c't 9/2021
S. 36
Aktuell
Prozessoren

Bit-Rauschen

Neuer Auftragsfertiger Intel, Speicher wird noch teurer

Intel will die eigene Fertigung kräftig ausbauen und seine Werke für andere Kunden ­öffnen. Die wachsende Kluft ­zwischen Angebot und Nach­frage verschärft den be­­stehen­d­en Chipmangel und treibt die Preise weiter nach oben.

Von Christian Hirsch

Wenige Wochen nach seinem erneuten Jobantritt als Intel-CEO hat Pat Gelsinger in einer öffentlichen Präsentation seine Vision für die nächsten Jahre vorgestellt. Die Rolle Intels als „Integrated Device Manufacturer“, also einem Hersteller, der Chips selbst entwickelt, fertigt und vermarktet, will Gelsinger zu IDM 2.0 weiterentwickeln: Der Großteil der eigenen Produkte soll also weiterhin in den eigenen Fabriken vom Band laufen.

Mit dem Rechenbeschleuniger Ponte Vecchio, der aus 47 Chip-Tiles besteht, will Intel-CEO Pat Gelsinger die Brücke in Intels Zukunft schlagen.
Bild: Intel

Zusätzlich will Intel für bestimmte Chips aber auch verstärkt Kapazitäten bei anderen Auftragsfertigern wie TSMC, Samsung, Globalfoundries oder UMC einkaufen. Bislang lässt Intel zum Beispiel Netzwerkchips und Chipsätze extern fertigen. Ab 2023 will Intel davon auch bei Kernprodukten wie CPUs und GPUs Gebrauch machen. Das klappt, weil laut Gelsinger zukünftige Intel-Prozessoren nicht mehr aus monolithischen Chips, sondern aus mehreren „Tiles“ (Kacheln) mit unterschiedlicher Fertigungstechnik bestehen. Verknüpft sind diese als Chipstapel mit Intels Foveros-Technik sowie horizontal über im Package untergebrachte Siliziumchips, die Intel als Embedded Multi-die Interconnect Bridge (EMIB) bezeichnet.

Als dritte Säule will Intel selbst zum Auftragsfertiger werden und ein Gegen­gewicht zu den hauptsächlich in Asien beheimateten Branchengrößen wie TSMC und Samsung bilden. Für wie wichtig Gelsinger die Intel Foundries Service genannte Sparte erachtet, lässt sich daran ablesen, dass der neue Chef Dr. Randhir Thakur ihm direkt unterstellt ist. Das Marktpotenzial für alle Auftragsfertiger zusammen soll laut Intel-CEO im Jahr 2025 bei 100 Milliarden US-Dollar liegen. Von diesem Kuchen will sich nun auch Intel ein Stück sichern.

Durch die neue Sparte lassen sich wohl zum einen die Kapazitäten von vorrangig älteren Fabs in den USA, Irland und Israel besser auslasten. Zum anderen erlaubt es außer von kommerziellen Kunden auch Aufträge von Regierungsstellen und Zulieferern für die Rüstungsindustrie anzunehmen, die Fertigungsanlagen in den USA oder der EU voraussetzen. Zur potenziellen Kundschaft zählt Intel unter anderem Amazon, Cisco, Ericsson, Google, IBM, IMEC, Microsoft und Qualcomm. Für deren Chips will der Hersteller nicht nur die reine Fertigung übernehmen, sondern ihnen auch eigene IP-Blöcke für CPU und GPU schmackhaft machen. Gelsinger hat nach eigener Aussage aber auch kein Problem damit, ARM- oder RISC-V-Designs zu produzieren.

Um diese ambitionierten Ziele zu erreichen, kooperiert Intel mit IBM bei der Halbleiterentwicklung und zieht für 20 Milliarden US-Dollar zwei neue Fabriken mit insgesamt 3000 Angestellten im US-Bundesstaat Arizona hoch. Allerdings bezahlt Intel die Summe nicht komplett aus eigener Tasche, sondern erhält im Gegenzug dafür Steuererleichterungen. Geplant ist 2024 die Fertigung von 7-Nanometer-­Produkten mit EUV-Belichtung aufzunehmen, die vom Ausrüster ASML stammt.

Erste Chips mit dieser Technik soll es, wenn auch aus anderen Intel-Fabs, schon ein Jahr vorher zu kaufen geben. Dazu zählen die Mobil- und Desktop-CPUs Meteor Lake sowie die Server-Chips Granite Rapids, die beide das bereits erwähnte Tile-­Design verwenden. Als Überraschung kündigte Gelsinger zudem an, die Entwicklerkonferenz Intel Developer Forum in modernisierter Form wiederzubeleben, nämlich im Oktober als Intel Innovation Event in San Francisco.

Steigende Speicherpreise

Für manche Dinge wird 2021 zum Startpunkt, für andere könnte es das Ende einläuten. Micron will die Weiterentwicklung der Speichertechnik 3D Xpoint einstellen. Ursprünglich als Gemeinschaftsprojekt mit Intel gestartet, konnte sich der nichtflüchtige Speicher mit vergleichsweise kurzen Latenzen unter der Marke Optane nur in der Nische der High-End-Server etablieren. Da der Liefervertrag mit dem einzigen Abnehmer Intel ausläuft, plant Micron, die defizitäre Fabrik in Utah noch in diesem Jahr abzustoßen.

Die allgemeine Nachfrage nach DRAM- und Flash-Chips bleibt jedoch weiterhin hoch, weshalb die Preise laut den Marktforschern von TrendForce auch im zweiten Quartal weiter kräftig steigen werden. Der pandemiebedingte hohe Bedarf bei Notebooks und Servern, die weiterhin pro Jahr 1,3 Milliarden gefertigten Smartphones sowie der Mining-Boom bei Grafikkarten sollen Speicherchips bis zum Sommer um bis zu 20 Prozent verteuern.

Und dann brannte es nun auch noch in einem Werk des japanischen Herstellers Renesas, das vor allem für die Automobilindustrie produziert. Als Folge drohen Produktionsstopps bei mehreren Autoherstellern. Zudem verzögert sich der Neustart der Mitte Februar nach einem durch einen Wintersturm verursachten Stromausfall heruntergefahrenen Samsung-Fabrik in Austin, Texas. Und taiwanische Chiphersteller kämpfen mit Wasserknappheit wegen Dürre. Bei der angespannten Liefersituation von Halbleiterchips ist kein Licht am Ende des Tunnels sichtbar. (chh@ct.de)

Bit-Rauschen als Audio-Podcast: ct.de/ywq3

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