c't 10/2018
S. 86
Test
Noise-Cancelling-Kopfhörer
Aufmacherbild

Privatkonzert

Sieben Bluetooth-Kopfhörer mit Noise Cancelling im Vergleich

Hochwertige Bluetooth-Kopfhörer mit aktivem Noise Cancelling schotten den Träger akustisch von der Außenwelt ab – egal ob im Flieger, auf der Straße, im Büro oder auf dem Sofa. Hat man sich einmal an die kabellose Freiheit und den brillanten Klang gewöhnt, möchte man sich nichts anderes mehr auf die Ohren setzen.

Aufsetzen und entspannen – so könnte man das Erlebnis mit einem High-End-Kopfhörer mit aktiver Geräuschunterdrückung (Active Noise Cancelling, ANC) beschreiben. Die Welt um einen herum verstummt und stattdessen hört man sein Lieblingsstück in angenehmer Lautstärke, genießt das Hörbuch oder schaut sich einen Film im Flugzeug an, ohne dass der Turbinenlärm die Dialoge übertönt. Für viele c’t-Redakteure sind diese Art Kopfhörer zu ständigen Begleitern geworden: Beim Arbeiten helfen sie, sich besser zu konzentrieren und auf Reisen sorgen sie für Unterhaltung und Entspannung – wo man sich gerade befindet, gerät zur Nebensache.

Bei diesem Vergleichstest haben wir uns auf die Spitzenmodelle konzentriert: den Beats Studio3 Wireless, Bose QuietComfort 35 II, Bang & Olufsen Beoplay H9i, Bowers & Wilkins PX, Marshall MID A.N.C., Sennheiser PXC 550 und den Sony WH-1000XM2. Bis auf den Marshall handelt es sich um geschlossene Over-Ear-Modelle, der MID A.N.C. ist hingegen nach dem On-Ear-Prinzip konstruiert.

Video: Nachgehakt

ANC

Beim Active Noise Cancelling oder Active Noise Cancellation geht es darum, den in den Kopfhörer eindringenden Umgebungslärm mithilfe von Gegenschall zu reduzieren. Die Kopfhörer nehmen mit ihren Mikrofonen die Geräusche auf und spielen blitzschnell errechneten Gegenschall ab. Das funktioniert auch, ohne dass man dabei Ton abspielt. So kann man die Kopfhörer auch einfach als Ohrenschützer tragen. Allerdings hört man dann bei allen Modellen leises Rauschen. Empfindliche Naturen kann das anfangs stören. Das Gehirn gewöhnt sich aber erfahrungsgemäß schnell daran, und nach kurzer Tragezeit nimmt man das Rauschen kaum mehr wahr. Wird Ton abgespielt, hört man es meist gar nicht mehr.

Setzt man einen solchen Kopfhörer das erste Mal auf, fühlt es sich so an, als drücke er die Stille ins Ohr. Ein merkwürdiger Druck wie in einem schallarmen Raum entsteht und einige Kollegen berichteten sogar von Schwindelgefühlen. Das ist aber die Ausnahme und in den meisten Fällen gewöhnt man sich schnell ans neue Gefühl der Stille.

ANC funktioniert aber nicht bei allen Geräuschen gleich gut: Am besten lassen sich tiefe Frequenzen filtern, hochfrequente Störungen nicht so gut. Außerdem müssen es gleichmäßig wiederholende Geräusche sein. Denn der Kopfhörer kann erst einen passenden Gegenschall erzeugen, wenn er die zu filternden Wellen schon einmal gehört hat.

Stimmen beispielsweise filtert keiner der Kopfhörer ganz heraus. Doch bei einigen Modellen hört man sie kaum noch, wenn man bei aktiviertem ANC Musik laufen lässt. Spielt man nichts ab, fallen einige Geräusche und Stimmen sogar deutlicher auf als ohne Noise Cancelling, weil sie als Einziges nicht geblockt werden. Auch als Headset lassen sich die Testkandidaten nutzen.

B&O H9i, Sennheiser PXC 550 und Sony WH-1000XM2 können das Noise Cancelling speziell für Sprache freischalten, damit man sie während eines Gesprächs aufbehalten kann. Sie nehmen die Stimmen dann mit dem Mikrofon auf und spielen sie über die Ohrhörer in Echtzeit ab. Die Durchleitung ist allerdings gewöhnungsbedürftig.

Zwar lassen sich alle Modelle auch per Kabel betreiben, doch dient das definitiv nur als Notlösung, falls man den Kopfhörer mit dem Unterhaltungssystem des Fliegers verbinden möchte oder der Akku schlapp macht – was übrigens sehr selten passiert, da die Kopfhörer in unseren Laufzeittest fast alle über 20 Stunden kabellos mit aktiviertem Noise Cancelling Musik abspielten. Einige Modelle zeigen aktiv und passiv betrieben einen anderen Klang. Unsere Hörtests haben wir alle mit aktiviertenm BT und NC durchgeführt. Hat man einmal die kabellose Freiheit erfahren, die Bluetooth mit sich bringt, möchte man sowieso keine Kordel mehr rumhängen haben.

Codecs

Der einzige Codec, den alle Kopfhörer im Test (und Smartphones) zur Übertragung unterstützen, ist das verlustbehaftete, aber lizenzfreie SBC-Format. Zwar überträgt SBC mit bis zu 345 kBit/s, doch nur unter Idealbedingungen. Die Formate AAC und aptX versprechen bessere Qualität, werden aber nicht von allen Smartphones und Kopfhörern unterstützt: iPhones, iPads und ein paar Sony-Telefone senden in AAC, einige Android-Smartphones in aptX mit fixen 354 kBit/s oder dem noch besseren aptX HD. Das Sony-eigene Format LDAC (990 kBit/s; 24 Bit; 96 kHz) bekommt man nur mit Sony-Smartphones oder speziellen Audio-Playern. Die Unterschiede zwischen den Formaten fallen ungeübten Ohren aber kaum auf und sind vernachlässigbar.

Ein großer Nachteil der Bluetooth-Verbindungen macht sich allerdings beim Filmschauen und Spielen bemerkbar: Fast immer entsteht eine deutliche Verzögerung beim Abspielen des Tones. Dadurch gibt es einen Bild-Ton-Versatz, der je nach Länge sehr nerven kann. Sie hängt unter anderem vom verwendeten Übertragungs-Codec ab und gelegentlich half es, Kopfhörer und Wiedergabegerät neu zu koppeln. Ganz weg bekommt man die Latenz aber nicht.

Tabelle
Tabelle: Bluetooth-Kophörer

Auf die Bluetooth-Version braucht man nicht achten, da alle Geräte im Test Bluetooth 4.0, 4.1 oder 4.2 unterstützen. Die für die Laufzeit relevante Technik Low Energy wurde bereits mit 4.0 eingeführt. Grundsätzlich funktioniert die Kopplung der Geräte mit dem Smartphone oder Tablet problemlos, sobald man weiß, wie man den Kopfhörer in den Kopplungsmodus versetzt. Außerdem haben einige Modelle NFC eingebaut und hiermit ausgestattete Smartphones braucht man nur an den Kopfhörer zu halten, damit sie sich koppeln. Der Beats Studio3 Wireless hat Apples Funkchip W1 eingebaut, sodass iOS-Geräte sofort erkennen, wenn man ihn einschaltet und einen besonders einfachen Kopplungsdialog starten.

Klang

Klanglich spielen alle Testkandidaten in der Spitzenliga. Die bei Smartphones mitgelieferten Headsets klingen im Vergleich wie der letzte Schrott. Allerdings darf man auch nicht die Klangcharakteristik von Studiokopfhörern erwarten: Von Linearität sind alle Modelle weit entfernt. Vielmehr wollten die Hersteller einen unterhaltsamen Klang erzeugen und in den meisten Fällen ist ihnen das gelungen. Sie tun das in verschiedenen Geschmackssorten, doch die Höhen und Bässe heben fast alle an. Durch die geschlossene Bauart können sie in Sachen Räumlichkeit nicht mit offenen oder halboffenen Pendants mithalten.

Noise Cancelling: Grundprinzip

Alle Hersteller liefern Apps für iOS und Android mit, für den Betrieb sind sie aber nicht nötig. Bis auf eine Firmwareaktualisierungsfunktion bieten die meisten Programme kaum erwähnenswerte Vorteile. Sennheiser hat immerhin einen brauchbaren Equalizer eingebaut und bei Sony lassen sich sehr detaillierte Einstellungen am Noise Cancelling vornehmen.

Getestet haben wir die Kopfhörer in verschiedenen Umgebungen und mit verschiedenen Ohren (mit und ohne Brille). Als Testumgebung diente die immer belebte Redaktion mit Lüfterrauschen, quasselnden Kollegen und Tastaturklappern, eine typische deutsche Innenstadt, ein rumpelnder IC-Zug und das heimische Sofa.

Fazit

Der Sony WH-1000XM2 sticht positiv aus dem Testfeld hervor durch seine Kombination aus großartigem Klang, dem besten Noise Cancelling und hohem Tragekomfort. Für schmale Köpfe empfiehlt sich aber eher der strammer sitzende Sennheiser PXC 550. Er hat einen etwas neutraleren Klang, gut funktionierendes ANC, trägt sich meist komfortabel und verpasst nur knapp das Referenz-Niveau des Sony. Die Touch-Steuerung könnte bei beiden Modellen besser funktionieren.

Der Bose QC 35 II wird seinem Ruf gerecht und bietet zusammen mit dem WH-1000XM2 die effektivste Geräuschunterdrückung. Er sitzt unheimlich bequem und lässt sich dank physischer Tasten intuitiv bedienen. Doch spielt der Klang eine Liga unter Sony und Sennheiser – was immer noch sehr gut ist. Ein attraktives Preis/Leistungsverhältnis bietet der Beats Studio3 Wireless: Er ist zumindest etwas preiswerter als die Konkurrenz und kann bei Klang, Geräuschunterdrückung und Tragekomfort mit dem Spitzenfeld Schritt halten.

Der B&W PX hat uns technisch sehr gut gefallen, doch fanden wir keinen Träger, bei dem er über längere Zeit bequem saß. Dem B&O H9i dauerhaft zuzuhören, ist bei hohen Frequenzen zu anstrengend. Beim Marshall MID A.N.C. muss man in fast allen Punkten Abstriche gegenüber den On-Ear-Modellen in Kauf nehmen. Der Beats kostet weniger und bietet mehr Komfort. Einen Sympathiepunkt gibt es aber fürs zeitlose Marshall-Design. (hcz@ct.de)