c't 13/2022
S. 114
Test & Beratung
Meshnetz für Katastrophenfälle

Katastrophennetz zum Eigenbau

Meshtastic: Open-Source-Meshnetz im Betatest

Fallen Telekommunikationsnetze aus, werden Mobiltelefone in vieler Hinsicht nutzlos, denn für weitreichende Kommunikation ohne Netz sind sie nicht gemacht. Die Open-Source-Software Meshtastic löst das Problem mit günstiger Hardware für die Langstreckenfunktechnik LoRa – unser ausführlicher erster Eindruck.

Von Andrijan Möcker

Das Hochwasser im Ahrtal vor knapp einem Jahr zeigte, dass Deutschland kaum in der Lage ist, rechtzeitig vor Katastrophen zu warnen. Es zeigte aber auch, wie fragil die Kommunikationsinfrastruktur ist. Mobilfunkzellen fielen durch die Flutschäden an Strom- und Glasfaserleitungen nach kurzer Zeit aus. Über Wochen mussten Orte ohne oder mit dürftiger Mobilfunkversorgung auskommen.

Wie kommuniziert man in solchen Situationen, ohne berittene Boten losschicken zu müssen? Der erste Schlüssel ist Vorbereitung: Mobiltelefone, auch Smartphones, sind für direkte Kommunikation ohne Netze kaum vorbereitet; zwar existieren Apps, um Bluetooth und WLAN dafür zu nutzen, doch die Reichweite beträgt vielleicht etwas über hundert Meter, meist aber weniger. LTE, UMTS und GSM kennen derzeit gar keinen Direktmodus zwischen Endgeräten. Wollen Sie gewappnet sein, müssen Sie also mehr machen, als nur eine App zu installieren.

Analoge Handsprechfunkgeräte sind eine einfache Option, etwa solche für die lizenzfreien Frequenzbereiche bei 27 (CB) oder 446 MHz (PMR446). Sie verbinden Menschen innerhalb eines Dorfes oder einer Kleinstadt, reichen jedoch bei dichter Bebauung unter Umständen nicht einmal einen Kilometer weit. Relaisfunkstellen, die das Signal auf einem Berg oder Hochhaus erneut aussenden und so die Reichweite erhöhen könnten, sind technisch vergleichsweise kompliziert und in den meisten Ländern in diesen Frequenzbereichen sowieso unzulässig – dementsprechend fehlt vielen PMR446- und CB-Funkgeräten der nötige Duplexmodus.

Mesh-Alternative

Die Open-Source-Firmware Meshtastic verfolgt dagegen einen ausgefuchsten Ansatz: Sie läuft auf günstigen akkubetriebenen Mikrocontroller-Boards mit LoRa-Modem und erzeugt ein autarkes Mesh-Netz. LoRa (Long Range) – eine Digitalfunktechnik für das Internet der Dinge mit 300 bis 5400 Bit pro Sekunde Datenrate – erzielt hohe Reichweiten (Rekord per Wetterballon: 832 Kilometer) bei geringem Energieverbrauch. Per Bluetooth, WLAN oder USB mit den Boards verbundene Rechner sowie Smartphones und Tablets (iOS/Android) können verschlüsselte Textnachrichten, Standortdaten und Weiteres versenden – das Meshtastic-Board ergänzt also sonst netzabhängige Geräte um eine direkte Funkschnittstelle mit hoher Reichweite. Boards mit Display können kurze Textnachrichten sowie Richtungspfeile und Entfernungen zu anderen Knoten anzeigen.

Der Clou: Namensgetreu ist jeder Meshtastic-Knoten (Board) auch ein Router für die Pakete anderer Knoten. Pakete können bis zu siebenmal geroutet werden; exponiert positionierte Router-Knoten, zum Beispiel auf Bergen, steigern die Reichweite im Bestfall auf über 100 Kilometer.

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