c't 4/2020
S. 34
Aktuell
Prozessoren

Bit-Rauschen

Mehr Core-X-Kerne, Epyc-Supercomputer und US-Druck auf TSMC

Intel kämpft an mehreren Fronten gegen starke AMD-Prozessoren und strukturiert die Server-Sparte um. Die USA wollen China von moderner CPU-Technik abschneiden und ­stellen Forderungen an den tai­wa­nischen Auftragsfertiger TSMC.

Von Christof Windeck

Angeblich legt Intel noch ein paar Kerne nach: Weil der neue Core-X-Typ Core i9-10980XE mit seinen 18 Kernen weit hinter dem Ryzen Threadripper bleibt, spekuliert man über einen Core i9-10990XE mit 22 Kernen. Auch der wird zwar den 64 Kernen des Threadripper 3990X nicht Paroli bieten können, aber der AMD-Kracher kostet auch fast 4000 Euro. Und wer eine der noch seltenen ­Anwendungen mit AVX-512-Code nutzt, fährt mit einem halb so teuren Core X ­vielleicht besser.

Der Server-Verwandte des besagten Threadripper 3990X, der Epyc 7742, dient bald den Wetterfröschen des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersagen (EZMW). Sie wollen sich mit einem stärkeren Atos-Supercomputer besser auf Extremwetter vorbereiten, das wegen des Klimawandels nun häufiger ansteht. Ab 2021 möchte das EZMW deutlich genauere 15-Tage-Prognosen im Rahmen des sogenannten Ensemble Prediction System (EPS) berechnen – und nicht nur alle 3 bis 4 Tage wie bisher, sondern täglich. Der Hauptsitz des EZMW liegt im britischen Reading, der Epyc-Rechner wird aber an einer Zweigstelle im italienischen Bologna aufgebaut – Brexit, ick hör’ dir trapsen. Derartige Supercomputer-Aufträge bringen AMD viel Renomee, aber keine gigantischen Verkaufszahlen: Was sind ein paar tausend Epycs im Vergleich zu Millionen Cloud-Servern? Doch auch bei letzteren zeigt sich AMD zuversichtlich. Vor allem die „großen“ Epycs mit 48 und 64 Kernen sind hier gefragt – wenig verwunderlich, denn genau dabei gibt es keine Xeon-Konkurrenz. Offenbar gerät Intel unter Druck und hat die hohen Aufpreise für Xeon-„L“-Spezialversionen reduziert, die besonders viel RAM anbinden können.

Als obersten Epyc-Verkäufer hat AMD den bisherigen Intel-Manager Dan McNamara ins Boot geholt; er kam mit dem Kauf von Altera zu Intel, also mit der heutigen FPGA-Sparte. Bei Intels „Datacenter Group“ stehen laut Gerüchten Entlassungen an – es liegt auf der Hand, dass die Sparte anders organisiert wird. Intel-Chef Bob Swan hatte seine Mannschaft ja schon zum Umdenken aufgefordert: Es gehe künftig nicht mehr darum, den eigenen Marktanteil in einem ­Segment auf Biegen und Brechen hochzutreiben, sondern um innovative Produkte für breitere Märkte.

Druck auf TSMC

Der weltweit größte Chip-Auftragsfertiger TSMC aus Taiwan, der für AMD derzeit sämtliche 7-Nanometer-Chips wie Epyc 7002, Ryzen 3000/4000 und die Navi-Radeons fertigt, gerät derweil unter Druck aus den USA. Einerseits drängt die Trump-Regierung darauf, dass TSMC auch eine Chip-Fab in den USA baut, wohl auch weil das US-Militär befürchtet, von künftiger Halbleitertechnik abgeschnitten zu werden. Andererseits will die Trump-Regierung verhindern, dass ­Huawei und andere chinesische Firmen weiterhin Chips mit modernster Technik bei TSMC einkaufen. Dazu wiederum ­erwägt man die Exportbestimmungen für US-Technik zu verschärfen: Bisher ist der Weiterverkauf eines Produkts – etwa eines Prozessor-Rohlings – in einen anderen Staat erst dann genehmigungspflichtig, wenn der Anteil der aus den USA zugekauften Komponenten oder Lizenzen über 25 Prozent liegt. Dieser Wert könnte auf 10 Prozent sinken.

Bei der Verkündung der höchst erfreulichen Umsatzzahlen für das Jahr 2019 gab sich TSMC-Chef C. C. Wei unbeeindruckt von den US-Drohungen. Selbst wenn man weniger nach China verkaufen dürfe, würde das nur eine zeitweilige Delle im Umsatz verursachen. Man sei der „Jedermann-Fertiger“ und offen für Kunden aus aller Welt. Die 7-Nanometer-Fertigung von TSMC ist derzeit gut ausgelastet und bringt 35 Prozent des Umsatzes. TSMC will schon Ende 2020 erste 5-Nanometer-Chips ausliefern, vermutlich sind das Smartphone-Prozessoren für Apple und Qualcomm. Damit würde sich die Liefersituation bei 7 Nanometern entspannen. Ende 2019 entfielen 49 Prozent vom TSMC-Umsatz auf Smartphone-Prozessoren. Wie zu hören ist, könnte sogar Intel bei TSMC zukaufen, und zwar ab 2022 die 7-Nanometer-GPU Xe DG2.

Der „Die Carrier“ moderner Prozessoren besteht aus zahlreichen Lagen, einige davon aus dem sogenannten Ajinomoto Build-up-Film.

Ein fertiger Chip besteht aber nicht nur aus dem Silizium-Die, sondern braucht auch ein Gehäuse – und auch dabei wird die Technik immer komplexer. Seit der Jahrtausendwende setzt Intel auf die Flip-Chip-BGA-Technik, bei der das Die kopfüber (flipped) über ein Raster aus Lotkugeln (Ball Grid Array, BGA) verlötet ist. Die Trägerplatinchen für diese Montagetechnik müssen sehr spezielle Eigenschaften erfüllen, etwa in Bezug auf thermische Ausdehnung und mechanische Stabilität. Die japanische Firma Ajinomoto hat dafür angepasste Isolierfolien entwickelt, die als „Ajinomoto Build-up-Film“ (ABF) lagenweise auf eine Basisplatine auflaminiert sind. Der taiwanische Online-Dienst Digitimes meldet, dass Chip-Hersteller ihre Kapazitäten zur ABF-Verarbeitung ausweiten müssen, weil chinesische Firmen wie Alibaba und Huawei riesige Mengen an KI-Prozessoren fertigen lassen.  (ciw@ct.de)

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