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Test Hyundai Tucson Hybrid: Sparsam ohne externe Aufladung

Christian Lorenz
Hyundai Tucson Hybrid

Der Hyundai Tucson Hybrid wird es auf dem Markt nicht leicht haben, denn er profitiert nicht von den aktuellen Förderbedingungen.

(Bild: Pillau)

Der Hyundai Tucson der vierten Generation polarisiert optisch mit seiner klaren Kante. Punktet er auch mit inneren Werten? Im Test der Hybrid ohne Stecker.

Irgendwie anders - das fasst das Design des Ende 2020 eingeführten Hyundai Tucson der vierten Generation noch am freundlichsten zusammen. Der Anspruch ist unübersehbar, die sogenannten Premium-Marken in der über alle Maßen beliebten Klasse der Mittelklasse-SUV eigenständig, selbstbewusst und mit hoher Qualität herauszufordern. Auch technisch geht der Tucson interessante Wege. Die beiden Topmodelle mit Allradantrieb sind sowohl als staatlich geförderter Plug-in-Hybrid als auch als Vollhybrid ohne Stecker zu haben. Wir wollten wissen, ob der Hybrid ohne Stecker und mit 169 kW Systemleistung eine echte Alternative ist.

Das Interieur des Tucson polarisiert, Gott sei Dank, bei weitem nicht so wie das Exterieur. Der Testwagen in der Topausstattungslinie "Prime" versprüht Luxus und Flair. Allein die Grafik des Navigationssystems wirkt im Vergleich zu den ebenso hochauflösenden wie teuren Topsystemen der deutschen Premiumhersteller etwas dürftig. Ansonsten fühlt sich der Hyundai im Interieur im Vergleich zur teureren Konkurrenz von VW Tiguan bis Audi Q3 (Fahrbericht) [1] wie ein paar Klassen luxuriöser an. Verarbeitung und Materialien sind auf Volvo-Niveau. Die Mittelkonsole mit haptisch spürbaren Schaltflächen für die Klimabedienung schafft einen ergonomischen Spagat zwischen moderner Optik und intuitiver Bedienung.

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Praktisch sind die Tasten für die Sitzverstellung links an der Beifahrerlehne, mit denen man älteren Mitfahrern den Sitz einstellen oder ein Rücksitzpassagier den Beifahrer ärgern kann. Dieses Feature der Topausstattungslinie zeigt, dass ostasiatische Kunden auch Autoformate für Chauffeurdienste nutzen, bei denen man hierzulande niemals auf diese Idee kommen würde. Kunden überall auf der Welt dürften den vergleichsweise fürstlichen Fond zu schätzen wissen. Sogar im Fond eines BMW X5 sitzt man schlechter, weil mit deutlich weniger Beinauflage. Die Neigung der Rückenlehne lässt sich verstellen. Der Fond eines BMW X3 ist im Vergleich um mehr als eine Klasse unbequemer.

Hyundai Tucson Hybrid AWD - innen (0 Bilder) [3]

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Auch mit seinem Kofferraumvolumen von 616 bis 1795 Litern deklassiert der Tucson Hybrid sogar die Verbrenner-Versionen BMW X3 (550 bis 1600 Liter) und Audi Q5 (520 bis 1520 Litern). Vergleicht man die Plug-in-Hybride, ist der Abstand des Tucson PHEV mit 558 bis 1721 Litern noch deutlicher (BMW X3 30e: 450 bis 1500 Liter, Audi Q5 50 TFSi e Quattro: 455 bis 1365 Liter).

Dabei ist der Tucson eigentlich eine ganze Nummer kleiner als diese Konkurrenten. Mit rund 4,5 m ist er etwa so lang wie Audi Q3 und VW Tiguan. Trotz im Vergleich zum X3 um 20 cm kürzerer Karosserie bietet der Hyundai in jeder Hinsicht deutlich mehr Platz. Eine elektrische Heckklappe ist serienmäßig. Die Gestensteuerung ist aber nicht auf dem Niveau, das die Deutschen gegen Aufpreis bieten. Es passiert Neulingen oft, dass die Heckklappe ungewollt öffnet, wenn man hinter dem Hyundai vorbeiläuft.

Hyundai Tucson Hybrid AWD - Anzeigen, Details im Interieur (0 Bilder) [5]

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Das SUV setzt sich lautlos elektrisch in Bewegung. Das Zusammenspiel des 1,6-Liter-Vierzylindermotors mit 132 kW und dem 44 kW starken Elektromotor funktioniert harmonisch. Der Fahrer bekommt vom ausgeklügelten Antrieb nichts mit. Der Tucson Hybrid ist sehr angenehm motorisiert und prädestiniert für das entspannte Kilometerfressen, zumal der kleine Vierzylinder gut gedämmt ist. Die Zweiliter-Motoren von BMW und Audi werden beide noch nöliger, wenn man sie fordert. Mit dem optionalen Allradantrieb ist man zudem auf fast jedem Geläuf und jeder Witterung souverän gerüstet. Die Fahrleistungen mögen sich vielleicht für manche Zeitgenossen zu unspektakulär lesen.

Tatsächlich fühlt sich der Tucson Hybrid viel besser und souveräner motorisiert an, als die Daten mit gut acht Sekunden für die Beschleunigung auf 100 km/h und 193 km/h Höchstgeschwindigkeit ausdrücken können. Stammtisch-Fabelzeiten standen hier nicht im Lastenheft. Der Tucson ist für Sparsamkeit optimiert. Eine Ladeanzeige signalisiert, dass der 1,49 kWh kleine Akku meist zur Hälfte gefüllt ist. Mit einem Durchschnittsverbrauch von knapp 6 l/100 km ist der Tucson Hybrid vergleichsweise sparsam. In der Stadt, wo der Elektromotor noch öfter eingreift und mehr rekuperieren kann, sind sogar Verbrauchswerte mit einer Fünf vor dem Komma drin. Das ist für ein SUV dieser Größe mit mechanischem Allradantrieb beeindruckend.

Diese Hybridtechnik ist, ähnlich wie der viel gelobte HSD-Antrieb von Toyota, eine interessante, vielleicht sogar bessere Alternative zu den Plug-in-Hybriden. Die Effizienz ist in der Praxis besser als bei vergleichbaren PHEV. Der Gesetzgeber fördert allerdings nur letztere. Das liegt daran, dass deutsche Hersteller so gut wie keine Vollhybrid-Fahrzeuge ohne Stecker anbieten. Es scheint dem Gesetzgeber mehr um die Förderung der deutschen Automobilindustrie zu gehen als um niedrige Schadstoffemissionen.

Hyundai hat beim Tucson den alternativ verfügbaren Plug-in-Hybrid so kalkuliert, dass sein Preis nach Abzug der Förderung etwa 3000 Euro unter dem hier getesteten Fahrzeug liegt. Die Ursache dafür liegt auf der Hand: Dank der absurden Berechnung des Verbrauchs von PHEV-Modellen [7] im WLTP profitiert der Hersteller im Flottenverbauch von jedem verkauften Plug-in-Hybrid. In der Praxis liegen Sprit- und Stromverbrauch allerdings oftmals erheblich über den Laborwerten. Schade ist, dass insbesondere durch die geringere Dienstwagenbesteuerung für PHEV der hier getestete Hybrid ohne Stecker für Geschäftskunden finanziell uninteressant wird.

Das frontbetonte Allradsystem HTRAC kostet beim getesteten Modell 2000 Euro Aufpreis und stammt vom Zulieferer Magna. Es steuert über eine elektronisch gesteuerte Lamellenkupplung je nach Schlupf bis zu 50 Prozent der Antriebskraft auf die Hinterachse.

Das Ansprechverhalten der Lamellenkupplung ist über die sogenannten Terrain-Modes Schlamm, Sand und Schnee auf lose Untergründe einstellbar. Überzeugend ist auch das Fahrwerk des Tucson. Die Lenkung ist so, wie man sie sich wünscht. Sie verbindet Leichtgängigkeit mit Exaktheit und angenehmem Geradeauslauf. Dabei liegt der Tucson gut auf der Straße und macht auch auf sportlich gefahrenen Serpentinen viel Freude.

Da zahlen sich die Nordschleifenrunden aus, die Hyundai stark betont, zur Feinabstimmung des Tucson gedreht zu haben. Wie die Fahrerlegende Walter Röhrl immer sagt, ein gutes Auto musst du auf der Nordschleife abstimmen. Nur die Bremsen fühlen sich für manche gewöhnungsbedürftig schwammig an, zu wenig exakt zu dosieren. Ein Effekt, der durch das Rekuperieren kommt und bei elektrifizierten Autos öfter auftritt. Ich kam damit aber gut zurecht.

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Der Federungskomfort ist auch gelungen. Der Testwagen verfügt über das aufpreispflichtige elektronisch gesteuerte Dämpfungssystem ECS. Auch mit den großen Niederquerschnittsreifen kommen nur wenige Schläge an harten Kanten durch. Gleichzeitig ist der Tucson agiler als Audi Q3, Opel Grandland (Test) [9] oder Peugeot 3008 (Test) [10], die nach Außenabmessungen, Leistung und Preis seine eigentlichen Konkurrenten sind.

Grund zur Kritik gaben dagegen zum Teil die sogenannten Assistenzsysteme. Der Spurassistent greift in die Lenkung ein, wenn man auf breiten Autobahnspuren mittig geradeaus fährt. Man erhält ständig grundlose Warnungen, beide Hände am Lenkrad zu lassen. Wer verzichten will, muss aber in die Untiefen der nicht intuitiven Menüstruktur des Infotainment abtauchen, um jedes einzelne System mühsam abzuschalten. Der Lohn dafür ist gering, denn beim nächsten Motorstart sind alle Systeme wieder aktiviert. Ein Taster wie bei BMW, um alle Assistenzsystem auf einmal abzustellen, würde den Tucson im Alltag ungemein aufwerten.

Der nahezu voll ausgestattete Testwagen kostet knapp 49.000 Euro. Das ist fraglos viel Geld. Ein vergleichbar ausgestatteter Audi Q3 40 TFSI Quattro S-Tronic mit 140 kW starkem Benziner ist aber laut Liste schon etwa 9000 Euro, ein Tiguan Elegance mit gleicher Motorisierung und vergleichbarer Ausstattung immer noch 3000 Euro teurer. Ein ähnlich ausgestatteter Peugeot 3008 kostet mit Frontantrieb und mit 96 kW vergleichsweise sehr schwachem Benziner nur etwa 3000 Euro weniger.

Hyundai Tucson Hybrid AWD - außen (8 Bilder) [11]

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Mit einer Länge von 4500 mm und einem Radstand von 2680 mm schafft der Hyundai Tucson der vierten Generation eine überzeugende Raumausnutzung. Er hat mehr Platz als manche deutlich größere Fahrzeuge. Die Dachlackierung des Testwagens in kontrastierendem Schwarz kostet übrigens noch einmal 600 Euro zusätzlich zur Metallic-Lackierung. Insgesamt kostet die Lackierung des Testwagens so 1210 Euro Aufpreis. (Bild: alle Florian Pillau
)

Wer auf Allradantrieb und den ganz großen Luxus verzichten kann, bekommt bei Hyundai für unverhandelt 39.000 Euro ein vernünftig ausgestattetes Fahrzeug. Der Plug-in-Hybrid ist preislich natürlich interessant, kostet nach Abzug der Förderung etwa 3000 Euro weniger. Aber für den Alltagsgebrauch insbesondere ohne Lademöglichkeit zu Hause ist der Tucson Hybrid ein erfreuliches Auto.

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Es bleibt aber trotzdem zu befürchten, dass er aufgrund der Förderpolitik in Deutschland gegen den PHEV nur ein Nischendasein fristen wird. Insgesamt zeigt der Tucson, dass Lernkurve bei Hyundai sehr steil ist. Der Sprung gegenüber dem Vorgänger ist erstaunlich. Der Tucson der vierten Generation ist ein harmonisches SUV mit intelligentem Antrieb, niedrigem Verbrauch, hohem Komfort und überzeugendem Raumangebot.

Mit seinem beeindruckend effizientem Antrieb, großzügigem Raumangebot und gelungenem Fahrwerk bietet der Hyundai Tucson Hybrid eine überzeugende Vorstellung, die die arrivierten Platzhirsche der selbsternannten süddeutschen Premiumfraktion nervös machen sollte. Der Preis ist hoch. Preiswerter als die meisten Konkurrenten ist der Tucson aber immer noch. Privatkunden sollten trotz des Mehrpreises den Hybrid ohne Stecker in Erwägung ziehen. Im Alltag dürfte man damit effizienter unterwegs sein als mit dem Plug-in-Hybrid.

Das Auto wurde vom Hersteller zur Verfügung gestellt, die Benzinkosten wurden von der Redaktion übernommen.

Datenblatt
Hersteller Hyundai
Modell Tucson Hybrid 1.6T-GDI HEV Allrad
Motor und Antrieb
Motorart Hybrid mit Benziner
Zylinder 4
Ventile pro Zylinder 4
Hubraum in ccm 1598
Bohrung x Hub 75,6 x 89,0
Leistung in kW (PS) 132 (180)
bei U/min 5500
Drehmoment in Nm 265
bei U/min 1500 - 4500
Leistung in kW E-Motor 44
Drehmoment in Nm E-Motor 264 Nm
Systemleistung in kW (PS) 169 (230)
Antrieb Allrad
Getriebe Wandler-Automatik
Gänge 6
Fahrwerk
Spurweite vorn in mm 1615
Spurweite hinten in mm 1622
Lenkung Zahnstangenlenkung mit elektrischer Unterstützung
Wendekreis 10,92
Reifengröße v/h 235/50 R19 (Option beim Testwagen)
Reifengröße v/h 215/65 R17 (Serie)
Bremsen vorn innenbelüftete Schwimmsattel-Scheibenbremsen
Bremsen hinten Schwimmsattel-Scheibenbremsen
Maße und Gewichte
Länge in mm 4500
Breite in mm 1865
Höhe in mm 1651
Radstand in mm 2680
Kofferraumvolumen in Litern 616-1795
Leergewicht in kg nach EU inklusive 68 kg Fahrer und 7 kg Gepäck 1709 - 1830
Zuladung in kg 415 - 536
Dachlast in kg 100
Tankinhalt in Litern 52
Batterie in kWh netto 1,49
Fahrleistungen
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in Sekunden 8,3
Höchstgeschwindigkeit in km/h 193
Verbrauch
Verbrauch WLTP in Litern/100 km 5,6
CO2-Emission WLTP in g/km 127
Testverbrauch in Litern/100 km 6,1
Daten Stand September 2021
Preisliste
Modell Hyundai Tucson Hybrid AWD
Ausstattungslinie Prime
Preis für diese Ausstattungslinie 45.400
Infotainment
USB-Anschluss Serie
Soundsystem Serie
Navigationssystem Serie
Verkehrsdaten in Echtzeit Serie
Freisprecheinrichtung Serie
Head-up-Display -
Android Auto/Apple CarPlay Serie
kabelloses Laden von Handys Serie
Assistenz
Abstandstempomat Serie
Einparksensoren vorn Serie
Einparksensoren hinten Serie
Einparkassistent Assistenz-Paket Plus, 980 Euro
Rückfahrkamera Serie
Müdigkeitserkennung Serie
Spurhalteassistent Serie
Matrix-Licht -
Nachtsicht-Assistent -
Funktion
LED-Scheinwerfer Serie
elektrische Heckklappe Serie
Alarmanlage Serie
schlüsselloser Zugang Serie
adaptives Dämpfungssystem 980
Komfort
Sitzheizung vorne Serie
Sitzheizung hinten (außen) Serie
Sitzbelüftung Serie
Massage -
Ledersitze Serie
beheizbares Lenkrad Serie
Lederlenkrad Serie
Klimaautomatik (3 Zonen) Serie
Automatikgetriebe Serie
Panorama-Glasschiebedach 1200
Sonstiges
Metalliclack 610
Leichtmetallfelgen Serie
Preis für Einstiegsmodell
Tucson Hybrid Frontantrieb Select 35.400

(chlo [14])


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[5] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_6201124.html?back=6201098;back=6201098
[6] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_6201124.html?back=6201098;back=6201098
[7] https://www.heise.de/autos/artikel/Plug-in-Hybrid-Verbrauchsermittlung-im-WLTP-4225028.html
[8] https://www.heise.de/autos/artikel/Interview-mit-Walter-Roehrl-beim-Edelweissrennen-3355062.html
[9] https://www.heise.de/tests/Opel-Grandland-X-Hybrid4-mit-Plug-in-Hybrid-im-Test-4703217.html
[10] https://www.heise.de/tests/Test-Peugeot-3008-Hybrid4-Sparen-oder-sprinten-4684604.html
[11] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_6201111.html?back=6201098
[12] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_6201111.html?back=6201098
[13] https://www.heise.de/tests/Test-Peugeot-3008-Hybrid4-Sparen-oder-sprinten-4684604.html
[14] mailto:chlo@heise.de