c't 24/2021
S. 172
Wissen
Recht

Auseinandergenommen

EuGH erlaubt das Dekompilieren von Software zur Fehlerbeseitigung

Das strenge deutsche Urheberrecht gestattet nur sehr eingeschränkt Eingriffe in den Quellcode von Software, wenn der Urheber diese nicht erlaubt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nun klargestellt, wann und wie Nutzer bei Programmfehlern selbst Hand anlegen dürfen.

Von Joerg Heidrich

Computerprogramme sind urheberrechtlich geschützt. Voraussetzung: Es muss sich dabei um individuelle geistige Schöpfungen handeln. Der Schutz von Software orientiert sich im Bereich der Europäischen Union an der EU-Richtlinie 2009/24/EG „über den Rechtsschutz von Computerprogrammen“; im deutschen Urheberrechtsgesetz (UrhG) regeln ihn die Paragrafen 69a bis g. Der gewährte Schutz bezieht sich auf alle Ausdrucksformen eines Computerprogramms. Er erstreckt sich sowohl auf den Objektcode als auch auf den Quellcode, einschließlich dessen, was das Gesetz „Entwurfsmaterial“ nennt. Das können beispielsweise Ablaufpläne oder UI-Skizzen sein. Nicht erfasst sind dagegen reine Ideen und Grundsätze, die einer Software oder auch einer Schnittstelle zugrunde liegen.

Der quelloffene Reko-Decompiler arbeitet auf .NET-Basis. Er dient dazu, binären Objektcode zu analysieren und in verschiedene Hochsprachen rückzuführen.
Bild: John Källén

Die Frage, unter welchen Voraussetzungen Nutzer in Software eingreifen und diese verändern dürfen, gehört zu denjenigen, um die im europäischen Gesetzgebungsprozess besonders heiß gestritten worden ist. Um in den Quellcode eines nicht quelloffenen Programms einzugreifen, ist es erforderlich, dieses zu disassemblieren oder zu dekompilieren. Aus urheberrechtlicher Sicht bedeutet das bereits eine Bearbeitung von geschützten Inhalten. Grundsätzlich steht das Recht dazu nur dem Urheber zu – oder demjenigen, dem er es ausdrücklich gestattet. Wer aber ein Programm kauft oder mietet, um es zu nutzen, erwirbt dieses Recht normalerweise nicht. Im klassischen Softwaregeschäft stehen schon die Geheimhaltungsinteressen der Hersteller einer Freigabe des Dekompilierens entgegen. Lizenzen für freie und quelloffene Software, die Bearbeitung und Weiterentwicklung des Quellcodes erlauben, bilden in dieser Hinsicht die große Ausnahme.

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