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Elektroauto VW ID.4: Erste Ausfahrt im E-SUV

Martin Franz
VW ID.4

(Bild: press-inform)

Eine Probefahrt in VWs Hoffnungsträger ID.4 zeigt: Der Konzern geht gut vorbereitet in ein Rennen, in dem er gute Chancen hat, vorn mitzumischen.

Selten waren sie Trendsetter in Wolfsburg, so auch dieses Mal nicht. Was der Konzern aber, gemessen in industriellen Maßstäben, innerhalb kurzer Zeit geschaffen hat, nötigt Respekt ab, trotz aller Startschwierigkeiten. Volkswagen hat sich, auch finanziell, derart auf den batterieelektrischen Antrieb festgelegt, dass die Strategen gezwungen sind, die zahlreichen Ableger des Modularen Elektrobaukastens zu einem Erfolg zu machen. Dass es klappt, scheint relativ wahrscheinlich, und die wichtigste Rolle fällt dabei dem VW ID.4 und seinen Derivaten zu. Er stand uns, nur noch minimal getarnt, für eine erste Proberunde zur Verfügung.

Das SUV ist mit 4,62 Meter Länge spürbar größer als der ID.3 und liegt zwischen Tiguan und Tiguan Allspace [1]. Auf den Bildern wirkt der ID.4 voluminöser als er ist, der Radstand ist mit 2,77 Meter sogar identisch mit dem ID.3. Das Platzangebot ist sehr großzügig, die Sitze vorn wie hinten bequem. "Wir haben 6 cm mehr Innenraum als das Tesla Model Y [2], obwohl wir rund 19 cm kürzer sind", erläutert Ralf Brandstätter, Vorstandschef der Volkswagen-Kernmarke VW Pkw. Die Spitze ist natürlich kein Zufall. VW ist sich der Konkurrenz des Tesla Model Y, das ab 2021 voraussichtlich in Brandenburg gefertigt wird und auf eine ähnliche Klientel zielt, sehr wohl bewusst.

Die ersten Kilometer mit dem ID.4 belegen indes, dass VW gut vorbereitet in dieses Rennen geht. Der Testwagen mit der großen Batteriekapazität von 82 kWh, von denen sich 77 kWh nachladen lassen, tritt vehement an, trotz eines Leergewichts von rund 1,8 Tonnen. Genaue technische Daten will VW erst zur offiziellen Premiere am 23. September verraten. Antriebs- und Batteriekonfigurationen werden natürlich weitgehend identisch mit jenen im Skoda Enyaq sein:

Skoda

(Bild: Skoda)

Unterwegs fällt die etwas zu leichtgängige Lenkung auf, die etwas mehr Rückmeldung liefern könnte. Der Wendekreis liegt bei nur 10,2 Metern, hier macht sich bezahlt, dass der E-Antrieb vergleichsweise wenig Platz beansprucht und so der Lenkeinschlag größer ausfallen kann. „Den Wendekreis bekommen wir nur mit einer reinen Elektroplattform hin“, sagt Thomas Ulbrich, VW-Vorstand für den Bereich Elektro. Gut gelungen ist auch die Dämmung. Im Testwagen war Doppelglas eingebaut, Windgeräusch damit allenfalls sehr leise wahrzunehmen.

Volkswagens Routine beim Abstimmen von Fahrwerken ist auch hier zu merken, obwohl sich die Ingenieure hier neu kalibrieren mussten: Motor und Antrieb im Heck, das gab es von VW lange Zeit nicht. Auffällig und erwartbar ist die gute Traktion auf trockener Straße, doch der ID.4 fährt sich unerwartet auch handlich. Das adaptive Fahrwerk bietet eine spürbare Bandbreite, wobei der Komfortmodus meist die beste Wahl ist.

Auf der Autobahn zieht der ID.4 recht flott bis etwas oberhalb von 140 km/h, bis zur Spitze von 160 km/h wird es etwas zäher. Für den globalen Markt ist das gut so, auf deutschen Autobahnen wird sich mancher möglicherweise mehr wünschen. Das liefert aktuell nur das Topmodell mit 225 kW, bei dem VW erst bei 180 km/h dem Treiben ein Ende setzt.

Erste Ausfahrt: VW ID.4 (12 Bilder) [3]

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Der VW ID.4 wirkt auf den ersten Blick größer, als er ist. Autos wie Skoda Kodiaq und Volvo XC60 sind nochmal etwas voluminöser.
(Bild: press-inform)

Der Innenraum ähnelt dem des ID.3, ist allerdings etwas weniger frugal eingerichtet. Das ist gut so, denn der kleine Hoffnungsträger ist diesbezüglich von einer Schlichtheit, die man so gerade von VW nicht erwartet hätte. Schließlich hat der Konzern über viele Jahre das Kapitel "schöner Schein" erfolgreich bearbeitet. Die Verarbeitung wirkte im Testwagen, der ja aus einer sehr frühen Produktion stammt, sehr ordentlich.

VW lässt sich noch nicht in die Karten schauen, was die genauen Preise anbelangt. Wir rechnen mit rund 36.000 Euro für das Basismodell, was etwas oberhalb des Skoda Enyaq liegen würde. Ausgeliefert werden soll es ab Anfang 2021, nur die beiden Startversionen ID.4 First und ID.4 First Max sollen schon ab Ende November verfügbar sein. Die sind gut ausgestattet, kosten jedoch 49.000 oder sogar 59.000 Euro. Das Hauptgeschäft wird sich vermutlich eher rund um 40.000 Euro abspielen. Mit den Subventionen des Steuerzahlers und dem Nachlass des Herstellers liegt der ID.4 dann irgendwo dort, wo der Bestseller Tiguan auch seine Kunden einsammelt.

Modelle wie Touran [5] und Tiguan [6] kamen lange nach vergleichbaren Konkurrenten auf den Markt und wurden dennoch schnell zu Bestsellern in ihren Segmenten. Auch in der E-Mobilität ist der Konzern nicht vorn dabei, doch der Zeitpunkt seiner Modelloffensive könnte diesmal exakt getroffen sein. Denn der Markt ist in Bewegung und VW mit aggressiv eingepreisten E-SUVs mittendrin. Kaum vorstellbar, dass diese Saat nicht aufgeht, die Volkswagen mit weiteren Ablegern von Skoda, Seat [7] und Audi [8] breit ausbringt.

(mfz [9])


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[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Vorstellung-Tesla-Model-Y-4336975.html
[3] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4885644.html?back=4885607
[4] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4885644.html?back=4885607
[5] https://www.heise.de/autos/artikel/VW-Touran-1-6-TDI-im-Test-Spielfrei-3173061.html
[6] https://www.heise.de/news/VW-Tiguan-Facelift-Plug-in-Hybrid-und-R-Modell-im-Vorlauf-4836956.html
[7] https://www.heise.de/autos/artikel/Elektroauto-Studie-Seat-el-born-4324259.html
[8] https://www.heise.de/autos/artikel/Audi-Q4-E-Tron-Concept-Ausblick-auf-Audis-kompaktes-Elektrocrossover-4326003.html
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