c't 8/2020
S. 180
FAQ
FAQ: Virtual Reality

FAQ

Virtual Reality

Der Virtual-Reality-Hype ist wieder ein bisschen aufgeflammt – das liegt nicht nur am gerade erschienenen Half-Life: Alyx, dem ersten neuen Half-Life-Spiel seit 12 Jahren. Auch außerhalb von Spielen bietet VR sinnvolle Anwendungen. Wir beantworten die häufigsten Fragen zu VR.

Von Jan-Keno Janssen

Appstore-Pflicht

Wenn ich mich für ein VR-Headset entscheide, lege ich mich dann auf den Appstore des Herstellers fest?

Nein, bei PC-Headsets nicht. Jedes Consumer-Headset ist kompatibel mit dem OpenVR-Standard und damit auch mit Steam, dem zurzeit populärsten VR-­Appstore: Hier ist nämlich nur Open­VR-­Software zugelassen. Mit einem Oculus-­Headset (Rift (S) und Quest) kann man zusätzlich den Oculus-Store verwenden, der einige Exklusivtitel im Angebot hat. Das inoffizielle Tool LibreVR (ehemals ReVive) bringt aber auch Nicht-­Oculus-Headsets die Kompatibilität zum Oculus Store bei. Außerdem unterstützt auch HTCs Viveport-Store alle relevanten Consumer-­Headsets.

Half-Life: Alyx nur mit Valve Index?

Läuft Half-Life: Alyx besser auf der Valve Index als auf anderen Geräten? Das ist ja schließlich das Headset vom Alyx-Entwickler Valve.

Der Half-Life-Entwickler hat zwar mit der Index ein eigenes Headset im Programm, das Spiel lässt sich aber mit allen Consumer-Headsets problemlos spielen (zum Beispiel Oculus Rift (S), Oculus Quest, HTC Cosmos, HTC Vive (Pro) oder allen Windows-Mixed-Reality-Headsets wie Samsung Odyssey oder HP Reverb). Der einzige spielerisch relevante Unterschied zwischen dem Valve-Headset und der Konkurrenz sind die Controller: Die der Valve Index können Streckung und Neigung jedes einzelnen Fingers erkennen, die anderen tracken maximal Daumen und Zeigefinger einzeln und die anderen drei Finger als Gruppe. Laut Valve sei mit den Index-Controllern in Alyx „eine geringe Anzahl“ an Interaktionen möglich, die mit anderen Controllern nicht funktionieren, beispielsweise das Zerdrücken einer Dose. Diese Interaktionen seien aber allesamt nur schmückendes Beiwerk und nicht relevant fürs Spiel. Man habe sichergestellt, dass das Spiel auch mit anderen Controllern problemlos funktioniert, heißt es in einer Erklärung von Valve.

Das VR-Spiel Half-Life: Alyx steuert man mit natürlichen Handbewegungen. 
Bild: Valve

„Echte“ Spiele

Ich habe gehört, dass es für VR (außer Half-Life: Alyx) nur kurze Spiele-­Snacks gibt. Stimmt das?

Das stimmt längst nicht mehr. Es sind etliche Titel auf dem Markt, die ebenso lange fesseln wie „Pancake"-Spiele (so nennen VR-Fans „flache“ 2D-Spiele). Einige Empfehlungen der c’t-Redaktion: Asgard's Wrath, Lone Echo, No Man's Sky VR, Stormland und Beat Saber.

Der Valve-Controller (rechts) erfasst Streckung und Neigung jedes Fingers einzeln, der Oculus-Controller (links) nur Daumen und Zeigefinger, den Rest als Gruppe.

VR nicht (nur) für Spiele!

Ist VR eine reine Spieletechnik?

Absolut nicht. Obwohl man anfangs gedacht hat, VR würde vor allem PC-Gamer ansprechen, boomte die Branche in den letzten Jahren in ganz anderen Bereichen, zum Beispiel in Architektur (3D-Visualisierung), Medizin, Industrie (Produktentwicklung, Schulung, Produktionsplanung), Kunst und Psychologie. Eine sehr vielversprechende Anwendung in Zeiten von Flugscham und Pandemien sind obendrein virtuelle Meetings.

Teurer Rechner

Brauche ich zusätzlich zur Brille einen High-End-Rechner?

„High-End“ ist vielleicht etwas übertrieben, aber ein einigermaßen leistungsfähiger Gaming-PC ist definitiv notwendig. Die Grafikkarte entscheidet: Man muss sich vor Augen führen, dass (die nicht einmal sehr hochauflösende) Oculus Rift S pro Frame 2560 × 1440 Pixel anzeigt (1280 × 1440 pro Auge) – und das mit 80 Frames pro Sekunde. Und: Anders als am Standardmonitor wirken sich in VR schon kleinste Ruckler sehr negativ aufs Wohlbefinden aus. Zum Vergleich: Die meisten Spiele laufen auf Spielkonsolen nur mit 30 fps. In einem VR-PC muss man deshalb auch allein für die Grafikkarte mindestens so viel Geld ausgeben wie für eine Konsole. Zurzeit ist eine Karte im Leistungsbereich einer Nvidia GTX 1660 TI oder eine AMD RX 590 ungefähr die Untergrenze – je schneller, desto besser. Für einen neuen, VR-tauglichen PC muss man also mindestens mit Kosten von 700 Euro rechnen.

Platzprobleme

Wie viel Platz brauche ich, um in VR spielen zu können?

Es gibt zwar auch VR-Software, die man am besten im Sitzen nutzt, die meisten Programme sind aber auf sogenanntes „Room Scale“ ausgelegt, sprich: Man soll sich ein wenig bewegen können. Das absolute Minimum entspricht ungefähr der eigenen Armspannweite – schließlich will man nicht im Eifer der VR-Session versehentlich mit dem Controller den Monitor vom Tisch fegen (alles schon vorgekommen). Damit so etwas wie Freiheitsgefühl aufkommt, empfiehlt Valve mindestens 1,5 mal 2 Meter, Oculus 2 mal 2 Meter. Damit kommt man gut hin – alles was darüber liegt, nervt oft mehr als es nützt, schließlich hängt man mit einem Kabel am PC, das sich gerne mal verheddert.

Ohne Kabel

Gibt es auch PC-VR-Headsets ohne Kabel?

Alle PC-VR-Headsets benötigen standardmäßig eine Kabelverbindung. Für die HTC Vive, die HTC Vive Pro und die Vive Cosmos ist ein Wireless-Umrüstkit erhältlich, das neben einem Transmitter fürs Headset auch eine WiGig-PCIe-­Steckkarte für den PC enthält. Das Kit kostet je nach Headset zwischen 345 bis 420 Euro. Das Wireless-Kit funktionierte im c’t-Test gut. Für die Oculus Quest gibt es Software, die VR-Software vom PC über WLAN auf das Headset streamt. In unseren Tests hat bislang keine dieser Software-Lösungen zufriedenstellend funktioniert.

Linux und macOS

Läuft VR nur unter Windows oder auch unter macOS oder Linux?

Der Treiber für Oculus-Headsets ist nur für Windows erhältlich. Für die HTC Vive (Pro) gibt SteamVR-Treiber für macOS, aber nur extrem wenige unterstützte Titel. Die Vive-Headsets und die Valve Index laufen unter Linux, aber auch hier gibt es nur wenige Software-Titel. Linux-Nutzer können das Kompatibilitätstool Steam Play (alias Proton) nutzen, die viele VR-Titel ohne dedizierte Linux-Unterstützung lauffähig macht. Unter anderem funktionieren Beat Saber, Superhot VR und Google Earth VR mit Steam Play.

Kaufentscheidung

Welche VR-Brillen sind für den PC empfehlenswert? 

Am günstigsten sind zurzeit sogenannte Windows-Mixed-Reality-­Head­sets (WMR), zum Beispiel von Samsung, Acer, HP, Dell und Lenovo/Medion. Sie gibt es manchmal neu ab 230 Euro, gebraucht sogar schon ab 100 Euro. Die Entwicklung stagniert allerdings, da Microsoft sich eher um seine AR-Produkte wie Hololens zu kümmern scheint. Das Handtracking von WMR gehört im aktuellen Vergleich zum schlechtesten am Markt, außerdem sind die Controller klobig, schwer und batteriehungrig.

Am oberen Ende des Spektrums steht die Valve Index, sie ist aber nicht nur teuer (1080 Euro), sondern erfordert auch zwei externe Tracking-Kästchen, was in der Praxis nervig sein kann. Dafür hat sie als einziges Gerät am Markt 120-Hz-Displays und Controller mit Einzelfinger-Tracking. Die HTC Cosmos kommt ohne externe Tracking-Kameras aus, kann sich aber qualitativ nicht deutlich von den WMR-­Headsets absetzen.

Einen guten Kompromiss stellen die Oculus-Headsets Rift S und Quest dar: Für 450 Euro bekommt man sehr ordent­liches Tracking ohne externe Hardware. Die Quest ist eigentlich ein autarkes Headset, das komplett ohne PC arbeitet. Mit einem USB-Kabel läuft es aber auch sehr gut am PC. Das reine PC-Headset Rift S ist in ­einigen Belangen schlechter (helleres Schwarz, keine Augenabstand-­Einstellung), in einigen aber auch besser als die Quest. Zum Beispiel trägt sie sich dank eines starren Kopfbands deutlich angenehmer. Vermutlich auch wegen des Alyx-­Hypes sind viele Headsets zurzeit schlecht oder gar nicht lieferbar. (jkj@ct.de)

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