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Elektroauto Mercedes EQB 350 4Matic im Test: Gemütlich statt sportiv

Christoph M. Schwarzer
Mercedes EQB

Der Mercedes EQB ist ein Cruiser, kein Sportler. Wer den Allradantrieb nicht braucht, steckt das Geld besser in die Ausstattung als in die Topmotorisierung.

(Bild: Christoph M. Schwarzer)

Das batterieelektrische SUV im Format des Mercedes GLB ist teurer, aber auch komfortabler und ausgereifter als die direkte Konkurrenz.

Der Charakter des batterieelektrischen Mercedes EQB hat etwas Entschleunigendes. Er ist sanft gefedert, man sitzt aufrecht und genießt die gute Rundumsicht. Die ist nicht nur im Vergleich zu anderen SUVs angenehm: Die verglaste Fläche ist groß, dazu kommen die relativ steil stehende A-Säule und die fast senkrecht stehenden Seitenfenster.

Der EQB ist ein übersichtliches Elektroauto. Das macht den Umgang im Alltag simpel, und wegen der erwähnten Gemütlichkeit stellt sich automatisch der Cruising-Stil ein: Gleiten lassen. Bei Bedarf geht es im Testwagen, einem EQB 350 4Matic, mit Karacho voran. 215 kW Motorleistung und 520 Nm Drehmoment sind üppig. In 6,2 Sekunden spurtet der EQB auf 100 km/h und zügig weiter bis zur abgeregelten Spitzengeschwindigkeit von 160 km/h. Weil die harte Gangart aber so gar nicht zum EQB passt, lässt man jede sportliche Ambition bleiben.

Bei den Proportionen ähnelt der EQB mit 4,68 Meter Länge, 1,83 Meter Breite und 1,67 Meter Höhe einem VW Tiguan Allspace [1]. Die 5-sitzige Konfiguration hat ein Kofferraumvolumen von 495 bis 1710 Litern, beim 7-Sitzer sind es 465 bis 1620 Liter. Die dritte Reihe eignet sich nur für kleine Kinder, und selbst in der zweiten Reihe ist es wegen der niedrig montierten Sitzbank für Menschen mit langen Beinen eher eng. Die Neigung der Lehne in der zweiten Reihe ist verstellbar. Gegen einen Aufpreis von 428 Euro lässt sich die Rückbank um 14 Zentimeter verschieben – allerdings nur, wenn man auf die dritte Sitzreihe verzichtet.

Mercedes EQB Teil 1 (0 Bilder) [2]

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Was kann der EQB als Elektroauto? Schließlich teilt er die Basis mit dem Mercedes GLB (Fahrbericht) [4], der von Verbrennungsmotoren vorangetrieben wird. Spätestens seit dem BMW iX3 wissen wir, dass das nicht zwangsläufig schlecht sein muss.

Wie alle Elektroautos von Mercedes hat auch der EQB die automatische Rekuperation. Ja, die Verzögerung über den Elektromotor zur Bremsenergierückgewinnung lässt sich auf Wunsch über die Schaltwippen in mehreren Stufen regulieren. Am besten geht es in der erwähnten automatischen Position "D+ Auto". Der Mercedes rollt meistens mit minimaler Rekuperation dahin. Sobald ein vorausfahrendes Fahrzeug oder eine Kurve erkannt werden, wird die Rekuperation schärfer gestellt. Das funktioniert in der Praxis erstaunlich präzise.

Auch die anderen Assistenzsysteme arbeiten gut, wenn auch nicht so perfekt wie in einem zuvor gefahrenen Mercedes EQS [5], dessen Bruttolistenpreis allerdings die 150.000-Euro-Marke deutlich überschritten hat. Im Vergleich dieser Klasse läuft es auf hohem Niveau, und anders als bei Volkswagen, wo es im VW ID.4 bis heute Funktionsbegrenzungen und vereinzelte Bugs gibt, macht der EQB keine Fehler.

Was der VW ID.4 zum Beispiel erst im Jahresverlauf per Update bekommen soll, hat der EQB serienmäßig: Einen Routenplaner mit automatischer Vorkonditionierung. Die Batterie wird also vorm Ladestopp gezielt auf die ideale Starttemperatur gebracht. Das verkürzt die Wartezeit, und es verlängert die Lebensdauer der Batterie.

Das macht sich besonders bei Kälte bemerkbar. Im Testzeitraum gab es häufig Nachtfrost. Gute Ausgangsbedingungen, um den EQB ein wenig zu quälen. Nach zwei Tagen Draußenparken ohne Benutzung dürfte die Batterie durchgekühlt gewesen sein. An einem Morgen mit minus vier Grad ging es direkt zur Autobahn, und weil der Ladestand bereits gering war, wurde der erste Ladestopp bereits nach 60 Kilometern eingeplant.

Circa 20 Kilometer vorm Ziel war dann deutlich zu sehen, wie der Stromverbrauch anstieg. Das gewünschte Ergebnis: Eine Ladeleistung von immerhin bis zu 100 kW. So muss es sein, aber so ist es eben noch lange nicht bei allen Herstellern. Vorbild bei der Routenplanung und Vorkonditionierung war Tesla. Der EQB hat gleichgezogen.

Allerdings ist der Energiegehalt der Batterie mit 66,5 kWh nur Mittelmaß. Weil der Mercedes eine große Stirnfläche hat, ist die Effizienz geringer als bei windschlüpfigen Limousinen: Im Durchschnitt waren es 25,2 kWh/100 km, woraus eine mittlere Reichweite von 264 Kilometern resultiert. Wir waren häufig auf der Autobahn unterwegs, wo bei Richtgeschwindigkeit 26,6 kWh/100 km ablesbar waren. Macht 250 km bei zugegeben winterlichen Bedingungen.

Mercedes EQB Teil 2 (6 Bilder) [6]

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Die Lehnen lassen sich dreifach umklappen und in aufrechter Position in der Neigung verstellen. (Bild: Christoph M. Schwarzer)

Deutlich besser sah es im Überlandbetrieb mit 20,1 kWh/100 km (über 331 km) aus, und im fließenden Stadtverkehr und warmgefahrenen Auto konnte dieser Wert nochmals leicht unterboten werden. Dass es auch ganz anders geht, zeigen Ultrakurzstrecken, wo der Stromverbrauch weit über 30 kWh hinausgehen kann.

Wer auf den Allradantrieb verzichten kann, sollte sich den EQB 250 ansehen. Er ist preisgünstiger und leichter, und dass die Motorleistung "nur" 140 kW beträgt, sollte angesichts des gemächlichen Charakters des EQB verschmerzbar sein.

Im Mercedes EQA ist seit kurzem auch ein 250+ mit auf 70,5 kWh vergrößerter Batterie bestellbar. Wer die Zeit hat, sollte abwarten, ob diese Version auch im EQB kommt. Etwas mehr Energiegehalt, etwas weniger Spitzenleistung, dafür ein Schuss mehr Reichweite, ja, das würde passen. Allerdings erscheint der Mehrpreis für den EQA 250+ angesichts von gerade einmal vier kWh mehr üppig, auch wenn die Serienausstattung dann die Pakete "Electric Art Exterieur" und "Advanced" enthält. Auf der anderen Seite sind im EQA 250+ Dinge wie Airbags hinten, adaptives Fahrwerk und ein Schiebedach nicht zu haben.

Einen Abzug in der B-Note gibt es dafür, dass der EQB keine Prozent-Anzeige für den Ladestand der Batterie im Cockpit hat, sondern eine Von-bis-Reichweitenanzeige. Schön dagegen ist die leicht verständliche Lösung der händischen Entriegelung des Ladesteckers über einen gut erkennbaren Knopf sowie die solide Abdeckung der Ladebuchse. Seit dem VW Golf (Test) [8] wissen wir, wie nützlich es ist, wenn die Rückfahrkamera schmutzgeschützt unter dem Markenlabel lauert – so ist es auch beim EQB.

No sports, dafür gemütlich, das ist das Wesen des EQB. Der Grundpreis des 350 4Matic beträgt 57.989 Euro. Es können noch der Staatsanteil von 5000 Euro und der Herstelleranteil (2975 Euro) subtrahiert werden, macht 50.014 Euro. Der EQB 250 startet bei 44.367 Euro, wenn man alle Förderungen berücksichtigt. Der mercedestypische Mehrpreis hält sich also im Rahmen.

Der Mercedes EQB ist über das Komforterlebnis hinaus ein praktisches Auto. Nur für die große Tour ist er nicht gemacht. Das können elektrische Limousinen einfach besser als SUVs. Im EQB wiederum ist die Erinnerung an die Ära der Geländewagen noch wach: Die geradlinigen Formen, die gute Übersichtlichkeit und die thronartige Sitzposition machen ihn zu einem rundum angenehmen Gefährt.

Der Hersteller hat den Testwagen kostenlos zur Verfügung gestellt und überführt. Der Autor hat den Fahrstrom bezahlt.

Hersteller Mercedes-Benz
Modell EQB 350 4Matic
Motor und Antrieb
Motor Permanenterregter Synchronmotor hinten,
Asynchronmotor an der Vorderachse
Leistung in kW 215
Drehmoment in Nm 520
Antrieb Allradantrieb
Maße und Gewichte
Radstand in mm 2829
Spurweite vorn in mm 1585
Spurweite hinten in mm 1585
Wendekreis in m 11,7
Höhe in mm 1667
Breite (ohne Spiegel) in mm 1834
Breite über Spiegel in mm 2020
Länge in mm 4684
Leergewicht in kg 2175
Zuladung in kg 405
Dachlast in kg 75
Kofferraumvolumen in l 495 bis 1710
Anhängelast gebremst in kg 750
Akku- und Ladedaten
Akkukapazität netto in kWh 66,5
Akkukapazität brutto in kWh k. A.
Max. Ladeleistung AC in kW 11
Max. Ladeleistung DC in kW 100
Ladezeit 10 bis 80 % SoC in min 32
Fahrleistungen
Beschleunigung 0-100 km/h in s 6,2
Höchstgeschwindigkeit in km/h 160
Verbrauch
Testverbrauch in kWh / 100 km 20,1 bis 30
Durchschnitts-Testverbrauch in kWh / 100 km 25,2
Verbrauch nach WLTP 19,4 bis 18,1
Reichweite nach WLTP 395 bis 423
Daten Stand 22. Februar 2022
Modell Mercedes EQB 350 4Matic
Ausstattungslinie -
Preis für dieses Modell 57.989
Preis für Basismodell (EQB 250) 52.342
Infotainment
USB-Anschluss Serie
Soundsystem 3142 (Advanced-Plus-Paket)
Navigationssystem Serie
Verkehrsdaten in Echtzeit Serie
Freisprecheinrichtung Serie
Head-up-Display 1367
Android Auto/Apple CarPlay 357
kabelloses Laden von Handys 3142 (Advanced-Plus-Paket)
Assistenz
Tempomat Serie
Abstandstempomat 1440 (Paket)
Einparksensoren vorn Serie
Einparksensoren hinten Serie
Einparkassistent 488
Rückfahrkamera Serie
Müdigkeitserkennung -
Spurhalteassistent Serie
Matrix-Licht -
Nachtsicht-Assistent -
Funktion
LED-Scheinwerfer Serie
elektrische Heckklappe Serie
Alarmanlage 762
schlüsselloser Zugang 3142 (Advanced-Plus-Paket)
Fahrwerksoption 1178 (adaptive Dämpfer)
Wärmepumpe Serie
Komfort
Sitzheizung 345
Sitzbelüftung 1059
Massage 518
beheizbares Lenkrad 190
Klimaautomatik Serie
Schiebedach 1392
Sonstiges
Metalliclack ab 750
Leichtmetallfelgen Serie
Preisliste Stand Februar 2022

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[2] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_6594570.html?back=6594843;back=6594843
[3] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_6594570.html?back=6594843;back=6594843
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Fahrbericht-Mercedes-GLB-250-4Matic-4597739.html
[5] https://www.heise.de/tests/Luxus-kostet-Test-Mercedes-Benz-EQS-580-6290625.html
[6] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_6594558.html?back=6594843
[7] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_6594558.html?back=6594843
[8] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-VW-Golf-1-5-TSI-ACT-3751530.html