c't 5/2023
S. 140
Wissen
Fernverkehr
Bild: TUM Hyperloop

Passagiere als Rohrpost

Hyperloop verspricht schnellste und nachhaltige Züge

Die Hyperloop-Technik nimmt Gestalt an: Erste Teströhren entstehen. Bei starkem Unterdruck gleiten Passagierkapseln in Magnetschwebetechnik dahin. Über 900 Kilometer pro Stunde sind damit in Zukunft möglich – und das weit energieeffizienter als mit heutigen Bahnen, wie uns Experten einhellig erklärten.

Von Arne Grävemeyer

Der Begriff Hyperloop stammt von Elon Musk, aber vor allem europäische Ingenieure und Forscher treiben diese Technik voran. Bei den vier sogenannten Hyperloop Pod Competitions in den Jahren 2017 bis 2019, für die Musk eigens eine Stahlröhre in Los Angeles aufbauen ließ, gewann ein Team der TU München viermal mit der höchsten Geschwindigkeit. Auch die weiteren vorderen Plätze belegten fast ausschließlich europäische Teams. Die Vorstellungen der Forscher und Entwickler: Im Vakuum einer Röhre oder zumindest im Unterdruck von ein bis zehn Millibar könnten Passagier- und Frachtkapseln in Magnetschwebetechnik mit sehr hohen Geschwindigkeiten energieeffizient und lokal emissionsfrei dahingleiten. Tatsächlich ist dieses Konzept sehr nah an den Ideen des Swissmetro-Projektes. Das sah schon in den 70er-Jahren ein Vakuumtunnelsystem für Magnetschwebebahnen zwischen Schweizer Städten vor, wurde aber nie umgesetzt.

In diesem Frühjahr will die TU München ein Testsegment von 24 Metern fertigstellen., Bild: TUM Hyperloop
In diesem Frühjahr will die TU München ein Testsegment von 24 Metern fertigstellen.
Bild: TUM Hyperloop

In diesen Wochen entstehen an der TU München und auch an der Hochschule Emden/Leer erste kurze Teströhren, damit universitäre Teams und Unternehmen mit Hyperloop-Technik experimentieren können. Nicht weit von den Ostfriesen baut Hardt Hyperloop derzeit eine längere Röhre in der Provinz Groningen auf. Die Holländer haben die Vision, den internationalen Flughafen Schiphol einmal über ein Röhrennetz mit anderen großen Flughäfen in Europa zu verknüpfen. Das könnte das Ende der Mittelstreckenflüge in Europa einläuten.

Luftkissen und Düsenantrieb?

Elon Musks Beitrag besteht in erster Linie in der großen Vision und einem einprägsamen Begriff sowie in einer Reihe von Hyperloop Pod Competitions in einer eigens aufgebauten 1250-Meter-Röhre, die auf zehn Millibar evakuiert werden konnte. Nach dem ursprünglichen White Paper von Musk sollte der Hyperloop wie auch heute geplant in einer Unterdruckröhre fahren und hohe Geschwindigkeiten erreichen. Allerdings malte sich Musk in seinem ersten Konzept aus, dass die Fahrzeuge Luft vorn ansaugen und mit einem Teil davon ein Luftkissen unter den Rädern aufbauen. Der Rest sollte über einen Düsenantrieb den notwendigen Vortrieb geben. Die Energie für das ganze System sollten Solarpanels auf der Röhre einfangen.

„So will das heute aber niemand bauen“, sagt Gabriele Semino, Projektleiter des Hyperloop Forschungsprogramms an der TU München (TUM Hyperloop). Im Münchner Vorort Ottobrunn haben die Forscher gerade ein Röhrensegment von 24 Meter Länge mit den Originalmaßen eines Passagiertransportsystems aufgestellt (Infos zum Projekt: ct.de/yk4g). Dementsprechend hat die Röhre einen Durchmesser von vier Metern. Die dazu entwickelte Transportkapsel, der sogenannte Pod, bietet Passagieren im Innenraum eine Höhe bis zu zwei Metern.

Im Unterschied zu Musks erster Vision entwickeln die Münchner so wie auch andere Hyperloop-Unternehmen und Forschungsinstitute kein Luftkissenfahrzeug mit Düsenantrieb, sondern eine Magnetschwebetechnik. Im Demonstrator testen sie die Vakuumtechnik, ihr System ist auf einen Betrieb im Unterdruck bei ein bis zehn Millibar ausgelegt. Da an der TUM eine Betonröhre entsteht, müssen die Entwickler die Fugen zwischen den einzelnen Betonsegmenten sehr sorgsam abdichten; bisher genutzte Stahlröhren kann man leichter vakuumsicher miteinander verschweißen.

Die Teströhre in Ottobrunn bei München wird aus Beton gefertigt. Die Pods fahren berührungslos zwischen den Betonträgern; sie ziehen sich magnetisch von unten an darin eingebaute Stahlschienen heran., Bild: TUM Hyperloop
Die Teströhre in Ottobrunn bei München wird aus Beton gefertigt. Die Pods fahren berührungslos zwischen den Betonträgern; sie ziehen sich magnetisch von unten an darin eingebaute Stahlschienen heran.
Bild: TUM Hyperloop

Bei der Magnetschwebetechnik steckt der eigentliche Antrieb in Magnetspulen in der Röhre. Beim Münchner System schwebt der Pod zwischen zwei Betonträgern mit Stahlschienen. Mit Elektromagneten zieht sich der Pod von unten an diese Schienen heran, hält aber einen festen Abstand zu ihnen ein. Von außen gesteuert zieht zusätzlich ein Linearmotor die Transportkapsel und beschleunigt sie in die eine oder die andere Richtung. Der Pod gleitet berührungslos durch die Röhre. Der große Unterschied zur herkömmlichen Magnetschwebetechnik, die einst für den Transrapid entwickelt worden ist, besteht im sehr geringen Luftwiderstand.

Die Tests im Demonstrator sollen in Ottobrunn in diesem Frühjahr beginnen. Die Forscher wollen Erfahrungen mit der Vakuumtechnik, der Schwebetechnik und dem Anfahren sammeln. Gemeinsam mit dem TÜV Süd will man erste Leitlinien für die Zertifizierung eines derartigen Personentransportsystems entwickeln. Die dabei gewonnenen Erfahrungen sollen helfen, eine mittellange Strecke aufzubauen, um echte Fahrten und Beschleunigungen zu testen.

Tests an der Druckschleuse

Mit geringem Abstand folgt den Münchnern ein Forschungsteam um Walter Neu und Thomas Schüning an der Hochschule Emden/Leer. Auf deren Campus entsteht in diesen Tagen eine 26-Meter-Teströhre aus verschweißtem Stahl mit einer Druckschleuse in der Mitte. Der Durchmesser dieses Demonstrators beträgt allerdings nur 1626 Millimeter, er ist auf Frachttransporte etwa von Gitterboxen und Europaletten ausgelegt und soll bis Mitte des Jahres einsatzbereit sein. Ein Forschungsschwerpunkt dieser Anlage ist das Ein- und Ausschleusen in den Unterdruckbereich.

„Der Personentransport lohnt sich auf lange Sicht mehr, aber bei der Entwicklung sollten wir zunächst weniger sicherheitskritische Cargosysteme beherrschen, bevor wir Passagiersysteme entwickeln“, sagt Schüning im Gespräch mit c’t.

Die Ostfriesen kooperieren mit der niederländischen Hardt Hyperloop, die 2023 in der angrenzenden Provinz Groningen eine 600-Meter-Teströhre mit einem Weichensystem aufbaut. Das holländische Magnetschwebesystem ist mit Elektromagneten an der Decke konzipiert, die Pods anziehen und wie Gondeln von oben halten, allerdings auch berührungslos. Dieses System vereinfacht den Bau von Verzweigungen und Weichen.

In Lathen ein 32-Kilometer-Parcours

Walter Neu hofft, mittelfristig die ehemalige Transrapid-Teststrecke im emsländischen Lathen zu einer Hyperloop-Teststrecke ausbauen zu können. „Das ist eine weltweit einzigartige Anlage mit zwei Schleifen, Weichen und Kurven auf 32 Kilometern, und darauf könnte man kontinuierliche Tests fahren“, unterstreicht Neu gegenüber c’t. Überraschenderweise ist die Anlage in Lathen bis heute kontinuierlich gewartet, in Betrieb gehalten und jährlich TÜV-zertifiziert worden. Brücken und Pylone stehen sicher, eine Energieversorgung ist eingerichtet. Ein Röhrensystem ist jedoch noch nicht installiert, das war seinerzeit für den Transrapid nicht vorgesehen.

Die größte Herausforderung sieht Neu darin, die Politik vom Hyperloop-System zu überzeugen und den Genehmigungsprozess zu durchlaufen. Aber dann könne sich Lathen zu einem europäischen Hyperloop-Testzentrum entwickeln. Alle anderen Demonstratoren in Europa sind linear konzipiert und erlauben immer nur kurze Testfahrten, sei es das Hardt-Projekt bei Groningen, eine Drei-Kilometer-Teststrecke bei Limoges in Frankreich vom Unternehmen TransPod, eine Teststrecke der spanischen Zeleros oder eine Teströhre der Schweizer Forschungsorganisation EuroTube. In all diesen Demonstratoren werden Pods nur versuchsweise einmal beschleunigen und dann wieder abbremsen, aber nicht im Dauerbetrieb fahren.

Ab Sommer wollen Forscher in Ostfriesland Versuche in einer 26-Meter-Teströhre in Emden fahren. Diese Anlage umfasst eine Druckschleuse in der Mitte., Bild: Hochschule Emden/Leer
Ab Sommer wollen Forscher in Ostfriesland Versuche in einer 26-Meter-Teströhre in Emden fahren. Diese Anlage umfasst eine Druckschleuse in der Mitte.
Bild: Hochschule Emden/Leer

Bis es so weit ist, muss sich aber zunächst ein europäischer Standard herauskristallisieren. Welche Antriebs- und Weichentechnik setzt sich durch, welche Sicherheitssysteme, Druckschleusentechnik, Höchstgeschwindigkeiten und Kurvenradien finden sich irgendwann in allen Pflichtenheften? Soll in engen Kurven eine Neigetechnik zum Einsatz kommen oder nicht? An solchen Fragen arbeiten Forscher und Entwickler bereits gemeinschaftlich in Ausschüssen des Deutschen Instituts für Normung (DIN) und des Europäischen Komitees für Normung (CEN), berichtet Neu. Erst wenn man sich hier geeinigt hat, kann man eine Testanlage für die gesamte europäische Hyperloop-Entwicklung aufbauen.

600 bis 1200 Kilometer pro Stunde

Über die technisch sinnvolle Höchstgeschwindigkeit eines Hyperloop-Systems herrscht noch keine Einigkeit. Klar ist, dass im Bereich der Schallgeschwindigkeit bei etwa 1200 Kilometer pro Stunde in einer geschlossenen Röhre problematische aerodynamische Effekte eintreten. Während man aber an der TU München mit einer Spitzenreisegeschwindigkeit von 900 Kilometer pro Stunde rechnet, was wesentlich größere Kurvenradien als bei heutigen Hochgeschwindigkeitsbahntrassen verlangt, konzipieren die Hardt-Entwickler ihr System mit Blick auf die Flächenverhältnisse in Europa für Geschwindigkeiten zwischen 600 und 800 Kilometer pro Stunde.

Bei den Beschleunigungen würde man sich an den Höchstwerten von Verkehrsflugzeugen orientieren, sagt Semino. Wie in der Start- oder Landephase wären das also maximal 0,3 g. Wo Reisen ohne Anschnallpflicht möglich sein soll, müsste man sich wie im heutigen Bahnverkehr auf 0,1 g, also ein Zehntel der Erdbeschleunigung beschränken.

Geräuscharm und energiesparend

Das Hyperloop-System ist nicht nur schnell, sondern auch energieeffizient und Anwohner werden wenig dadurch gestört. Das berührungslose Antriebssystem erzeugt fast keinen Abrieb und eingekapselt in die Röhre dringt von Fahrgeräuschen kaum etwas nach außen – zumal die Kapseln im Unterdruck nur wenig Luft zu verdrängen haben und damit ohnehin wenig Lärm erzeugen.

Bei anderen Hochgeschwindigkeitszügen wie dem ICE oder dem Shinkansen in Japan sind über 80 Prozent der aufgewendeten Energie nötig, um den Luftwiderstand zu überwinden – „und diese Energie ist dann einfach weg, verbraucht“, verdeutlicht Schüning etwas flapsig. Ein Hyperloop-Pod hingegen häuft durch den drastisch verringerten Luftwiderstand in der Röhre nur sehr wenig Verlustenergie an. Beim Abbremsen aus hoher Geschwindigkeit kann die Technik hingegen sogar Strom zurückgewinnen. Schüning schätzt, dass der Hyperloop auf diese Weise lediglich 20 Prozent des Energieaufwands anderer Bahnsysteme erfordert. Dabei ist der Stromverbrauch der Vakuumpumpen bereits eingerechnet.

Eine Kapsel in Magnetschwebetechnik kann auch Steigungen besser überwinden als eine Bahn auf Schienen. Stahlräder auf Schienen haben nur eine geringe Reibung, weshalb Züge generell nicht sehr schnell beschleunigen und steile Anstiege fahren können, ohne dass die Räder durchdrehen. In Magnetschwebetechnik seien hingegen schon senkrechte Aufzugsysteme entwickelt worden, sagt Semino.

Sicherheit im Vakuum

Anders als Züge bei der Eisenbahn ist der Hyperloop-Pod in seiner Röhre vor vielen Störungen von außen geschützt. Sollte doch etwas die Ummantelung beschädigen, so verrät sich dieser Schaden durch ein Leck und den ansteigenden Luftdruck. Auf diese Weise ist das System vor Überraschungen auf der Strecke ziemlich sicher. Für ein Leck an der Transportkapsel werde man in Zukunft wohl wie im Flugzeug Sauerstoffmasken an Bord haben, schildert Semino.

Die Münchner Hyperloop-Testkapsel 2019: Alle Pod Competitions in Los Angeles gewann das TUM-Team und hält mit 482 Kilometer pro Stunde den Geschwindigkeitsrekord auf der 1250-Meter-Teststrecke., Bild: TUM Hyperloop
Die Münchner Hyperloop-Testkapsel 2019: Alle Pod Competitions in Los Angeles gewann das TUM-Team und hält mit 482 Kilometer pro Stunde den Geschwindigkeitsrekord auf der 1250-Meter-Teststrecke.
Bild: TUM Hyperloop

Das Hyperloop-Konzept sieht nicht vor, dass ein Fahrer an Bord ist, um die Kapsel zu steuern. Dadurch, dass Antrieb und Regelungstechnik ohnehin außerhalb liegen, ergibt sich eine zentrale Steuerung. An dieser Stelle müssen Betreiber auch die Sicherheitssysteme installieren, die die Abstände zwischen den einzelnen Pods auf der Strecke überwachen. Sämtliche Fahrdaten müssen ohnehin zentral vorliegen. Wenn die Position eines Pods nicht genau bekannt ist, kann dieser vom Antrieb gar nicht angefahren und beschleunigt werden.

Nicht teurer als der ICE

Nach derzeitigen Hochrechnungen liegen die Kosten für eine Hyperloop-Strecke pro Kilometer etwa bei den Kosten für eine neue ICE-Strecke. Für den laufenden Betrieb rechnen die Forscher mit geringeren Kosten, weil die Instandhaltung des nach außen abgeschotteten, vor Witterung geschützten Systems leichter ist und der Fahrbetrieb durch die zentrale Steuerung voraussichtlich weniger Personal erfordert. Angesichts dieser Daten rechnet auch Semino damit, dass der Hyperloop in Europa das Ende der Kurzstreckenflüge bewirken kann.

Bereits 2020 hat das Unternehmen Virgin Hyperloop in einer Testfahrt eine Kapsel mit zwei Mitarbeitern bei Las Vegas durch eine 500-Meter-Röhre gejagt. Auf der kurzen Strecke gelang immerhin eine Spitzengeschwindigkeit von 172 Kilometer pro Stunde. Das Unternehmen hat später jedoch etwa die Hälfte seiner Mitarbeiter entlassen und versucht heute, einfachere Hyperloop-Frachtsysteme zu vertreiben.

Im November 2020 beförderte ein Unternehmen erstmals zwei Menschen mit einem Hyperloop-Pod. Ein Achtungserfolg: Auf 500 Metern in einer Teströhre bei Las Vegas erreichte die Personenkapsel 172 Kilometer pro Stunde., Bild: Virgin Hyperloop
Im November 2020 beförderte ein Unternehmen erstmals zwei Menschen mit einem Hyperloop-Pod. Ein Achtungserfolg: Auf 500 Metern in einer Teströhre bei Las Vegas erreichte die Personenkapsel 172 Kilometer pro Stunde.
Bild: Virgin Hyperloop

Neu und Schüning entwickeln gemeinsam im EU-Projekt ePIcenter (siehe ct.de/yk4g) mit 36 Partnern eine Hyperloop-Zulieferstrecke von einem Logistikpark zum VW-Werk in Wolfsburg. Derzeit fahren täglich bis zu 135 Megatrailer quer durch die Stadt; diese Mengen könnte das neue System voraussichtlich umweltschonender und weniger störend für die Anwohner transportieren. Gemeinsam mit der amerikanischen Hyperloop TT hat die Hamburger Hafen und Logistik Aktiengesellschaft (HHLA) ein Hyperloop-Konzept für Container entwickelt und sucht heute weltweit mögliche Betreiber.

Sobald eines dieser Systeme einmal eingeführt ist, könnte sich die Hyperloop-Technik wie ein Dominoeffekt verbreiten, vermutet Neu. Zumal sie zur aktuellen Nachhaltigkeitsdiskussion passt. „Wir sollten nicht nur darüber nachdenken, grüne Energie zu erzeugen, sondern insgesamt möglichst wenig Energie zu verbrauchen“, sagt er. Dazu müsse der Energieverbrauch durch Luftwiderstand unbedingt verringert werden – und das gelinge nur im Hyperloop. Es komme nun darauf an, dass man sich in Europa auf die technischen Rahmenbedingungen für ein gemeinsames System einige. Die EU-Kommission kündigt in ihrem Arbeitsprogramm 2023 bereits an, dafür einen Ordnungsrahmen zu schaffen. (agr@ct.de)

Homepages zu den Hyperloop-Projekten und technischen Ansätzen: ct.de/yk4g

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