automatisches Fernlicht, Berganfahrhilfe, Freisprechfunktion fürs Telefon.


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