IEEE-Tagung: LTE-Koexistenz, Patentquerelen und Langstrecken-WLAN

Auf dem Mai-Treffen der IEEE-Arbeitsgruppen rund um Funktechniken lief die Diskussion zur Koexistenz von LTE mit WLAN im 5-GHz-Band konstruktiv. Streit um neue Regeln zum Umgang mit Patenten hemmt dagegen die Fortentwicklung des Sub-1-GHz-WLAN-Standards.

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"Wir können als Ingenieure sehr präzise die nächsten fünf Jahre vorhersagen, aber die Gesellschaft benötigt eine Prognose für die nächsten 20 Jahre."

(Bild: IEEE)

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Von
  • Peter Jensen
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LTE-Mobilfunk soll mit LAA das 5-GHz-Band als Downstream-Entlastungskanal mitbenutzen dürfen, muss sich dann aber ebenso wie das WLAN an Regulierungsauflagen etwa bezüglich der Sendeleistung halten.

(Bild: c't 3/15 )

Eines der wichtigsten Diskussionsthemen auf den Turnustreffen der IEEE-Arbeitsgruppen zur Standardfamilie 802.11 war, ist und bleibt der Plan der Normungsgruppe 3GPP, Mobilfunk nach dem LTE-Verfahren auch im lizenzfreien 5-GHz-Funkband einzusetzen. Um die Sorgen der IEEE-Delegierten aufzunehmen, schickte die 3GPP einen Vertreter, der während einer Sitzung des 802.19-Komitees (Wireless Coexistence Working Group) den Stand der gegenwärtigen Studien erläuterte. Anders als bei früheren Besuchen von 3GPP-Vertretern war die Stimmung in der Gruppe und während der Diskussion diesmal wesentlich freundlicher und konstruktiver.

Zur Koordinierung zwischen IEEE 802 und anderen Gruppen werden sogenannte Liaison Letters genutzt. Auch dieses Mal verabschiedete das 802.19-Komitee einen solchen Brief an die 3GPP, in dem es verschiedene Vorschläge für fortgeführte Koexistenzbetrachtungen macht. Ob es jedoch zu einem gemeinsamen eintägigen Treffen zwischen IEEE 802 und 3GPP kommt, ist ungewiss: Beide Gruppen haben feste Zeitpläne. Der Vorschlag, dass die 3GPP im Rahmen der nächsten IEEE-802-Tagung in Hawaii dazu stößt, wird nur schwer umzusetzen sein. Gleichwohl äußerten sich auch jene Teilnehmer positiv, deren Arbeitgeber sich eher als WLAN-Bewahrer verstehen.

Die US-Frequenzregulierungsbehörde FCC bat Anfang Mai um Unterrichtung über den Stand und die Art der Koordination zur WLAN/LTE-Koexistenz. So entwickelte das von 802.11 (WLAN, Wi-Fi) und 802.15 (Wireless Personal Area Network: Bluetooth, ZigBee etc.) geführte Standing Committee für Themen der Frequenzregulierung (Regulatory SC) im Einklang mit der Koexistenz-Arbeitsgruppe 802.19 eine Eingabe an die FCC. Weil solche Eingaben höchst subjektive Kommentare sein können, waren die Teilnehmer sich zunächst nicht recht einig, ob das Schreiben angemessen sei. So wiesen teilnehmende Mobilfunknetzbetreiber daraufhin, dass das proprietäre LTE-U-Verfahren (Unlicensed) zwar von einem Firmenkonsortium außerhalb der 3GPP entwickelt wurde, die Spezifikation inzwischen aber allgemein zugänglich ist. Letztlich wurde jedoch ein Schreiben formuliert, das alle Teilnehmer zufriedenstellte.

Wenig abgewinnen konnten die Regulatory-SC-Teilnehmer den FCC-Plänen, das 3,5-GHz-Band in den USA für unlizenzierte Funksysteme freizugeben. Zu vielfältig sind die dabei gesetzten Einschränkungen, sodass die WLAN-Arbeitsgruppe ankündigte, keine Norm für dieses Band entwickeln zu wollen. Auch fürchtet man, dass WLAN bei 3,5 GHz nicht mit einer möglichen LTE-Variante konkurrieren könne, da die Basisstationen bei LTE bessere Kontrolle über die Endgeräte haben.

802.11ah, das WLAN fürs Internet der Dinge unterhalb 1 GHz, soll nicht nur Haushaltsgeräte oder Smart Meter ins Netz binden, sondern auch als drahtloses Gateway für Sensornetze dienen.

(Bild: W. Sun et al, Seoul National University )

Nach der IEEE-Tagung im März traten die vor längerer Zeit im IEEE SA Patcom (Standards Association Patent Committee) vorbereiteten Änderungen im Umgang mit Patenten in IEEE-Normen in Kraft. Diese Stunde Null führt zu einem Eiertanz im Umgang mit Schutzrechten bei 802.11ah (Sub-1-GHz-WLAN). Qualcomm verkündet bereits auf einer eigens eingerichteten Website, dass die Firma die neuen Regeln als höchst problematisch ansieht und keine Lizenzen unter diesen Vorgaben erteilen wird.

Als gemeinnützige und damit in den USA steuerbefreite Organisation unterliegt die IEEE strengen Neutralitätsvorgaben, die es schwierig bis unmöglich machen, Patente betreffende Themen während ihrer Tagungen zu diskutieren. Die Mehrheit der in Patcom vertretenen Firmen verbindet mit den neuen Regeln die Hoffnung, weniger Lizenzgebühren entrichten zu müssen. Andere hegen Befürchtungen, dass sich künftig Investitionen in Forschung und Entwicklung nicht mehr lohnen, wenn Ergebnisse zu gering vergütet werden und auch nicht mehr rechtlich durchsetzbar sein werden.

Auf den Vorschlag, den Entwurf der 802.11ah-Norm um die Patente Qualcomms herum neuzuschreiben, gab es somit keine Entscheidung. Die Gruppe vertagte das Thema und richtet sich stattdessen auf eine fünfte Abstimmungsrunde ein. Es ist daher offen, ob Qualcomms Eingabe, dass ein Bekenntnis zur Patentlizenzierung vorläge, Geltung findet. Wegen der verhärteten Fronten scheint eine Einigung gegenwärtig unmöglich.

Vielleicht kommt es daher zu rechten Zeit, dass ein Vortrag im SC Wireless Next Generation (WNG) anregte, eine neue Betriebsart im 2,4-GHz-Band zu etablieren, die höhere Reichweiten zum Ziel hat. Die Datenrate eines solchen Verfahrens läge irgendwo zwischen der Mindestgeschwindigkeit von einem MBit/s des WLAN-Oldies 802.11b und den minimalen 100 kBit/s des vorgenannten 802.11ah, das mit Kanalbreiten zwischen 1 und 16 MHz arbeiten soll. Die 11ah-Alternative soll mindestens den eigenen Wohnbereich abdecken und darüber hinaus noch wenige hundert Meter weiter reichen, wogegen 802.11ah auf 1000 Meter und mehr kommt.

Für den Vorschlag spricht, dass das 2,4-GHz-Band weltweit so gut wie einheitlich zur Verfügung steht, während es für 802.11ah keinen gleichermaßen nutzbaren Frequenzbereich gibt. Nachteilig ist, dass das neue Verfahren mit dem etablierten 2,4-GHz-WLAN (802.11b/g/n) wird koexistieren müssen. Das erzwingt eine Kanalbreite von 20 MHz, was wiederum in eine untere Rauschgrenze von rund -100 dBm mündet. Eine einzusetzende Arbeitsgruppe wird also einen technischen Spagat wagen müssen.

Die nach Anzahl der Teilnehmer und Sitzungsdauer größte Gruppe ist IEEE 802.11ax. Die High-Efficiency-WLAN-Gruppe zählt rund 200 Köpfe, die den beschleunigten Nachfolger von 802.11ac und Verbesserungen für dichte Netze entwickeln. Obschon ein Konsortium um die führenden WLAN-Chiphersteller bemüht ist das Geschehen zu dominieren, können diese längst nicht all ihre Vorschläge durchdrücken. Auch fällt es diesem Konsortium nun zu Füßen, dass es mit Tricks versucht, den Debattenverlauf auszuhebeln.

Von 2 auf 38 Seiten über Nacht: Intels Vorschlag für High-Efficiency-WLAN hat im März nach dem Abgabetermin binnen eines Tages bemerkenswert an Details zugelegt. Vor dem Kongress gründlich prüfen konnten die Teilnehmer das Konvolut so freilich nicht.

(Bild: IEEE )

Bereits im März erregte ein Beitrag den Ärger der Teilnehmer, als bis zum Abgabetermin nur ein leeres Dokument vorlag, zum Vortrag selbst jedoch ein OFDMA betreffender Vorschlag mit so großer Detailfülle vorgestellt wurde, dass eine angemessene Prüfung durch die Teilnehmer unmöglich war. Erneut unterband der Vorsitzende solche Verfahrenstricks, die diesmal im Versuch bestanden, eine bereits fehlgeschlagene Abstimmung nur marginal verändert zu wiederholen, um letztlich doch noch im Konzeptdokument unterzukommen. Ob solcher Kniffe und des langsamen Fortschritts macht sich jedoch Ernüchterung unter einigen Teilnehmern breit, dass 802.11ax wohl nicht der erhoffte große Wurf und auch die angepeilte Geschwindigkeitsvervierfachung gegenüber 802.11ac verfehlt wird.

Zur nach Teilnehmerzahl zweitgrößten Gruppe hat sich mittlerweile 802.11ay gemausert. Hier entsteht der Nachfolger des Zimmerfunkers 802.11ad (60-GHz-WLAN mit 4,6/6,9 GBit/s brutto), der selbst bislang kaum Verbreitung gefunden hat. Das dürfte zum Teil an Ungenauigkeiten in der 802.11ad-Norm liegen. Die Arbeitsgruppe TGmc, die sich um die Integration aller seit 2012 aufgelaufenen Ergänzungen in die für nächstes Jahr erwartete Standardausgabe 802.11-2016 kümmert, ist nämlich bisher noch bei jedem Treffen mit 802.11ad betreffenden Korrekturen beschäftigt gewesen: Die Hauptarbeit konzentriert sich auf akkurate Modellierung des Funkkanals und den daraus resultierenden Konsequenzen für künftige, technische Beiträge.

Nach vielen Monaten der Diskussion konnte sich TGmc endlich dazu durchringen, die bereits 2010 verabschiedete Norm für Car-to-Car-Kommunikation (802.11p) so zu ändern, dass statt der nur in 802.11 verwendeten Logical Link Control Protocol Discrimination (LPD) die sogenannte EtherType-Einkapselung (EPD) zur Verwendung kommen soll. Was beim stationären WLAN zurzeit eine eigene Arbeitsgruppe beschäftigt, fand bei 802.11p letztlich nur deswegen Unterstützung, weil es bislang immer noch keine Geräte gibt und die Umstellung so keine Kompatibilitätsprobleme bringt. Die US-amerikanische Verkehrsbehörde (Department of Transportation, DoT) geht jedoch von einer verpflichtenden Einführung im Jahr 2017 aus. (ea)