c't 6/2023
S. 130
Wissen
Digitalisierung der Verwaltung

Träge Languste

Was der Grundsteuer-Irrsinn mit verschleppter Digitalisierung zu tun hat

Bei der Grundsteuererklärung müssen Bürger Daten in die Steuersoftware Elster eintippen, die den Behörden längst vorliegen. Ein Grund für diese Farce sind Verzögerungen bei der Entwicklung einer Datenbank namens „Languste“.

Von Christian Wölbert

Die Grundsteuererklärung wird zum Dauerbrenner: Ursprünglich sollten die Eigentümer der rund 36 Millionen deutschen Grundstücke ihre Erklärung bis Ende Oktober ans Finanzamt schicken. Weil das bis Anfang Oktober nur wenige getan hatten, verlängerten die Bundesländer die Frist bis Ende Januar. Doch rund 30 Prozent der Eigentümer rissen auch diese Frist. Bayern schubste den Stichtag deshalb noch einmal nach hinten, auf den 30. April. In den anderen Bundesländern drohen den Säumigen nun Verspätungszuschläge.

Als Hauptgrund für das Debakel wird oft die Steuersoftware Elster genannt. Viele Grundstückseigentümer haben noch kein Zertifikat für den Login, müssen dieses erst beantragen und dann auf den Aktivierungsbrief warten. Hat man sich eingeloggt, verwirrt Elster mit Eingabefeldern wie „Anteil an der wirtschaftlichen Einheit (Grundstück / Betrieb der Land- und Forstwirtschaft): Zähler, Nenner“. Für Laien seien die Formulare „extrem unübersichtlich“, moniert der Bund der Steuerzahler.

„Letztlich verschiebt man hier die Haftung für die Richtigkeit der Angaben komplett auf den Steuerzahler“, kritisiert Sibylle Barent vom Eigentümerverband Haus & Grund., Bild: Jens Ollermann
„Letztlich verschiebt man hier die Haftung für die Richtigkeit der Angaben komplett auf den Steuerzahler“, kritisiert Sibylle Barent vom Eigentümerverband Haus & Grund.
Bild: Jens Ollermann

Vor allem stellt sich die Frage, warum man bei der Grundsteuererklärung überhaupt so viele Angaben machen muss. Wer die Tortur hinter sich hat, weiß: Ein Großteil der Daten liegt den Behörden längst vor, in vielen Fällen sogar sämtliche Daten.

Ausgedrucktes wieder eintippen

In den meisten Bundesländern sollen die Steuerpflichtigen bestimmte Grundstücksdaten in behördlichen Onlinedatenbanken recherchieren. Dafür müssen sie die Adresse ihres Grundstücks auf einer Webseite eintippen, die dann Informationen zur Gemarkung, Flur, Fläche und zum Bodenrichtwert ausspuckt. Diese Daten soll man laut den „Klickanleitungen“ der Länder in Elster übertragen.

Die Lösung sei „absurd“ und „datenschutzrechtlich zumindest bedenklich“, kommentiert Sibylle Barent, Syndikusanwältin beim Eigentümerverband Haus & Grund, gegenüber c’t. „Letztlich verschiebt man hier die Haftung für die Richtigkeit der Angaben komplett auf den Steuerzahler.“

In Rheinland-Pfalz schickten die Finanzämter den Grundstückseigentümern zusammen mit der Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung sogar ein Blatt Papier mit den Grundstücksdaten zu – im selben Briefumschlag. Die Steuerpflichtigen müssen die Daten wie dressierte Affen in Elster eintippen. Die Finanzämter haben also Daten, die ihnen in digitaler Form vorliegen, ausgedruckt und per Brief verschickt, damit die Steuerpflichtigen sie ihnen wieder in digitaler Form zusenden.

In Rheinland-Pfalz verschickten die Finanzbehörden „Ausfüllhilfen“ mit Grundstücksdaten, die die Steuerpflichtigen abtippen und via Elster wieder an die Finanzbehörden übermitteln sollten., Bild: Landesamt für Steuern Rheinland-Pfalz
In Rheinland-Pfalz verschickten die Finanzbehörden „Ausfüllhilfen“ mit Grundstücksdaten, die die Steuerpflichtigen abtippen und via Elster wieder an die Finanzbehörden übermitteln sollten.
Bild: Landesamt für Steuern Rheinland-Pfalz

Fragt man bei den Finanzbehörden nach, warum die Steuerpflichtigen bereits bekannte Daten mitteilen mussten, betonen diese zunächst, dass man nicht über alle nötigen Daten verfüge oder die vorliegenden Daten veraltet sein könnten. Zum Beispiel seien Eigentümer nicht dazu verpflichtet, nach einem Dachausbau die neue Wohnfläche dem Finanzamt oder dem Bauamt zu melden, schreibt die Hessische Oberfinanzdirektion auf Anfrage von c’t. Auch könnten die im Grundbuch verzeichneten Eigentumsverhältnisse nicht mehr aktuell sein, etwa nach einem Todesfall.

Doch auf vielen Grundstücken stehen gar keine Gebäude. Wer zum Beispiel in Rheinland-Pfalz eine Erklärung zu einem landwirtschaftlich genutzten Grundstück oder einem Bauplatz abgeben musste, fand alle im Normalfall nötigen Angaben in der Papier-Ausfüllhilfe. Und Fehler in den Grundbüchern dürften eher die Ausnahme als die Regel sein.

Warum also füllen die Behörden die Elster-Formulare nicht wenigstens soweit möglich vorab aus und lassen die Eigentümer noch einmal alles kontrollieren?

Nicht vernetzt

Ein Teil der Antwort lautet: In vielen Fällen können die Finanzbehörden nicht automatisiert auf die richtigen Grundstücksdaten zugreifen, weil ihre Datenbanken nicht mit denen der Kataster- und Grundbuchämter verknüpft sind. Die Finanzämter kennen dann nur einen „Grundbesitz“ und dessen Steuernummer, wissen aber nicht, welches Flurstück beziehungsweise welche Flurstücke sich dahinter verbergen.

Um dieses Problem zu lösen, basteln die Bundesländer schon seit dem Jahr 2015 an einer Datenbank namens Languste („Liegenschafts- und Grundstücksdatenbank“), die die Finanzbehörden mit den Kataster- und Grundbuchämtern vernetzen soll. Dazu muss jedes Bundesland in einem ersten Schritt eine sogenannte Verbindungsdatei schaffen, die Grundstücksdaten wie Lage, Größe und Eigentümer „nach bundeseinheitlichem Rahmen zusammenführt und mit den Ordnungskriterien der Finanzverwaltung für die Besteuerung nutzbar macht“, wie es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Fraktion aus dem Jahr 2021 heißt. In einem zweiten Schritt soll dann die Languste-Datenbank entstehen, die die Finanzbehörden mit weiteren für sie relevanten Daten anreichern.

Doch die Software für Languste ist noch nicht fertig. 2021 peilte das federführende Bundesland Hessen die Einführung zum 30. November 2022 an, nun soll es Ende 2023 so weit sein. Die Entwickler der Finanzverwaltung hätten in den vergangenen Jahren alle Hände voll zu tun gehabt, die Software für andere Steuergesetze zu schreiben, erklärt der Vorsitzende der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Florian Köbler, im Gespräch mit c’t. „Es gibt zu wenige IT-Leute und finanzielle Mittel, und eine so hohe Dichte an neuen Steuergesetzen wie zuletzt hatten wir noch nie.“

Nachzügler Sachsen-Anhalt

Außerdem haben einige Bundesländer ihre Verbindungsdateien noch nicht komplett befüllt: In Schleswig-Holstein fehlten Anfang Januar noch etwa 15 Prozent der Flurstücke, in Sachsen-Anhalt rund 17 Prozent. Die beiden Länder haben allerdings auch erst 2019 beziehungsweise 2020 mit dem Aufbau der Dateien angefangen. Wäre Languste mit höherer Priorität entwickelt worden und wären manche Länder früher in die Puschen gekommen, hätte das die Grundsteuerreform vereinfacht. „Languste wäre eine Entlastung gewesen“, sagt Köbler.

Doch in vielen Fällen hatten die Finanzämter bereits jetzt korrekt zugeordnete Grundstücksdaten vorliegen. Deswegen verschickte Rheinland-Pfalz seine Ausfüllhilfe, die die Grundstücksdaten des jeweiligen Steuerpflichtigen schon fein säuberlich auflistet. Die „relevanten Geobasisinformationen wurden der Finanzverwaltung – soweit verfügbar – von der Vermessungs- und Katasterverwaltung sowie der Grundbuchverwaltung digital übermittelt“, teilte das rheinland-pfälzische Finanzministerium auf Anfrage mit.

Das Ministerium erwog nach eigenen Angaben, die individuellen Grundstücksdaten elektronisch in einem Onlineportal zum Abruf bereitzustellen. Die Idee wurde jedoch wieder verworfen, „aufgrund des nicht vertretbaren Aufwands unter anderem zur Sicherung des Datenschutzes und entsprechender Benutzerverwaltungen“. Und auch ein Vorausfüllen der Elster-Formulare sei nicht möglich gewesen. „Elster verfügt über keine Funktion zum Datenimport von Geobasisinformationen“, heißt es in der Antwort aus Mainz.

„Hilfspersonal der Finanzverwaltung“

Doch warum haben die Behörden eine solche Elster-Schnittstelle nicht einfach entwickelt? In erster Linie, weil das bayerische Finanzministerium, das bei Elster federführend ist, eine vorausgefüllte Erklärung grundsätzlich ablehnt: Die Aktualität der Daten könne nicht gewährleistet werden, daher steige „die Gefahr unrichtiger Grundsteuererklärungen“, schrieb das Ministerium im Mai 2021 in einer Antwort auf eine Anfrage der FDP-Fraktion im Landtag. Ohnehin wäre eine Schnittstelle „angesichts der Kürze der verbleibenden Zeit“ nicht zuverlässig umsetzbar, heißt es darin weiter.

Aus der Sicht von Sybille Barent vom Verband Haus & Grund hätte es „schon viel geholfen“, wenn wenigstens die Grundstücksdaten wie Flur und Gemarkung vorausgefüllt gewesen wären. Das „Fachchinesisch“ in diesem Bereich stelle für viele Eigentümer die größte Hürde dar. Auch Bodenrichtwerte hätten vorausgefüllt sein können, „denn der Gesetzgeber gibt hier praktisch keinen Spielraum für individuelle Einschätzungen“. Und sogar die Wohnflächen wären „vielfach aus Unterlagen der Baubehörden heranziehbar gewesen“, meint Barent.

Der nächste „Hauptfeststellungszeitpunkt“ für die Grundsteuer ist der 1. Januar 2029. Barent fordert, dass die Behörden dann vorausgefüllte Formulare bereitstellen, „nachdem die Bürger nun als Hilfspersonal der Finanzverwaltung den Datenbestand weitgehend aktualisiert haben“. (cwo@ct.de)

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