c't 7/2022
S. 142
Wissen
Elektronische Behördenkommunikation

Elektronische Kommunikation mit Behörden

Kaum noch jemand versendet Briefe mit Umschlag und Marke – es sei denn zu besonderen Anlässen wie etwa bei Familienjubiläen. Elektronische Alternativen wie die E-Mail oder Nachrichten per Messenger sind komfortabler, zuverlässiger und preiswerter als die gute alte Post. Aber kann man sie auch im Verkehr mit Behörden nutzen? Und wenn ja, wie?

Von Tim Gerber

Formfragen

Müssen Anträge auf staatliche Leistungen auf bestimmte Art, etwa per Post, gestellt werden?

Ganz klar nein! Wie auch im zivilen Leben gilt grundsätzlich die Formfreiheit für jedwede Erklärung auch gegenüber einer Behörde. So wie man der Verkäuferin an der Käsetheke per Fingerzeig rechtsverbindlich vermitteln kann, dass man ein ausliegendes Stück Gouda zu erwerben beabsichtigt, kann man eine Behörde auf jede verständliche Art davon in Kenntnis setzen, dass man Wohngeld erhalten oder eine erforderliche Genehmigung erteilt bekommen möchte. Das geht mündlich, am Telefon oder per Brief und eben auch per E-Mail, Fax und – sofern die Behörde einen entsprechenden Zugang haben sollte – theoretisch sogar per Messenger, Chat oder auf ähnlichen digitalen Wegen.

Gibt es Ausnahmen von der Formfreiheit?

Ja. Aber es sind gar nicht so viele, wie man oft denkt. Vor allem ist es mit der – sehr oft formfreien – Antragstellung allein meist nicht getan. Um eine staatliche Leistung wie Wohn- oder Elterngeld tatsächlich zu erhalten, bedarf es nicht nur eines wirksamen Antrags, sondern oft des Nachweises zahlreicher individueller Gegebenheiten wie zum Beispiel des Einkommens; für die Erteilung einer Fahrerlaubnis muss man die persönliche Eignung belegen und so weiter.

Wie diese Nachweise im jeweiligen Verfahren konkret zu erbringen sind, ist in den jeweiligen Gesetzen und Verordnungen festgelegt – oder die ausführenden Behörden haben die Aufgabe, dies selbst konkret festzulegen. Oft muss der Antragsteller zahlreiche Angaben machen. Dafür sind möglicherweise Formulare vorgesehen, die man zwingend verwenden muss.

Eine De-Mail mit Absenderbestätigung (Einschreiben) ist der gängigste Weg, um in Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren eine erforderliche Schriftform durch die elektronische zu ersetzen.

Worauf gründet sich die Pflicht zur Schriftform?

Im rechtlichen Sinne unterscheidet man grob zwischen der gewillkürten und der gesetzlichen Schriftformanordnung. „Gewillkürt“ bedeutet hier, dass nach dem Willen der Beteiligten, zum Beispiel Vertragsparteien, die Schriftform für bestimmte Erklärungen angeordnet wird. Beispiele dafür sind etwa Vereinssatzungen, die oft vorsehen, dass die Kündigung der Mitgliedschaft schriftlich erfolgen muss, oder Verträge, die vorsehen, dass nur schriftliche Vereinbarungen sie ergänzen oder ändern können. In bestimmten Bereichen wie im Wohnraummietrecht oder im Arbeitsrecht ordnet dagegen der Gesetzgeber die Schriftform ausdrücklich an.

Welchen Zweck hat die Schriftform überhaupt?

Je nach Zusammenhang kann sie verschiedene Zwecke erfüllen. Zum einen kann sie dazu dienen, die Identität des Erklärenden zu bestätigen oder den Inhalt der Erklärung als authentisch zu kennzeichnen. Sie kann zum anderen aber auch die Funktion haben, dem Unterzeichner die besondere Bedeutung der abgegebenen Erklärung bewusst zu machen, zum Beispiel bei der Kündigung eines Arbeitsvertrages oder einer Wohnungsmiete. Sie kann im Privatrecht („gewillkürt“) auch jedem anderen Zweck dienen, den die Parteien sich vorstellen. Anders als in Vereinssatzungen sind Formvorschriften in Verträgen mit Verbrauchern aber oft unwirksam.

Sicher erfüllt

Wann ist die Schriftform erfüllt?

Mit Schriftform ist nicht irgendein Text gemeint, sondern der Umstand, dass eine eigenhändige Unterschrift die Erklärung bestätigt. Wiederum abhängig vom Zusammenhang kann die Erklärung nur dann wirksam sein, wenn sie dem Empfänger tatsächlich im Original vorliegt, wie das etwa bei Wohnraum- und Arbeitsvertragskündigungen der Fall ist. Hier genügt auch keine Kopie, also ein Fax oder ein gescannter E-Mail-Anhang. In vielen anderen Fällen genügen solche Ablichtungen aber völlig. Das ist gerade bei Behörden und Gerichten der Fall, etwa für Klagen oder Widersprüche gegen behördliche Entscheidungen.

Wie lässt sich die Schriftform elektronisch ersetzen?

Neben der seit Jahrzehnten verbreiteten und in vielen Fällen akzeptierten Ablichtung der eigenhändigen Unterschrift sehen viele Verfahrensvorschriften inzwischen ausdrücklich den Ersatz durch elektronische Dokumente vor. Damit sind allerdings Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur gemeint, die man als Privatmensch kaum selbst erstellen kann. Seit einigen Jahren ist in vielen Verfahren stattdessen auch die Übermittlung einer De-Mail erlaubt, wenn das Dokument mit einer Absenderbestätigung versandt wird. Dann ersetzt der De-Mail-Provider die Signatur und verlangt dafür meist auch ein Entgelt. Das Dokument muss ein TIFF oder PDF sein und mit dem Namen des Absenders „unterzeichnet“ sein. Damit ist der Namenszug des Versenders in PC-Schrift gemeint und nicht etwa eine gescannte Unterschrift mit dem Stift auf einem Tablet oder Ähnliches. Das Onlinezugangsgesetz erlaubt den Ersatz der Schriftform in einigen Fällen auch, indem die Eingaben in ein von der Behörde dafür zur Verfügung gestelltes Formular im Internet erfolgen.

Auf Empfang

Ist ein formloses Behördenschreiben überhaupt wirksam?

Eindeutig ja. Auch die Bekanntgabe der behördlichen Entscheidung ist in der Regel formfrei. Die Behörde kann auch mündlich mitteilen, ob sie einem Antrag stattgibt oder ihn ablehnt. Allerdings hat der Adressat Anspruch auf eine verschriftlichte Begründung, jedenfalls wenn er den Antrag schriftlich gestellt hat oder im Falle eines rein mündlichen Verfahrens nachträglich verlangt.

Anders ist es zum Beispiel in einem Widerspruchsverfahren. Der Widerspruchsbescheid bedarf nicht nur der Schriftform, sondern muss auch noch förmlich zugestellt werden. Damit soll dem Empfänger verdeutlicht werden, dass es sich nicht etwa um ein Behördenversehen handelt, sondern der verbindliche Wille der Behörde übermittelt wird. Das ist wichtig, da das nächste Rechtsmittel dann ja meist die Klage vor Gericht innerhalb einer bestimmten Frist ist und ausgeschlossen werden soll, dass ein einzelner Sachbearbeiter quasi versehentlich einen Bescheid oder einen Entwurf dafür nach draußen gibt, den die Behörde so gar nicht erlassen will.

Kann die Behörde elektronisch zustellen?

In der Regel nicht. Eine Ausnahme gilt nur, wenn man dem ausdrücklich zugestimmt hat. So etwa für den Steuerbescheid im Elster-Portal. Auch der Besitz eines De-Mail-Accounts bedeutet keineswegs automatisch, dass Behörden und Gerichte diesen Account für Zustellungen nutzen können. Dazu bedarf es einer eigenen Zugangseröffnung, die über die Einstellungen im De-Mail-Konto erfolgt und jederzeit auch wieder zurückgenommen werden kann.

Sonstiges

Welche gesetzlich vorgeschriebenen Erklärungsformen gibt es noch?

Neben der bereits genannten förmlichen Zustellung – die eigentlich nur für Behörden und Gerichte in bestimmten Fällen vorgeschrieben ist – gibt es weitere besondere Formen, die für die Wirksamkeit einer Erklärung vorgeschrieben sein können. Man denke nur an die notarielle Beglaubigung von Unterschriften auf Dokumenten, die für die Wirksamkeit von Immobiliengeschäften oder Eheverträgen und nicht vollständig eigenhändig geschriebenen Testamenten vorgeschrieben ist.

Muss ich Einschreiben mit Rückschein versenden?

Für die Wirksamkeit eines Schreibens ist das in keinem Fall erforderlich. Bei dieser Postdienstleistung geht es eigentlich nur um den Nachweis, dass der Empfänger das Schreiben auch erhalten hat. Es ist aber nicht viel mehr als ein Anscheinsbeweis. Den Inhalt kann der Absender ja nicht nachweisen. Da ist ein Fax mit qualifiziertem Absendenachweis deutlich besser (und billiger) und besonders unter Juristen deshalb bis heute immer noch beliebt. Dabei wird eine Sendebestätigung auf der ersten Seite des Dokuments ausgegeben. Die meisten PC-Faxe beherrschen das.

Den besten Nachweis bietet aber das rein elektronische De-Mail-Einschreiben, dessen Beweiskraft gesetzlich geregelt ist. Jedenfalls gilt das überall dort, wo es zugelassen ist, also bei vielen Behörden und allen Gerichten außer den Verfassungsgerichten beziehungsweise Verfassungsgerichtshöfen des Bundes und der Länder. (tig@ct.de)

Elektronischer Rechtsverkehr: ct.de/y13y

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