c't 6/2023
S. 3
Standpunkt

Breitbandinternet: Wahres Tempo

Wenn Sie im Laden abgepackte Ware kaufen, erwarten Sie, dass 100 Gramm drin sind, wenn 100 Gramm draufstehen. Mit der Haushaltswaage können Sie kontrollieren, wie erstaunlich genau die Hersteller den Inhalt abmessen. Beim Internetanschluss herrschte im Vergleich dazu lange Jahre Wildwest. Der Preis galt für 16, 50 oder 250 Mbit/s, geliefert wurden aber allzu oft nur 8, 35 oder 165.

Das Problem ist meistens die letzte Meile, also die Leitung ins Haus. Statt moderne Glasfaserkabel zu verlegen, setzten die Provider lange auf jahrzehntealte Kupferleitungen, die ursprünglich einmal für Wählscheibentelefone und Röhrenfernseher vorgesehen waren. Mit der veralteten Infrastruktur konnten sie die vollmundigen Geschwindigkeitsversprechen vielerorts nicht einlösen. Kunden, die das nicht hinnehmen wollten, wurden von den Providern abgewimmelt.

Diese Zeiten sind vorbei. Die EU hat die Anbieter verpflichtet, verbindliche Angaben zu machen. Und als Kunde kann man Festnetz-Provider nun auf ihre Angaben festnageln. Wer mindestens 100 Mbit/s verspricht, muss mindestens 100 Mbit/s liefern. Die tatsächliche Geschwindigkeit zu ermitteln ist zwar aufwendig, aber wer das durchzieht, kann seinen lahmenden Internetanschluss fristlos kündigen oder einen Preisnachlass bekommen. Wie das geht, lesen Sie ab Seite 172.

In Zukunft sollen auch Mobilfunkkunden Ansprüche anmelden können, wenn die versprochenen Datenraten nicht erreicht werden. Dort sind die "bis zu"-Angaben so weit von der Realität entfernt wie 250-km/h-Begrenzungen am Radweg. Oft genug tröpfeln die Daten, weil der Maximalausbau nur an wenigen Standorten erfolgt und sich in den Funkzellen die Smartphones vieler Kunden um die knappe vorhandene Kapazität balgen.

Weil die Mobilfunknetze die versprochenen Datenraten durchweg nicht liefern, will die Bundesnetzagentur die Latte viel niedriger als im Festnetz legen. Die Netzbetreiber müssten dann nur einen kleinen Bruchteil der versprochenen Leistung bereitstellen, um aus dem Schneider zu sein. Das nützt den Kunden gar nichts – deshalb muss die Bundesnetzagentur die Provider auch im Mobilfunk zu realistischen Angaben zwingen. Damit es mit dem Tempo nicht nur auf dem Papier bergauf geht.

Urs Mansmann
Urs Mansmann

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