MIT Technology Review 2/2021
S. 104
Fundamente

Batterien in Bewegung

An dieser Stelle blicken wir zurück auf Artikel, die vor fünf Jahren in Technology Review erschienen sind. Diesmal: Lithium-Ionen-Batterien.

Nicht weniger als eine „Akku-­Revolution“ hatten wir im März 2016 angekündigt. Die damals im freien Fall befindlichen Preise sollten E-Autos bald genauso günstig machen wie Verbrenner – und nicht nur bei E-Autos zu einem Boom führen, sondern auch bei privaten Heimspeichern für den Eigenverbrauch.

Technology Review 3/2016: Preisverfall überschätzt, bei Reichweite richtig gelegen

Tatsächlich sanken die Batteriepreise in den letzten 15 Jahren zunächst zwar annähernd exponentiell, doch mittlerweile hat sich die Kurve stark abgeflacht. Laut den Marktforschern von BloombergNEF kosten Auto-Akkus derzeit im Schnitt rund 137 Dollar pro Kilowattstunde – gerade mal 13 Prozent weniger als 2019. Erst ab 2023 erwarten die Analysten Kosten von 100 Dollar/kWh, was als Wendepunkt für die Konkurrenzfähigkeit von Elektroautos gilt.

Trotzdem wurden im vergangenen Jahr 194000 rein batterieelektrische Pkw hierzulande neu zugelassen, 206 Prozent mehr als im Vorjahr. Mit den Batteriepreisen hat das allerdings weniger zu tun als mit Kaufprämien von bis zu 9000 Euro, die laut ADAC die Gesamtkosten von E-Autos häufig unter die von Verbrennern drücken. In China und den USA, wo staatliche Förderungen gekürzt wurden, sanken 2019 hingegen die Verkaufszahlen.

Die Kosten sanken zeitweise sehr stark, doch dann flachte die Kurve ab.
Quelle: BloombergNEF

Für Martin Winter, Direktor des Batterieforschungszentrums MEET an der Uni Münster, sind die Kaufanreize aber nicht der einzige Grund, warum Elek­tro­autos heute konkurrenzfähiger sind als vor fünf Jahren. „Die Lithium-Ionen-­Technik war 2016 noch eine ganz andere als heute.“ Verbesserungen an mehreren Fronten haben die Energiedichte seit 2016 im Schnitt von 140 auf 300 Wattstunden pro Kilogramm erhöht: Der Einbau von Silizium in Graphit-­Anoden; verbesserte Kathoden, die mehr Lithium-Ionen zur Verfügung stellen; neue Additive für Elektrolyte sowie andere Zell-Geometrien. Dies schlägt sich auch in den Reichweiten nieder. So hatte etwa der elektrische VW up 2016 eine Reichweite von rund 120 Kilometern, ein gleich teurer ID.3 bringt es heute auf 330 Kilometer.

„Damit ist meine Vorhersage in ­Ihrem Artikel von 2016 ziemlich genau eingetroffen“, freut sich Gerhard Hörpel, der mit Winter das MEET gründete und heute unabhängiger Berater für Batterietechnologie ist. Seine damalige Prognose, der Markt für stationäre Stromspeicher werde explodieren, ­würde er heute allerdings „etwas vorsichtiger formulieren“. Aber immerhin: 65000 Heimspeicher wurden 2019 in Deutschland zusammen mit einer Photo­voltaik-Anlage installiert, melden die Marktforscher von Eupd Research. Damit hat sich das Marktvolumen innerhalb von zwei Jahren verdoppelt.

Die Energiedichte (und damit indirekt auch die Reichweite) stieg in den letzten Jahren stetig an.
Quelle: BloombergNEF

Völlig anders, als 2016 erwartet, entwickelte sich die hiesige Batteriezell-­Produktion. Damals hatte die Daimler-­Tochter Li-Tec gerade ihre Zell­pro­duk­tion eingestellt und Daimler konzen­trierte sich auf den Zusammenbau von ganzen Batteriesystemen, also Gehäuse und Batteriemanagement. Die Zellen – die Herzstücke – bezogen alle deutschen Autobauer damals aus Asien. Der Zug für eine deutsche Zellproduktion schien abgefahren. Nur Bosch wollte mit einer Festkörperzelle des US-Start-ups Seeo 2021 in die Serienfertigung gehen. Doch Mitte 2019 stellte Seeo ­seine Aktivitäten ein.

Nun kooperiert Bosch mit dem chinesischen Zellhersteller CATL, der in Erfurt eine eigene Batteriefabrik baut. Damit liegt er voll im Trend: Die ebenfalls chinesische Firma SVolt baut im saarländischen Überherrn ab diesem Jahr eine Produktion auf und Daimler kooperiert mit dem chinesischen Hersteller Farasis, der sich mit einem Werk in Bitterfeld-Wolfen ansiedelt. Auch US-Firmen suchen die Nähe zu ihren Abnehmern, etwa der Batteriesystem-­Hersteller Microvast, der in Ludwigs­felde bei Berlin baut. Und natürlich: Elon Musk. Der hat Ende letzten Jahres angekündigt, sein in Grünheide entstehendes Werk zur weltgrößten Batteriefabrik zu machen.

Martin Winter vom MEET
Foto: FZ Jülich

Unversehens wird Deutschland also doch noch zum Produktionsstandort, allerdings anders, als erhofft: Die ausländischen Firmen bringen zwar Arbeitsplätze, behalten aber Know-how und Gewinne. Nur VW will es selbst machen. Für die Entwicklung gibt es bereits ein Forschungszentrum in Salzgitter. Produzieren will Volkswagen in einem Gemeinschaftsunternehmen mit dem schwedischen Hersteller Northvolt, in das die Wolfsburger 900 Millionen Euro investiert haben. Northvolt betreibt bereits eine Fabrik in Schweden, die zweite soll 2024 in Salzgitter ihren Betrieb aufnehmen. Ein mutiger Schritt, findet Martin Winter vom MEET, denn „das Joint Venture muss jetzt die Erfahrungen in der Serienproduktion machen, die die Mitbewerber aus Asien schon gemacht haben“.

Gleiches gilt wohl auch für das frische Gemeinschaftsunternehmen des französischen Autobauers PSA und der Total-Tochter Saft, das zunächst in Frankreich und 2025 in Kaiserslautern eine Batterieproduktion starten will.

Das schafft Tatsachen für die weitere Entwicklung der Batterietechnologie. „Die etablierte Lithium-Ionen-Batterie wird noch mindestens zehn Jahre lang dominieren“, sagt Winter, der dazu gerade eine große Übersichtsstudie erstellt hat. Alternative Konzepte wie Feststoff-, Lithium-Schwefel- oder ­Lithium-Luft-Batterien würden zwar intensiv erforscht, jedoch noch nicht in Großserie produziert. „Eine Umstellung auf solche sogenannten Post-Lithium-Ionen-Batterien würde völlig neue Prozesstechnologien erfordern – und damit Investitionen von vielen Milliarden Euro.“ Wolfgang Richter